Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

ein ziemliches Maaß voll Perlen, nebst einigen kost-
baren Kleynodien, vor seine unsertwegen gehabte
Mühe, anwiese und darreichte, setzte sich dieser gu-
te Mensch in eine weit bessere Verfassung, und mach-
te etwas freundlichere Geberden, zumahlen, da
ihm sein älterer Bruder seinen gantzen Antheil von
allem dem, was auf dem Schiffe befindlich, es mog-
te Nahmen haben, wie es wolte, erb-und eigenthüm-
lich schenckte; als vor welche Freygebigkeit der Ca-
pitain
Horn Jun. dennoch so höflich war, seinem
ältern Bruder die Hand zu küssen. Dieser aber
dargegen umarmete und küssete ihn etliche mahl auf
den Mund, ließ auch dabey viele heisse Thränen aus
seinen Augen fallen, welches alle Umstehenden wohl
bemerckten. Anbey redete er diese Worte: "Mein
&q;Bruder! reiset glücklich, und bleibt gesegnet hier
&q;zeitlich und dort ewiglich."

Horn Jun. antwortete hierauf: "Mein Bruderlich
&q;habe mich in vielen Stücken, die euch wohl bekannt
&q;sind, sonderlich in einem eintzigen Stücke, welches,
&q;wie ihr wohl wisset, eure Person allein anbetroffen,
&q;auf das schändlichste gegen euch vergangen und
&q;versündiget; darum vergebt mir, wo ihr anders
&q;wollet, daß ich, es sey hier oder da, frölich sterben
&q;soll, meine gegen euch begangene Sünden in Ge-
&q;genwart dieser redlichen Zeugen, auf dieser Stel-
&q;le." Horn Sen. versetzte hierauf: "Mein Bru-
&q;der! das weiß ich wohl, daß ihr euch in vielen Stü-
&q;cken an GOtt versündiget habt, was aber das
&q;Meinige anbelanget, so sind euch alle eure gegen
&q;mich begangenen Fehler und Ubereilungen so wohl
&q;aus christlicher, als brüderlicher Liebe, schon

&q;läng-

ein ziemliches Maaß voll Perlen, nebſt einigen koſt-
baren Kleynodien, vor ſeine unſertwegen gehabte
Muͤhe, anwieſe und darreichte, ſetzte ſich dieſer gu-
te Menſch in eine weit beſſere Verfaſſung, und mach-
te etwas freundlichere Geberden, zumahlen, da
ihm ſein aͤlterer Bruder ſeinen gantzen Antheil von
allem dem, was auf dem Schiffe befindlich, es mog-
te Nahmen haben, wie es wolte, erb-und eigenthuͤm-
lich ſchenckte; als vor welche Freygebigkeit der Ca-
pitain
Horn Jun. dennoch ſo hoͤflich war, ſeinem
aͤltern Bruder die Hand zu kuͤſſen. Dieſer aber
dargegen umarmete und kuͤſſete ihn etliche mahl auf
den Mund, ließ auch dabey viele heiſſe Thraͤnen aus
ſeinen Augen fallen, welches alle Umſtehenden wohl
bemerckten. Anbey redete er dieſe Worte: „Mein
&q;Bruder! reiſet gluͤcklich, und bleibt geſegnet hier
&q;zeitlich und dort ewiglich.‟

Horn Jun. antwortete hierauf: „Mein Bruderlich
&q;habe mich in vielen Stuͤcken, die euch wohl bekannt
&q;ſind, ſonderlich in einem eintzigen Stuͤcke, welches,
&q;wie ihr wohl wiſſet, eure Perſon allein anbetroffen,
&q;auf das ſchaͤndlichſte gegen euch vergangen und
&q;verſuͤndiget; darum vergebt mir, wo ihr anders
&q;wollet, daß ich, es ſey hier oder da, froͤlich ſterben
&q;ſoll, meine gegen euch begangene Suͤnden in Ge-
&q;genwart dieſer redlichen Zeugen, auf dieſer Stel-
&q;le.‟ Horn Sen. verſetzte hierauf: „Mein Bru-
&q;der! das weiß ich wohl, daß ihr euch in vielen Stuͤ-
&q;cken an GOtt verſuͤndiget habt, was aber das
&q;Meinige anbelanget, ſo ſind euch alle eure gegen
&q;mich begangenen Fehler und Ubereilungen ſo wohl
&q;aus chriſtlicher, als bruͤderlicher Liebe, ſchon

&q;laͤng-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0542" n="532"/>
ein ziemliches Maaß voll Perlen, neb&#x017F;t einigen ko&#x017F;t-<lb/>
baren Kleynodien, vor &#x017F;eine un&#x017F;ertwegen gehabte<lb/>
Mu&#x0364;he, anwie&#x017F;e und darreichte, &#x017F;etzte &#x017F;ich die&#x017F;er gu-<lb/>
te Men&#x017F;ch in eine weit be&#x017F;&#x017F;ere Verfa&#x017F;&#x017F;ung, und mach-<lb/>
te etwas freundlichere Geberden, zumahlen, da<lb/>
ihm &#x017F;ein a&#x0364;lterer Bruder &#x017F;einen gantzen Antheil von<lb/>
allem dem, was auf dem Schiffe befindlich, es mog-<lb/>
te Nahmen haben, wie es wolte, erb-und eigenthu&#x0364;m-<lb/>
lich &#x017F;chenckte; als vor welche Freygebigkeit der <hi rendition="#aq">Ca-<lb/>
pitain</hi> <hi rendition="#fr">Horn</hi> <hi rendition="#aq">Jun.</hi> dennoch &#x017F;o ho&#x0364;flich war, &#x017F;einem<lb/>
a&#x0364;ltern Bruder die Hand zu ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;er aber<lb/>
dargegen umarmete und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete ihn etliche mahl auf<lb/>
den Mund, ließ auch dabey viele hei&#x017F;&#x017F;e Thra&#x0364;nen aus<lb/>
&#x017F;einen Augen fallen, welches alle Um&#x017F;tehenden wohl<lb/>
bemerckten. Anbey redete er die&#x017F;e Worte: &#x201E;Mein<lb/>
&amp;q;Bruder! rei&#x017F;et glu&#x0364;cklich, und bleibt ge&#x017F;egnet hier<lb/>
&amp;q;zeitlich und dort ewiglich.&#x201F;</p><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Horn</hi><hi rendition="#aq">Jun.</hi> antwortete hierauf: &#x201E;Mein Bruderlich<lb/>
&amp;q;habe mich in vielen Stu&#x0364;cken, die euch wohl bekannt<lb/>
&amp;q;&#x017F;ind, &#x017F;onderlich in einem eintzigen Stu&#x0364;cke, welches,<lb/>
&amp;q;wie ihr wohl wi&#x017F;&#x017F;et, eure Per&#x017F;on allein anbetroffen,<lb/>
&amp;q;auf das &#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;te gegen euch vergangen und<lb/>
&amp;q;ver&#x017F;u&#x0364;ndiget; darum vergebt mir, wo ihr anders<lb/>
&amp;q;wollet, daß ich, es &#x017F;ey hier oder da, fro&#x0364;lich &#x017F;terben<lb/>
&amp;q;&#x017F;oll, meine gegen euch begangene Su&#x0364;nden in Ge-<lb/>
&amp;q;genwart die&#x017F;er redlichen Zeugen, auf die&#x017F;er Stel-<lb/>
&amp;q;le.&#x201F; <hi rendition="#fr">Horn</hi> <hi rendition="#aq">Sen.</hi> ver&#x017F;etzte hierauf: &#x201E;Mein Bru-<lb/>
&amp;q;der! das weiß ich wohl, daß ihr euch in vielen Stu&#x0364;-<lb/>
&amp;q;cken an GOtt ver&#x017F;u&#x0364;ndiget habt, was aber das<lb/>
&amp;q;Meinige anbelanget, &#x017F;o &#x017F;ind euch alle eure gegen<lb/>
&amp;q;mich begangenen Fehler und Ubereilungen &#x017F;o wohl<lb/>
&amp;q;aus chri&#x017F;tlicher, als bru&#x0364;derlicher Liebe, &#x017F;chon<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&amp;q;la&#x0364;ng-</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[532/0542] ein ziemliches Maaß voll Perlen, nebſt einigen koſt- baren Kleynodien, vor ſeine unſertwegen gehabte Muͤhe, anwieſe und darreichte, ſetzte ſich dieſer gu- te Menſch in eine weit beſſere Verfaſſung, und mach- te etwas freundlichere Geberden, zumahlen, da ihm ſein aͤlterer Bruder ſeinen gantzen Antheil von allem dem, was auf dem Schiffe befindlich, es mog- te Nahmen haben, wie es wolte, erb-und eigenthuͤm- lich ſchenckte; als vor welche Freygebigkeit der Ca- pitain Horn Jun. dennoch ſo hoͤflich war, ſeinem aͤltern Bruder die Hand zu kuͤſſen. Dieſer aber dargegen umarmete und kuͤſſete ihn etliche mahl auf den Mund, ließ auch dabey viele heiſſe Thraͤnen aus ſeinen Augen fallen, welches alle Umſtehenden wohl bemerckten. Anbey redete er dieſe Worte: „Mein &q;Bruder! reiſet gluͤcklich, und bleibt geſegnet hier &q;zeitlich und dort ewiglich.‟ Horn Jun. antwortete hierauf: „Mein Bruderlich &q;habe mich in vielen Stuͤcken, die euch wohl bekannt &q;ſind, ſonderlich in einem eintzigen Stuͤcke, welches, &q;wie ihr wohl wiſſet, eure Perſon allein anbetroffen, &q;auf das ſchaͤndlichſte gegen euch vergangen und &q;verſuͤndiget; darum vergebt mir, wo ihr anders &q;wollet, daß ich, es ſey hier oder da, froͤlich ſterben &q;ſoll, meine gegen euch begangene Suͤnden in Ge- &q;genwart dieſer redlichen Zeugen, auf dieſer Stel- &q;le.‟ Horn Sen. verſetzte hierauf: „Mein Bru- &q;der! das weiß ich wohl, daß ihr euch in vielen Stuͤ- &q;cken an GOtt verſuͤndiget habt, was aber das &q;Meinige anbelanget, ſo ſind euch alle eure gegen &q;mich begangenen Fehler und Ubereilungen ſo wohl &q;aus chriſtlicher, als bruͤderlicher Liebe, ſchon &q;laͤng-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/542
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/542>, abgerufen am 22.11.2024.