Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

bald wieder, wir aber sahen in der Kürtze auf dem
Kopffe verschiedene ziemlich grosse Brand-Blasen
auflauffen, weßwegen wir ihr denn ihre Haube
aufsetzen wolten; allein, sie wolte es durchaus nicht
leiden, sondern stund im blossen Kopffe auf, gieng
auf ihren Herrn Vater zu, und küssete ihm die
Hand. Dieser sprach zu ihr: Siehe, meine
Tochter! nun bist du mit Feuer getaufft, und
diese Feuer-Tauffe, ob sie dir gleich etwas
schmertzlich gewesen, soll dir doch wohl bes-
ser gerathen und nutzen, als die schlechte
Wasser-Tauffe.
Hierauf versetzte die hertzhaffte
Printzeßin: Jch habe die Hoffnung zu mei-
nem Erlöser, JEsu CHristo, daß mir diese
marterhaffte Feuer-Tauffe an meiner Seelen-
Seeligkeit nicht schaden, sondern er mich,
Vermöge seines Wortes, durch die Wasser-
Tauffe und den wahren Glauben an ihn,
den ich in meinem Hertzen hege, nach mei-
nem Tode zu sich in sein Paradieß nehmen
werde.

Man sahe es dem Fürsten an seinen Augen
an, daß er über diese Antwort seiner Tochter vor
Zorn, Gifft und Galle fast hätte platzen und ber-
sten mögen, jedoch er gieng gantz stillschweigend
fort, und wie wir aus den Fenstern sehen konten,
in dem Blumen-Garten in tieffen Gedancken spa-
tzieren herum.

Wenige Stunden nach dieser Begebenheit, da
meine Augen noch lange nicht trocken waren, wur-
den uns beyden so viel der besten Speisen und Wein
zugebracht, daß sich mehr als 10. Personen damit

sätti-

bald wieder, wir aber ſahen in der Kuͤrtze auf dem
Kopffe verſchiedene ziemlich groſſe Brand-Blaſen
auflauffen, weßwegen wir ihr denn ihre Haube
aufſetzen wolten; allein, ſie wolte es durchaus nicht
leiden, ſondern ſtund im bloſſen Kopffe auf, gieng
auf ihren Herrn Vater zu, und kuͤſſete ihm die
Hand. Dieſer ſprach zu ihr: Siehe, meine
Tochter! nun biſt du mit Feuer getaufft, und
dieſe Feuer-Tauffe, ob ſie dir gleich etwas
ſchmertzlich geweſen, ſoll dir doch wohl beſ-
ſer gerathen und nutzen, als die ſchlechte
Waſſer-Tauffe.
Hierauf verſetzte die hertzhaffte
Printzeßin: Jch habe die Hoffnung zu mei-
nem Erloͤſer, JEſu CHriſto, daß mir dieſe
marterhaffte Feuer-Tauffe an meiner Seelen-
Seeligkeit nicht ſchaden, ſondern er mich,
Vermoͤge ſeines Wortes, durch die Waſſer-
Tauffe und den wahren Glauben an ihn,
den ich in meinem Hertzen hege, nach mei-
nem Tode zu ſich in ſein Paradieß nehmen
werde.

Man ſahe es dem Fuͤrſten an ſeinen Augen
an, daß er uͤber dieſe Antwort ſeiner Tochter vor
Zorn, Gifft und Galle faſt haͤtte platzen und ber-
ſten moͤgen, jedoch er gieng gantz ſtillſchweigend
fort, und wie wir aus den Fenſtern ſehen konten,
in dem Blumen-Garten in tieffen Gedancken ſpa-
tzieren herum.

Wenige Stunden nach dieſer Begebenheit, da
meine Augen noch lange nicht trocken waren, wur-
den uns beyden ſo viel der beſten Speiſen uñ Wein
zugebracht, daß ſich mehr als 10. Perſonen damit

ſaͤtti-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0480" n="470"/>
bald wieder, wir aber &#x017F;ahen in der Ku&#x0364;rtze auf dem<lb/>
Kopffe ver&#x017F;chiedene ziemlich gro&#x017F;&#x017F;e Brand-Bla&#x017F;en<lb/>
auflauffen, weßwegen wir ihr denn ihre Haube<lb/>
auf&#x017F;etzen wolten; allein, &#x017F;ie wolte es durchaus nicht<lb/>
leiden, &#x017F;ondern &#x017F;tund im blo&#x017F;&#x017F;en Kopffe auf, gieng<lb/>
auf ihren Herrn Vater zu, und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete ihm die<lb/>
Hand. Die&#x017F;er &#x017F;prach zu ihr: <hi rendition="#fr">Siehe, meine<lb/>
Tochter! nun bi&#x017F;t du mit Feuer getaufft, und<lb/>
die&#x017F;e Feuer-Tauffe, ob &#x017F;ie dir gleich etwas<lb/>
&#x017F;chmertzlich gewe&#x017F;en, &#x017F;oll dir doch wohl be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er gerathen und nutzen, als die &#x017F;chlechte<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er-Tauffe.</hi> Hierauf ver&#x017F;etzte die hertzhaffte<lb/>
Printzeßin: <hi rendition="#fr">Jch habe die Hoffnung zu mei-<lb/>
nem Erlo&#x0364;&#x017F;er, JE&#x017F;u CHri&#x017F;to, daß mir die&#x017F;e<lb/>
marterhaffte Feuer-Tauffe an meiner Seelen-<lb/>
Seeligkeit nicht &#x017F;chaden, &#x017F;ondern er mich,<lb/>
Vermo&#x0364;ge &#x017F;eines Wortes, durch die Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
Tauffe und den wahren Glauben an ihn,<lb/>
den ich in meinem Hertzen hege, nach mei-<lb/>
nem Tode zu &#x017F;ich in &#x017F;ein Paradieß nehmen<lb/>
werde.</hi></p><lb/>
              <p>Man &#x017F;ahe es dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten an &#x017F;einen Augen<lb/>
an, daß er u&#x0364;ber die&#x017F;e Antwort &#x017F;einer Tochter vor<lb/>
Zorn, Gifft und Galle fa&#x017F;t ha&#x0364;tte platzen und ber-<lb/>
&#x017F;ten mo&#x0364;gen, jedoch er gieng gantz &#x017F;till&#x017F;chweigend<lb/>
fort, und wie wir aus den Fen&#x017F;tern &#x017F;ehen konten,<lb/>
in dem Blumen-Garten in tieffen Gedancken &#x017F;pa-<lb/>
tzieren herum.</p><lb/>
              <p>Wenige Stunden nach die&#x017F;er Begebenheit, da<lb/>
meine Augen noch lange nicht trocken waren, wur-<lb/>
den uns beyden &#x017F;o viel der be&#x017F;ten Spei&#x017F;en un&#x0303; Wein<lb/>
zugebracht, daß &#x017F;ich mehr als 10. Per&#x017F;onen damit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;a&#x0364;tti-</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[470/0480] bald wieder, wir aber ſahen in der Kuͤrtze auf dem Kopffe verſchiedene ziemlich groſſe Brand-Blaſen auflauffen, weßwegen wir ihr denn ihre Haube aufſetzen wolten; allein, ſie wolte es durchaus nicht leiden, ſondern ſtund im bloſſen Kopffe auf, gieng auf ihren Herrn Vater zu, und kuͤſſete ihm die Hand. Dieſer ſprach zu ihr: Siehe, meine Tochter! nun biſt du mit Feuer getaufft, und dieſe Feuer-Tauffe, ob ſie dir gleich etwas ſchmertzlich geweſen, ſoll dir doch wohl beſ- ſer gerathen und nutzen, als die ſchlechte Waſſer-Tauffe. Hierauf verſetzte die hertzhaffte Printzeßin: Jch habe die Hoffnung zu mei- nem Erloͤſer, JEſu CHriſto, daß mir dieſe marterhaffte Feuer-Tauffe an meiner Seelen- Seeligkeit nicht ſchaden, ſondern er mich, Vermoͤge ſeines Wortes, durch die Waſſer- Tauffe und den wahren Glauben an ihn, den ich in meinem Hertzen hege, nach mei- nem Tode zu ſich in ſein Paradieß nehmen werde. Man ſahe es dem Fuͤrſten an ſeinen Augen an, daß er uͤber dieſe Antwort ſeiner Tochter vor Zorn, Gifft und Galle faſt haͤtte platzen und ber- ſten moͤgen, jedoch er gieng gantz ſtillſchweigend fort, und wie wir aus den Fenſtern ſehen konten, in dem Blumen-Garten in tieffen Gedancken ſpa- tzieren herum. Wenige Stunden nach dieſer Begebenheit, da meine Augen noch lange nicht trocken waren, wur- den uns beyden ſo viel der beſten Speiſen uñ Wein zugebracht, daß ſich mehr als 10. Perſonen damit ſaͤtti-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/480
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/480>, abgerufen am 22.11.2024.