Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Christen, Heyden, Juden, ja auch bey den allerun-
gezogensten Völckern, eine verdammte und verfluch-
te Sache sey, allein, er blieb immerzu auf diesem
Vorurtheile bestehen: "daß, wer den Baum ge-
&q;pflantzet hätte, der habe auch das Recht, die er-
&q;sten Früchte davon zu geniessen etc." Wie ich nun
aber vollkommen überzeugt wurde, daß die Prin-
tzeßin einen recht gräulichen Abscheu vor diesem
Laster, nemlich der Unzucht, hauptsächlich aber
der Blutschande hatte, so stärckte ich dieselbe in ih-
rem Glauben, und zeigte ihr nach meiner Einfalt,
daß dieses eine allen göttlichen, weltlichen und
natürlichen Gesetzen und Rechten platterdings
zuwider lauffende Sache sey. Weßwegen sie mir
auch mit heissen Thränen angelobte, sich auf solche
Art nimmermehr bethören zu lassen, sondern in
diesem Stück ihrem Vater jederzeit den alleräu-
sersten Wiederstand zu thun, und wenn es auch
ihr Leben kosten solte.

Folgenden Morgens wurde Mirzamanda
befehliget, sich in schneller Eile anzukleiden, und
zu rechte zu machen, weilen sie mit dem Fürsten,
ihrem Herrn Vater, ausfahren solte. Sie ge-
horsamte, nahm Abschied von mir, und ihre Fahrt
gieng nach einem uhralten Heyden-Tempel zu,
bey welchem ein solenner Götterdienst und Opffe-
rung angestellet war, die Printzeßin aber ließ sich
in keinem Stücke, weder durch gute, noch durch
Droh-Worte des Fürsten, dahin bewegen, auch
nur die geringste Ceremonie mit zu machen, son-
dern sie führete sich, so wie ich, gantz stille und ge-
lassen darbey auf, wolte auch nicht einmahl etwas

von

Chriſten, Heyden, Juden, ja auch bey den allerun-
gezogenſten Voͤlckern, eine verdam̃te und verfluch-
te Sache ſey, allein, er blieb immerzu auf dieſem
Vorurtheile beſtehen: „daß, wer den Baum ge-
&q;pflantzet haͤtte, der habe auch das Recht, die er-
&q;ſten Fruͤchte davon zu genieſſen ꝛc.‟ Wie ich nun
aber vollkommen uͤberzeugt wurde, daß die Prin-
tzeßin einen recht graͤulichen Abſcheu vor dieſem
Laſter, nemlich der Unzucht, hauptſaͤchlich aber
der Blutſchande hatte, ſo ſtaͤrckte ich dieſelbe in ih-
rem Glauben, und zeigte ihr nach meiner Einfalt,
daß dieſes eine allen goͤttlichen, weltlichen und
natuͤrlichen Geſetzen und Rechten platterdings
zuwider lauffende Sache ſey. Weßwegen ſie mir
auch mit heiſſen Thraͤnen angelobte, ſich auf ſolche
Art nimmermehr bethoͤren zu laſſen, ſondern in
dieſem Stuͤck ihrem Vater jederzeit den alleraͤu-
ſerſten Wiederſtand zu thun, und wenn es auch
ihr Leben koſten ſolte.

Folgenden Morgens wurde Mirzamanda
befehliget, ſich in ſchneller Eile anzukleiden, und
zu rechte zu machen, weilen ſie mit dem Fuͤrſten,
ihrem Herrn Vater, ausfahren ſolte. Sie ge-
horſamte, nahm Abſchied von mir, und ihre Fahrt
gieng nach einem uhralten Heyden-Tempel zu,
bey welchem ein ſolenner Goͤtterdienſt und Opffe-
rung angeſtellet war, die Printzeßin aber ließ ſich
in keinem Stuͤcke, weder durch gute, noch durch
Droh-Worte des Fuͤrſten, dahin bewegen, auch
nur die geringſte Ceremonie mit zu machen, ſon-
dern ſie fuͤhrete ſich, ſo wie ich, gantz ſtille und ge-
laſſen darbey auf, wolte auch nicht einmahl etwas

von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0474" n="464"/>
Chri&#x017F;ten, Heyden, Juden, ja auch bey den allerun-<lb/>
gezogen&#x017F;ten Vo&#x0364;lckern, eine verdam&#x0303;te und verfluch-<lb/>
te Sache &#x017F;ey, allein, er blieb immerzu auf die&#x017F;em<lb/>
Vorurtheile be&#x017F;tehen: &#x201E;daß, wer den Baum ge-<lb/>
&amp;q;pflantzet ha&#x0364;tte, der habe auch das Recht, die er-<lb/>
&amp;q;&#x017F;ten Fru&#x0364;chte davon zu genie&#x017F;&#x017F;en &#xA75B;c.&#x201F; Wie ich nun<lb/>
aber vollkommen u&#x0364;berzeugt wurde, daß die Prin-<lb/>
tzeßin einen recht gra&#x0364;ulichen Ab&#x017F;cheu vor die&#x017F;em<lb/>
La&#x017F;ter, nemlich der Unzucht, haupt&#x017F;a&#x0364;chlich aber<lb/>
der Blut&#x017F;chande hatte, &#x017F;o &#x017F;ta&#x0364;rckte ich die&#x017F;elbe in ih-<lb/>
rem Glauben, und zeigte ihr nach meiner Einfalt,<lb/>
daß die&#x017F;es eine allen go&#x0364;ttlichen, weltlichen und<lb/>
natu&#x0364;rlichen Ge&#x017F;etzen und Rechten platterdings<lb/>
zuwider lauffende Sache &#x017F;ey. Weßwegen &#x017F;ie mir<lb/>
auch mit hei&#x017F;&#x017F;en Thra&#x0364;nen angelobte, &#x017F;ich auf &#x017F;olche<lb/>
Art nimmermehr betho&#x0364;ren zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern in<lb/>
die&#x017F;em Stu&#x0364;ck ihrem Vater jederzeit den allera&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;ten Wieder&#x017F;tand zu thun, und wenn es auch<lb/>
ihr Leben ko&#x017F;ten &#x017F;olte.</p><lb/>
              <p>Folgenden Morgens wurde <hi rendition="#aq">Mirzamanda</hi><lb/>
befehliget, &#x017F;ich in &#x017F;chneller Eile anzukleiden, und<lb/>
zu rechte zu machen, weilen &#x017F;ie mit dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten,<lb/>
ihrem Herrn Vater, ausfahren &#x017F;olte. Sie ge-<lb/>
hor&#x017F;amte, nahm Ab&#x017F;chied von mir, und ihre Fahrt<lb/>
gieng nach einem uhralten Heyden-Tempel zu,<lb/>
bey welchem ein <hi rendition="#aq">&#x017F;olenn</hi>er Go&#x0364;tterdien&#x017F;t und Opffe-<lb/>
rung ange&#x017F;tellet war, die Printzeßin aber ließ &#x017F;ich<lb/>
in keinem Stu&#x0364;cke, weder durch gute, noch durch<lb/>
Droh-Worte des Fu&#x0364;r&#x017F;ten, dahin bewegen, auch<lb/>
nur die gering&#x017F;te <hi rendition="#aq">Ceremonie</hi> mit zu machen, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ie fu&#x0364;hrete &#x017F;ich, &#x017F;o wie ich, gantz &#x017F;tille und ge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en darbey auf, wolte auch nicht einmahl etwas<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0474] Chriſten, Heyden, Juden, ja auch bey den allerun- gezogenſten Voͤlckern, eine verdam̃te und verfluch- te Sache ſey, allein, er blieb immerzu auf dieſem Vorurtheile beſtehen: „daß, wer den Baum ge- &q;pflantzet haͤtte, der habe auch das Recht, die er- &q;ſten Fruͤchte davon zu genieſſen ꝛc.‟ Wie ich nun aber vollkommen uͤberzeugt wurde, daß die Prin- tzeßin einen recht graͤulichen Abſcheu vor dieſem Laſter, nemlich der Unzucht, hauptſaͤchlich aber der Blutſchande hatte, ſo ſtaͤrckte ich dieſelbe in ih- rem Glauben, und zeigte ihr nach meiner Einfalt, daß dieſes eine allen goͤttlichen, weltlichen und natuͤrlichen Geſetzen und Rechten platterdings zuwider lauffende Sache ſey. Weßwegen ſie mir auch mit heiſſen Thraͤnen angelobte, ſich auf ſolche Art nimmermehr bethoͤren zu laſſen, ſondern in dieſem Stuͤck ihrem Vater jederzeit den alleraͤu- ſerſten Wiederſtand zu thun, und wenn es auch ihr Leben koſten ſolte. Folgenden Morgens wurde Mirzamanda befehliget, ſich in ſchneller Eile anzukleiden, und zu rechte zu machen, weilen ſie mit dem Fuͤrſten, ihrem Herrn Vater, ausfahren ſolte. Sie ge- horſamte, nahm Abſchied von mir, und ihre Fahrt gieng nach einem uhralten Heyden-Tempel zu, bey welchem ein ſolenner Goͤtterdienſt und Opffe- rung angeſtellet war, die Printzeßin aber ließ ſich in keinem Stuͤcke, weder durch gute, noch durch Droh-Worte des Fuͤrſten, dahin bewegen, auch nur die geringſte Ceremonie mit zu machen, ſon- dern ſie fuͤhrete ſich, ſo wie ich, gantz ſtille und ge- laſſen darbey auf, wolte auch nicht einmahl etwas von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/474
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/474>, abgerufen am 25.11.2024.