Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

de vor uns, daß dieser redliche Mann kaum 6. oder
8. Wochen nach unserer Ankunfft, nachdem er, wie
ich sicher glaube, von seinem bösen Weibe und
dann auch den häuffigen Schuldnern einen allzu-
grossen Theil von Gifft und Galle einschlingen
müssen, sich auf das Krancken-Bette legte, und
binnen 3. Tagen gesund und todt war.

Dergestalt hatte sich die Sonne unseres
Glücks auf einmahl wieder unter die trüben Wol-
cken versteckt, denn unsers Wohlthäters Eheweib,
welches der Geitz-Teufel gantz und gar besessen
hatte, wolte uns nicht einmahl das Unserige heraus
geben, geschweige denn das, was uns ihr verstor-
bener Mann in seinem Testament vermacht hatte,
und welches sich auf 800. Holländische Gulden be-
lieff; Jedoch der Priester an der Evangelisch-Lu-
therischen Kirche in Amsterdam war so gütig vor
uns zu sorgen, so daß wir nicht allein das Unserige,
sondern auch die ererbten 800. Fl. ausgezahlt be-
kamen. Nun hieß es: wo weiter hin? Allein,
da wir zu sorgen kaum angefangen hatten, hatte
der Himmel schon vollkommen vor uns gesorgt,
indem der Priester mich in sein Hauß nahm, um
seiner Frauen aufzuwarten, die ebenfalls eine ge-
bohrne Deutsche war, und sich ungemein liebreich
gegen mich erzeigte; meinen Bruder aber brachte
eben dieser wackere Priester bey einen Rechts-Ge-
lehrten oder Procurator, indem mein Bruder die
Feder, so wohl in Lateinischer als Deutscher Spra-
che, schon gantz geschicklich führen konte, vor der
Holländischen Sprache aber war ihm so wenig

bange,

de vor uns, daß dieſer redliche Mann kaum 6. oder
8. Wochen nach unſerer Ankunfft, nachdem er, wie
ich ſicher glaube, von ſeinem boͤſen Weibe und
dann auch den haͤuffigen Schuldnern einen allzu-
groſſen Theil von Gifft und Galle einſchlingen
muͤſſen, ſich auf das Krancken-Bette legte, und
binnen 3. Tagen geſund und todt war.

Dergeſtalt hatte ſich die Sonne unſeres
Gluͤcks auf einmahl wieder unter die truͤben Wol-
cken verſteckt, denn unſers Wohlthaͤters Eheweib,
welches der Geitz-Teufel gantz und gar beſeſſen
hatte, wolte uns nicht einmahl das Unſerige heraus
geben, geſchweige denn das, was uns ihr verſtor-
bener Mann in ſeinem Teſtament vermacht hatte,
und welches ſich auf 800. Hollaͤndiſche Gulden be-
lieff; Jedoch der Prieſter an der Evangeliſch-Lu-
theriſchen Kirche in Amſterdam war ſo guͤtig vor
uns zu ſorgen, ſo daß wir nicht allein das Unſerige,
ſondern auch die ererbten 800. Fl. ausgezahlt be-
kamen. Nun hieß es: wo weiter hin? Allein,
da wir zu ſorgen kaum angefangen hatten, hatte
der Himmel ſchon vollkommen vor uns geſorgt,
indem der Prieſter mich in ſein Hauß nahm, um
ſeiner Frauen aufzuwarten, die ebenfalls eine ge-
bohrne Deutſche war, und ſich ungemein liebreich
gegen mich erzeigte; meinen Bruder aber brachte
eben dieſer wackere Prieſter bey einen Rechts-Ge-
lehrten oder Procurator, indem mein Bruder die
Feder, ſo wohl in Lateiniſcher als Deutſcher Spra-
che, ſchon gantz geſchicklich fuͤhren konte, vor der
Hollaͤndiſchen Sprache aber war ihm ſo wenig

bange,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0434" n="424"/>
de vor uns, daß die&#x017F;er redliche Mann kaum 6. oder<lb/>
8. Wochen nach un&#x017F;erer Ankunfft, nachdem er, wie<lb/>
ich &#x017F;icher glaube, von &#x017F;einem bo&#x0364;&#x017F;en Weibe und<lb/>
dann auch den ha&#x0364;uffigen Schuldnern einen allzu-<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Theil von Gifft und Galle ein&#x017F;chlingen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich auf das Krancken-Bette legte, und<lb/>
binnen 3. Tagen ge&#x017F;und und todt war.</p><lb/>
              <p>Derge&#x017F;talt hatte &#x017F;ich die Sonne un&#x017F;eres<lb/>
Glu&#x0364;cks auf einmahl wieder unter die tru&#x0364;ben Wol-<lb/>
cken ver&#x017F;teckt, denn un&#x017F;ers Wohltha&#x0364;ters Eheweib,<lb/>
welches der Geitz-Teufel gantz und gar be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte, wolte uns nicht einmahl das Un&#x017F;erige heraus<lb/>
geben, ge&#x017F;chweige denn das, was uns ihr ver&#x017F;tor-<lb/>
bener Mann in &#x017F;einem Te&#x017F;tament vermacht hatte,<lb/>
und welches &#x017F;ich auf 800. Holla&#x0364;ndi&#x017F;che Gulden be-<lb/>
lieff; Jedoch der Prie&#x017F;ter an der Evangeli&#x017F;ch-Lu-<lb/>
theri&#x017F;chen Kirche in Am&#x017F;terdam war &#x017F;o gu&#x0364;tig vor<lb/>
uns zu &#x017F;orgen, &#x017F;o daß wir nicht allein das Un&#x017F;erige,<lb/>
&#x017F;ondern auch die ererbten 800. Fl. ausgezahlt be-<lb/>
kamen. Nun hieß es: <hi rendition="#fr">wo weiter hin?</hi> Allein,<lb/>
da wir zu &#x017F;orgen kaum angefangen hatten, hatte<lb/>
der Himmel &#x017F;chon vollkommen vor uns ge&#x017F;orgt,<lb/>
indem der Prie&#x017F;ter mich in &#x017F;ein Hauß nahm, um<lb/>
&#x017F;einer Frauen aufzuwarten, die ebenfalls eine ge-<lb/>
bohrne Deut&#x017F;che war, und &#x017F;ich ungemein liebreich<lb/>
gegen mich erzeigte; meinen Bruder aber brachte<lb/>
eben die&#x017F;er wackere Prie&#x017F;ter bey einen Rechts-Ge-<lb/>
lehrten oder <hi rendition="#aq">Procurator,</hi> indem mein Bruder die<lb/>
Feder, &#x017F;o wohl in Lateini&#x017F;cher als Deut&#x017F;cher Spra-<lb/>
che, &#x017F;chon gantz ge&#x017F;chicklich fu&#x0364;hren konte, vor der<lb/>
Holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Sprache aber war ihm &#x017F;o wenig<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bange,</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0434] de vor uns, daß dieſer redliche Mann kaum 6. oder 8. Wochen nach unſerer Ankunfft, nachdem er, wie ich ſicher glaube, von ſeinem boͤſen Weibe und dann auch den haͤuffigen Schuldnern einen allzu- groſſen Theil von Gifft und Galle einſchlingen muͤſſen, ſich auf das Krancken-Bette legte, und binnen 3. Tagen geſund und todt war. Dergeſtalt hatte ſich die Sonne unſeres Gluͤcks auf einmahl wieder unter die truͤben Wol- cken verſteckt, denn unſers Wohlthaͤters Eheweib, welches der Geitz-Teufel gantz und gar beſeſſen hatte, wolte uns nicht einmahl das Unſerige heraus geben, geſchweige denn das, was uns ihr verſtor- bener Mann in ſeinem Teſtament vermacht hatte, und welches ſich auf 800. Hollaͤndiſche Gulden be- lieff; Jedoch der Prieſter an der Evangeliſch-Lu- theriſchen Kirche in Amſterdam war ſo guͤtig vor uns zu ſorgen, ſo daß wir nicht allein das Unſerige, ſondern auch die ererbten 800. Fl. ausgezahlt be- kamen. Nun hieß es: wo weiter hin? Allein, da wir zu ſorgen kaum angefangen hatten, hatte der Himmel ſchon vollkommen vor uns geſorgt, indem der Prieſter mich in ſein Hauß nahm, um ſeiner Frauen aufzuwarten, die ebenfalls eine ge- bohrne Deutſche war, und ſich ungemein liebreich gegen mich erzeigte; meinen Bruder aber brachte eben dieſer wackere Prieſter bey einen Rechts-Ge- lehrten oder Procurator, indem mein Bruder die Feder, ſo wohl in Lateiniſcher als Deutſcher Spra- che, ſchon gantz geſchicklich fuͤhren konte, vor der Hollaͤndiſchen Sprache aber war ihm ſo wenig bange,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/434
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/434>, abgerufen am 25.11.2024.