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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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und brachten dieselbe Nacht unter allerhand guten
Gesprächen ungemein vergnügt und ruhig zu, biß
der Tag wieder angebrochen war, da wir denn dem
Vincentio, nach verrichtetem Morgen-Gebeth, wei-
ter in und auf das Gebürge folgten.

Zeit meines Lebens habe ich keine grössern Wun-
derdinge (ich verstehe nemlich solche, welche der
Sage nach, bloß in der Natur stecken sollen) ver-
richten sehen, als Vincentius mit seinen Wünschel-
Ruthen verrichtete: Denn er hatte auser seinem
gewöhnlichen Zauber-Stabe nicht nur eine, son-
dern mancherley Arten von Wünschel-Ruthen bey
sich, und zwar, wie er sagte, nach den mancherley
Arten der Metallen u. Mineralien zugerichtet. Wie
gesagt, es war Bewunderens-würdig, wie mir denn
alle, die dabey gewesen, und es mit angesehen haben,
ein solches bezeugen werden: Denn die Ruthen
sprungen zum öfftern gantz schnell in die Höhe, zur
andern Zeit aber blieben sie auf dem Boden derge-
stalt feste kleben, so daß Vincentius dieselben mit
der allergrösten Gewalt wieder an sich ziehen muste.
Wo nun ein vortheilhaffter Platz war, ließ er also-
bald durch unsere Leute ein Spannen-tieffes Loch
einhauen, und zum Wahrzeichen einen behauenen
Stein hinein setzen, deren jeden er selbst vermit-
telst bey sich habender Stein-Meissel mit Ziffern und
allerhand Charactern bezeichnete. Es war mit grö-
ster Lust anzusehen, wie sauer es sich unsere bey uns
habenden Leute mit der Arbeit werden liessen, derge-
stalt, daß sie sich kaum Zeit zum Essen und Trin-
cken nehmen wolten, anbey auch, wie man zu sa-
gen pflegt, wie die Braten schwitzten, denn die un-

vergleich-

und brachten dieſelbe Nacht unter allerhand guten
Geſpraͤchen ungemein vergnuͤgt und ruhig zu, biß
der Tag wieder angebrochen war, da wir denn dem
Vincentio, nach verrichtetem Morgen-Gebeth, wei-
ter in und auf das Gebuͤrge folgten.

Zeit meines Lebens habe ich keine groͤſſern Wun-
derdinge (ich verſtehe nemlich ſolche, welche der
Sage nach, bloß in der Natur ſtecken ſollen) ver-
richten ſehen, als Vincentius mit ſeinen Wuͤnſchel-
Ruthen verrichtete: Denn er hatte auſer ſeinem
gewoͤhnlichen Zauber-Stabe nicht nur eine, ſon-
dern mancherley Arten von Wuͤnſchel-Ruthen bey
ſich, und zwar, wie er ſagte, nach den mancherley
Arten der Metallen u. Mineralien zugerichtet. Wie
geſagt, es war Bewunderens-wuͤrdig, wie mir denn
alle, die dabey geweſen, und es mit angeſehen haben,
ein ſolches bezeugen werden: Denn die Ruthen
ſprungen zum oͤfftern gantz ſchnell in die Hoͤhe, zur
andern Zeit aber blieben ſie auf dem Boden derge-
ſtalt feſte kleben, ſo daß Vincentius dieſelben mit
der allergroͤſten Gewalt wieder an ſich ziehen muſte.
Wo nun ein vortheilhaffter Platz war, ließ er alſo-
bald durch unſere Leute ein Spannen-tieffes Loch
einhauen, und zum Wahrzeichen einen behauenen
Stein hinein ſetzen, deren jeden er ſelbſt vermit-
telſt bey ſich habender Stein-Meiſſel mit Ziffern und
allerhand Charactern bezeichnete. Es war mit groͤ-
ſter Luſt anzuſehen, wie ſauer es ſich unſere bey uns
habenden Leute mit der Arbeit werden lieſſen, derge-
ſtalt, daß ſie ſich kaum Zeit zum Eſſen und Trin-
cken nehmen wolten, anbey auch, wie man zu ſa-
gen pflegt, wie die Braten ſchwitzten, denn die un-

vergleich-
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[379/0389] und brachten dieſelbe Nacht unter allerhand guten Geſpraͤchen ungemein vergnuͤgt und ruhig zu, biß der Tag wieder angebrochen war, da wir denn dem Vincentio, nach verrichtetem Morgen-Gebeth, wei- ter in und auf das Gebuͤrge folgten. Zeit meines Lebens habe ich keine groͤſſern Wun- derdinge (ich verſtehe nemlich ſolche, welche der Sage nach, bloß in der Natur ſtecken ſollen) ver- richten ſehen, als Vincentius mit ſeinen Wuͤnſchel- Ruthen verrichtete: Denn er hatte auſer ſeinem gewoͤhnlichen Zauber-Stabe nicht nur eine, ſon- dern mancherley Arten von Wuͤnſchel-Ruthen bey ſich, und zwar, wie er ſagte, nach den mancherley Arten der Metallen u. Mineralien zugerichtet. Wie geſagt, es war Bewunderens-wuͤrdig, wie mir denn alle, die dabey geweſen, und es mit angeſehen haben, ein ſolches bezeugen werden: Denn die Ruthen ſprungen zum oͤfftern gantz ſchnell in die Hoͤhe, zur andern Zeit aber blieben ſie auf dem Boden derge- ſtalt feſte kleben, ſo daß Vincentius dieſelben mit der allergroͤſten Gewalt wieder an ſich ziehen muſte. Wo nun ein vortheilhaffter Platz war, ließ er alſo- bald durch unſere Leute ein Spannen-tieffes Loch einhauen, und zum Wahrzeichen einen behauenen Stein hinein ſetzen, deren jeden er ſelbſt vermit- telſt bey ſich habender Stein-Meiſſel mit Ziffern und allerhand Charactern bezeichnete. Es war mit groͤ- ſter Luſt anzuſehen, wie ſauer es ſich unſere bey uns habenden Leute mit der Arbeit werden lieſſen, derge- ſtalt, daß ſie ſich kaum Zeit zum Eſſen und Trin- cken nehmen wolten, anbey auch, wie man zu ſa- gen pflegt, wie die Braten ſchwitzten, denn die un- vergleich-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/389>, abgerufen am 19.05.2024.