Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

daß die Tractamenten mehr als Fürstlich waren,
hierbey wurde der Pocal und die kleinen güldenen
Becher auch nicht müßig gelassen, und darbey das
Pulver in den Canonen gantz und gar nicht me-
nagir
t, welches mich am allermeisten dauerte, son-
sten aber delectirte mich nichts mehr, als die un-
vergleichliche Jtaliänische Taffel-Musique. Es
gieng aber gantz fein und lustig zu bey der Taffel,
und zwar, wie man in Europa zu sagen pflegt, von
Boben-Thal.

Mittlerweile erhub sich ein Streit über der
Taffel, um zu wissen: wie viel Uhr es wohl ac-
curat
seyn möchte. Der Gouverneur selbst hat-
te eine kostbare Uhr, und seine Cavaliers und Of-
ciers
führeten auch Uhren bey sich, nach Propor-
tion
ihrer Güte, sie zeigten ihre Uhren alle auf,
was die Uhr wäre; endlich kam die Reihe an uns,
und die Portugiesischen Capitains, welche ihre Uh-
ren auch aufzeigten und bekanten, daß es etliche
Minuten auf 3. Nachmittags wäre, aber der Gou-
verneur
wolte damit nicht zu frieden seyn, sondern
statuirte, daß es vollkommen 3. Uhr wäre. Mein
Bruder trat auf, und sagte: Meine Herrn, ich
bin ein geringer Mathematicus, und ein rechter
Uhren-Narre, führe also mehrentheils 2. 3. biß. 4.
Uhren bey mir, griff demnach in die Ficke, und lang-
te seine Haupt-Uhr, in deren Gehäuse unten eine
Magnet-Nadel gesetzt war, heraus, und sagte:
Dieses ist meine Haupt-Uhr, schlecht von Anse-
hen, aber tüchtig vom Verstande, denn es müste
die Sonne nicht richtig gehen, wenn diese meine
Uhr nicht richtig gienge, nach welcher sich alle meine
andern Uhren, deren ich noch viele kostbare und

schlechte,

daß die Tractamenten mehr als Fuͤrſtlich waren,
hierbey wurde der Pocal und die kleinen guͤldenen
Becher auch nicht muͤßig gelaſſen, und darbey das
Pulver in den Canonen gantz und gar nicht me-
nagir
t, welches mich am allermeiſten dauerte, ſon-
ſten aber delectirte mich nichts mehr, als die un-
vergleichliche Jtaliaͤniſche Taffel-Muſique. Es
gieng aber gantz fein und luſtig zu bey der Taffel,
und zwar, wie man in Europa zu ſagen pflegt, von
Boben-Thal.

Mittlerweile erhub ſich ein Streit uͤber der
Taffel, um zu wiſſen: wie viel Uhr es wohl ac-
curat
ſeyn moͤchte. Der Gouverneur ſelbſt hat-
te eine koſtbare Uhr, und ſeine Cavaliers und Of-
ciers
fuͤhreten auch Uhren bey ſich, nach Propor-
tion
ihrer Guͤte, ſie zeigten ihre Uhren alle auf,
was die Uhr waͤre; endlich kam die Reihe an uns,
und die Portugieſiſchen Capitains, welche ihre Uh-
ren auch aufzeigten und bekanten, daß es etliche
Minuten auf 3. Nachmittags waͤre, aber der Gou-
verneur
wolte damit nicht zu frieden ſeyn, ſondern
ſtatuirte, daß es vollkommen 3. Uhr waͤre. Mein
Bruder trat auf, und ſagte: Meine Herrn, ich
bin ein geringer Mathematicus, und ein rechter
Uhren-Narre, fuͤhre alſo mehrentheils 2. 3. biß. 4.
Uhren bey mir, griff demnach in die Ficke, und lang-
te ſeine Haupt-Uhr, in deren Gehaͤuſe unten eine
Magnet-Nadel geſetzt war, heraus, und ſagte:
Dieſes iſt meine Haupt-Uhr, ſchlecht von Anſe-
hen, aber tuͤchtig vom Verſtande, denn es muͤſte
die Sonne nicht richtig gehen, wenn dieſe meine
Uhr nicht richtig gienge, nach welcher ſich alle meine
andern Uhren, deren ich noch viele koſtbare und

ſchlechte,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="91"/>
daß die <hi rendition="#aq">Tractament</hi>en mehr als Fu&#x0364;r&#x017F;tlich waren,<lb/>
hierbey wurde der <hi rendition="#aq">Pocal</hi> und die kleinen gu&#x0364;ldenen<lb/>
Becher auch nicht mu&#x0364;ßig gela&#x017F;&#x017F;en, und darbey das<lb/>
Pulver in den <hi rendition="#aq">Canon</hi>en gantz und gar nicht <hi rendition="#aq">me-<lb/>
nagir</hi>t, welches mich am allermei&#x017F;ten dauerte, &#x017F;on-<lb/>
&#x017F;ten aber <hi rendition="#aq">delectir</hi>te mich nichts mehr, als die un-<lb/>
vergleichliche Jtalia&#x0364;ni&#x017F;che Taffel-<hi rendition="#aq">Mu&#x017F;ique.</hi> Es<lb/>
gieng aber gantz fein und lu&#x017F;tig zu bey der Taffel,<lb/>
und zwar, wie man in <hi rendition="#aq">Europa</hi> zu &#x017F;agen pflegt, von<lb/><hi rendition="#fr">Boben-Thal.</hi></p><lb/>
        <p>Mittlerweile erhub &#x017F;ich ein Streit u&#x0364;ber der<lb/>
Taffel, um zu wi&#x017F;&#x017F;en: wie viel Uhr es wohl <hi rendition="#aq">ac-<lb/>
curat</hi> &#x017F;eyn mo&#x0364;chte. Der <hi rendition="#aq">Gouverneur</hi> &#x017F;elb&#x017F;t hat-<lb/>
te eine ko&#x017F;tbare Uhr, und &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Cavaliers</hi> und <hi rendition="#aq">Of-<lb/>
ciers</hi> fu&#x0364;hreten auch Uhren bey &#x017F;ich, nach <hi rendition="#aq">Propor-<lb/>
tion</hi> ihrer Gu&#x0364;te, &#x017F;ie zeigten ihre Uhren alle auf,<lb/>
was die Uhr wa&#x0364;re; endlich kam die Reihe an uns,<lb/>
und die Portugie&#x017F;i&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Capitains,</hi> welche ihre Uh-<lb/>
ren auch aufzeigten und bekanten, daß es etliche<lb/><hi rendition="#aq">Minut</hi>en auf 3. Nachmittags wa&#x0364;re, aber der <hi rendition="#aq">Gou-<lb/>
verneur</hi> wolte damit nicht zu frieden &#x017F;eyn, &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;tatuir</hi>te, daß es vollkommen 3. Uhr wa&#x0364;re. Mein<lb/>
Bruder trat auf, und &#x017F;agte: Meine Herrn, ich<lb/>
bin ein geringer <hi rendition="#aq">Mathematicus,</hi> und ein rechter<lb/>
Uhren-Narre, fu&#x0364;hre al&#x017F;o mehrentheils 2. 3. biß. 4.<lb/>
Uhren bey mir, griff demnach in die Ficke, und lang-<lb/>
te &#x017F;eine Haupt-Uhr, in deren Geha&#x0364;u&#x017F;e unten eine<lb/><hi rendition="#aq">Magnet-</hi>Nadel ge&#x017F;etzt war, heraus, und &#x017F;agte:<lb/>
Die&#x017F;es i&#x017F;t meine Haupt-Uhr, &#x017F;chlecht von An&#x017F;e-<lb/>
hen, aber tu&#x0364;chtig vom Ver&#x017F;tande, denn es mu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
die Sonne nicht richtig gehen, wenn die&#x017F;e meine<lb/>
Uhr nicht richtig gienge, nach welcher &#x017F;ich alle meine<lb/>
andern Uhren, deren ich noch viele ko&#x017F;tbare und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chlechte,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0101] daß die Tractamenten mehr als Fuͤrſtlich waren, hierbey wurde der Pocal und die kleinen guͤldenen Becher auch nicht muͤßig gelaſſen, und darbey das Pulver in den Canonen gantz und gar nicht me- nagirt, welches mich am allermeiſten dauerte, ſon- ſten aber delectirte mich nichts mehr, als die un- vergleichliche Jtaliaͤniſche Taffel-Muſique. Es gieng aber gantz fein und luſtig zu bey der Taffel, und zwar, wie man in Europa zu ſagen pflegt, von Boben-Thal. Mittlerweile erhub ſich ein Streit uͤber der Taffel, um zu wiſſen: wie viel Uhr es wohl ac- curat ſeyn moͤchte. Der Gouverneur ſelbſt hat- te eine koſtbare Uhr, und ſeine Cavaliers und Of- ciers fuͤhreten auch Uhren bey ſich, nach Propor- tion ihrer Guͤte, ſie zeigten ihre Uhren alle auf, was die Uhr waͤre; endlich kam die Reihe an uns, und die Portugieſiſchen Capitains, welche ihre Uh- ren auch aufzeigten und bekanten, daß es etliche Minuten auf 3. Nachmittags waͤre, aber der Gou- verneur wolte damit nicht zu frieden ſeyn, ſondern ſtatuirte, daß es vollkommen 3. Uhr waͤre. Mein Bruder trat auf, und ſagte: Meine Herrn, ich bin ein geringer Mathematicus, und ein rechter Uhren-Narre, fuͤhre alſo mehrentheils 2. 3. biß. 4. Uhren bey mir, griff demnach in die Ficke, und lang- te ſeine Haupt-Uhr, in deren Gehaͤuſe unten eine Magnet-Nadel geſetzt war, heraus, und ſagte: Dieſes iſt meine Haupt-Uhr, ſchlecht von Anſe- hen, aber tuͤchtig vom Verſtande, denn es muͤſte die Sonne nicht richtig gehen, wenn dieſe meine Uhr nicht richtig gienge, nach welcher ſich alle meine andern Uhren, deren ich noch viele koſtbare und ſchlechte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/101
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/101>, abgerufen am 19.05.2024.