Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

nung bey mir. Mein erstes war, daß ich mich nach
meinem Bruder erkundigte und erfuhr, daß derselbe
bereits auf der Retour aus West-Jndien begriffen
wäre, weßwegen ich ihm zu Gefallen noch so lange
in Amsterdam zu bleiben beschloß, biß er sich einstel-
lete, jedoch meine Zeit nicht müßig daselbst zubrach-
te, sondern immer nach gerade Anstalten machte,
dasjenige anzuschaffen und wohl aus zurichten, was
mir committiret war. Endlich zu Ausgange des
Augusti kam mein Bruder, und wuste vor Freuden
nicht, was er sagen solte, daß er mich allhier frisch und
gesund antraff, denn bey meiner letztern Anwesen-
heit in Europa war er nicht gegenwärtig, sondern
ebenfalls in West-Jndien gewesen. Er führete mich
aufs erste in sein Logis, und entdeckte mir offenher-
tzig, wie glücklich er bißhero auf verschiedenen Rei-
sen gewesen, so, daß er nunmehro ein Capital von
etliche 20000. Thlr. beysammen, vor wenig Jah-
ren aber seiner Frauen, das ihr entwendete Geld
cum Interesse, einem jeden seiner Geschwister aber
1000. Thlr. durch Wechsel übermacht hätte. Nun-
mehro wäre er gesonnen, in Holland auf einem gu-
ten Orte sich zur Ruhe zu setzen, und von seinen
Interessen zu leben, denn zu seinem alten Weibe,
welches ihn so schändlich tractiret hätte, könte er
sich unmöglich wieder begeben; im übrigen mey-
nete er, ich solte ihm nur offenhertzig sagen, womit er
mir helffen und dienen könte, indem er bereit sey, auch
die Helffte seines Vermögens mit mir zu theilen.
Diese seine Redlichkeit und brüderliche Liebe gefiel
mir ungemein von ihm, weßwegen ich ihm liebreich
umarmete, und zur Antwort gab; Mein liebster

Bru-

nung bey mir. Mein erſtes war, daß ich mich nach
meinem Bruder erkundigte und erfuhr, daß derſelbe
bereits auf der Retour aus Weſt-Jndien begriffen
waͤre, weßwegen ich ihm zu Gefallen noch ſo lange
in Amſterdam zu bleiben beſchloß, biß er ſich einſtel-
lete, jedoch meine Zeit nicht muͤßig daſelbſt zubrach-
te, ſondern immer nach gerade Anſtalten machte,
dasjenige anzuſchaffen und wohl aus zurichten, was
mir committiret war. Endlich zu Ausgange des
Auguſti kam mein Bruder, und wuſte vor Freuden
nicht, was er ſagen ſolte, daß er mich allhier friſch und
geſund antraff, denn bey meiner letztern Anweſen-
heit in Europa war er nicht gegenwaͤrtig, ſondern
ebenfalls in Weſt-Jndien geweſen. Er fuͤhrete mich
aufs erſte in ſein Logis, und entdeckte mir offenher-
tzig, wie gluͤcklich er bißhero auf verſchiedenen Rei-
ſen geweſen, ſo, daß er nunmehro ein Capital von
etliche 20000. Thlr. beyſammen, vor wenig Jah-
ren aber ſeiner Frauen, das ihr entwendete Geld
cum Intereſſe, einem jeden ſeiner Geſchwiſter aber
1000. Thlr. durch Wechſel uͤbermacht haͤtte. Nun-
mehro waͤre er geſonnen, in Holland auf einem gu-
ten Orte ſich zur Ruhe zu ſetzen, und von ſeinen
Intereſſen zu leben, denn zu ſeinem alten Weibe,
welches ihn ſo ſchaͤndlich tractiret haͤtte, koͤnte er
ſich unmoͤglich wieder begeben; im uͤbrigen mey-
nete er, ich ſolte ihm nur offenhertzig ſagen, womit er
mir helffen und dienen koͤnte, indem er bereit ſey, auch
die Helffte ſeines Vermoͤgens mit mir zu theilen.
Dieſe ſeine Redlichkeit und bruͤderliche Liebe gefiel
mir ungemein von ihm, weßwegen ich ihm liebreich
umarmete, und zur Antwort gab; Mein liebſter

Bru-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0474" n="466"/>
nung bey mir. Mein er&#x017F;tes war, daß ich mich nach<lb/>
meinem Bruder erkundigte und erfuhr, daß der&#x017F;elbe<lb/>
bereits auf der <hi rendition="#aq">Retour</hi> aus We&#x017F;t-Jndien begriffen<lb/>
wa&#x0364;re, weßwegen ich ihm zu Gefallen noch &#x017F;o lange<lb/>
in Am&#x017F;terdam zu bleiben be&#x017F;chloß, biß er &#x017F;ich ein&#x017F;tel-<lb/>
lete, jedoch meine Zeit nicht mu&#x0364;ßig da&#x017F;elb&#x017F;t zubrach-<lb/>
te, &#x017F;ondern immer nach gerade An&#x017F;talten machte,<lb/>
dasjenige anzu&#x017F;chaffen und wohl aus zurichten, was<lb/>
mir <hi rendition="#aq">committir</hi>et war. Endlich zu Ausgange des<lb/><hi rendition="#aq">Augu&#x017F;ti</hi> kam mein Bruder, und wu&#x017F;te vor Freuden<lb/>
nicht, was er &#x017F;agen &#x017F;olte, daß er mich allhier fri&#x017F;ch und<lb/>
ge&#x017F;und antraff, denn bey meiner letztern Anwe&#x017F;en-<lb/>
heit in Europa war er nicht gegenwa&#x0364;rtig, &#x017F;ondern<lb/>
ebenfalls in We&#x017F;t-Jndien gewe&#x017F;en. Er fu&#x0364;hrete mich<lb/>
aufs er&#x017F;te in &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Logis,</hi> und entdeckte mir offenher-<lb/>
tzig, wie glu&#x0364;cklich er bißhero auf ver&#x017F;chiedenen Rei-<lb/>
&#x017F;en gewe&#x017F;en, &#x017F;o, daß er nunmehro ein <hi rendition="#aq">Capital</hi> von<lb/>
etliche 20000. Thlr. bey&#x017F;ammen, vor wenig Jah-<lb/>
ren aber &#x017F;einer Frauen, das ihr entwendete Geld<lb/><hi rendition="#aq">cum Intere&#x017F;&#x017F;e,</hi> einem jeden &#x017F;einer Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter aber<lb/>
1000. Thlr. durch Wech&#x017F;el u&#x0364;bermacht ha&#x0364;tte. Nun-<lb/>
mehro wa&#x0364;re er ge&#x017F;onnen, in Holland auf einem gu-<lb/>
ten Orte &#x017F;ich zur Ruhe zu &#x017F;etzen, und von &#x017F;einen<lb/><hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;</hi>en zu leben, denn zu &#x017F;einem alten Weibe,<lb/>
welches ihn &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlich <hi rendition="#aq">tractir</hi>et ha&#x0364;tte, ko&#x0364;nte er<lb/>
&#x017F;ich unmo&#x0364;glich wieder begeben; im u&#x0364;brigen mey-<lb/>
nete er, ich &#x017F;olte ihm nur offenhertzig &#x017F;agen, womit er<lb/>
mir helffen und dienen ko&#x0364;nte, indem er bereit &#x017F;ey, auch<lb/>
die Helffte &#x017F;eines Vermo&#x0364;gens mit mir zu theilen.<lb/>
Die&#x017F;e &#x017F;eine Redlichkeit und bru&#x0364;derliche Liebe gefiel<lb/>
mir ungemein von ihm, weßwegen ich ihm liebreich<lb/>
umarmete, und zur Antwort gab; Mein lieb&#x017F;ter<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bru-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[466/0474] nung bey mir. Mein erſtes war, daß ich mich nach meinem Bruder erkundigte und erfuhr, daß derſelbe bereits auf der Retour aus Weſt-Jndien begriffen waͤre, weßwegen ich ihm zu Gefallen noch ſo lange in Amſterdam zu bleiben beſchloß, biß er ſich einſtel- lete, jedoch meine Zeit nicht muͤßig daſelbſt zubrach- te, ſondern immer nach gerade Anſtalten machte, dasjenige anzuſchaffen und wohl aus zurichten, was mir committiret war. Endlich zu Ausgange des Auguſti kam mein Bruder, und wuſte vor Freuden nicht, was er ſagen ſolte, daß er mich allhier friſch und geſund antraff, denn bey meiner letztern Anweſen- heit in Europa war er nicht gegenwaͤrtig, ſondern ebenfalls in Weſt-Jndien geweſen. Er fuͤhrete mich aufs erſte in ſein Logis, und entdeckte mir offenher- tzig, wie gluͤcklich er bißhero auf verſchiedenen Rei- ſen geweſen, ſo, daß er nunmehro ein Capital von etliche 20000. Thlr. beyſammen, vor wenig Jah- ren aber ſeiner Frauen, das ihr entwendete Geld cum Intereſſe, einem jeden ſeiner Geſchwiſter aber 1000. Thlr. durch Wechſel uͤbermacht haͤtte. Nun- mehro waͤre er geſonnen, in Holland auf einem gu- ten Orte ſich zur Ruhe zu ſetzen, und von ſeinen Intereſſen zu leben, denn zu ſeinem alten Weibe, welches ihn ſo ſchaͤndlich tractiret haͤtte, koͤnte er ſich unmoͤglich wieder begeben; im uͤbrigen mey- nete er, ich ſolte ihm nur offenhertzig ſagen, womit er mir helffen und dienen koͤnte, indem er bereit ſey, auch die Helffte ſeines Vermoͤgens mit mir zu theilen. Dieſe ſeine Redlichkeit und bruͤderliche Liebe gefiel mir ungemein von ihm, weßwegen ich ihm liebreich umarmete, und zur Antwort gab; Mein liebſter Bru-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/474
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/474>, abgerufen am 02.05.2024.