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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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über gedecktes Tuch ab, mithin konte ich zwischen
den Bretern hindurch sehen, daß ein kleines, al-
lem Ansehen nach, neugebohrnes Kind in dem Kor-
be lag, von welchem die Frau sprach: "Ach! das
"kleine Würmchen schläfft sanffte, es würde mich
"ewig jammern, wenn es umkommen solte, denn
"es siehet gar zu schön aus, eben als wenn es
"Jungfer Charlottchen aus den Augen geschnitten
"wäre. Ja, [sagte die Magd lachend] es
"hat sich nunmehro noch was zu jungfern; nun
"heist es sch - - in die Jungferschafft. Ha! Pos-
"sen! [replicirte die Frau] weiß es doch kein Men-
"sche als wir unter uns, und zum grösten Glü-
"cke ist auch eben ihr Bräutigam, Monsieur Horn,
"verreiset. Ach! macht nur, (regte die Magd an)
"daß ihr fort kommet, ehe es zu späte wird, und
"wartet ja meiner hier bey der Laterne, biß ich auch
"wieder zurück komme." Hierauf gingen
beyde hinaus auf die Strasse/ machten die Thür
hinter sich zu, und liessen die Laterne im Stalle bren-
nend stehen. Wie mir bey dieser Geschichte zu
Muthe gewesen, mag ein jeder selbst bedencken,
denn es waren kaum 4. Monat, da ich meine lieb-
ste Charlotte zum ersten mahle von ferne gesehen
hatte. Erstlich wolte ich bald hinter den Weibs-
Bildern herlauffen, da ich aber bedachte, daß sie
das Kind nur weg-jedoch nicht ums Leben bringen
wolten, resolvirte mich unter der Treppe stecken
zu bleiben, um anzuhören, was diese beyden nach
ihrer Zurückkunfft weiter sprechen würden. Lan-
ge durffte ich nicht warten, denn erstlich kam die

Frau,

uͤber gedecktes Tuch ab, mithin konte ich zwiſchen
den Bretern hindurch ſehen, daß ein kleines, al-
lem Anſehen nach, neugebohrnes Kind in dem Kor-
be lag, von welchem die Frau ſprach: „Ach! das
„kleine Wuͤrmchen ſchlaͤfft ſanffte, es wuͤrde mich
„ewig jammern, wenn es umkommen ſolte, denn
„es ſiehet gar zu ſchoͤn aus, eben als wenn es
„Jungfer Charlottchen aus den Augen geſchnitten
„waͤre. Ja, [ſagte die Magd lachend] es
„hat ſich nunmehro noch was zu jungfern; nun
„heiſt es ſch ‒ ‒ in die Jungferſchafft. Ha! Poſ-
„ſen! [replicirte die Frau] weiß es doch kein Men-
„ſche als wir unter uns, und zum groͤſten Gluͤ-
„cke iſt auch eben ihr Braͤutigam, Monsieur Horn,
„verreiſet. Ach! macht nur, (regte die Magd an)
„daß ihr fort kommet, ehe es zu ſpaͤte wird, und
„wartet ja meiner hier bey der Laterne, biß ich auch
„wieder zuruͤck komme.‟ Hierauf gingen
beyde hinaus auf die Straſſe/ machten die Thuͤr
hinter ſich zu, und lieſſen die Laterne im Stalle bren-
nend ſtehen. Wie mir bey dieſer Geſchichte zu
Muthe geweſen, mag ein jeder ſelbſt bedencken,
denn es waren kaum 4. Monat, da ich meine lieb-
ſte Charlotte zum erſten mahle von ferne geſehen
hatte. Erſtlich wolte ich bald hinter den Weibs-
Bildern herlauffen, da ich aber bedachte, daß ſie
das Kind nur weg-jedoch nicht ums Leben bringen
wolten, reſolvirte mich unter der Treppe ſtecken
zu bleiben, um anzuhoͤren, was dieſe beyden nach
ihrer Zuruͤckkunfft weiter ſprechen wuͤrden. Lan-
ge durffte ich nicht warten, denn erſtlich kam die

Frau,
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[432/0440] uͤber gedecktes Tuch ab, mithin konte ich zwiſchen den Bretern hindurch ſehen, daß ein kleines, al- lem Anſehen nach, neugebohrnes Kind in dem Kor- be lag, von welchem die Frau ſprach: „Ach! das „kleine Wuͤrmchen ſchlaͤfft ſanffte, es wuͤrde mich „ewig jammern, wenn es umkommen ſolte, denn „es ſiehet gar zu ſchoͤn aus, eben als wenn es „Jungfer Charlottchen aus den Augen geſchnitten „waͤre. Ja, [ſagte die Magd lachend] es „hat ſich nunmehro noch was zu jungfern; nun „heiſt es ſch ‒ ‒ in die Jungferſchafft. Ha! Poſ- „ſen! [replicirte die Frau] weiß es doch kein Men- „ſche als wir unter uns, und zum groͤſten Gluͤ- „cke iſt auch eben ihr Braͤutigam, Monsieur Horn, „verreiſet. Ach! macht nur, (regte die Magd an) „daß ihr fort kommet, ehe es zu ſpaͤte wird, und „wartet ja meiner hier bey der Laterne, biß ich auch „wieder zuruͤck komme.‟ Hierauf gingen beyde hinaus auf die Straſſe/ machten die Thuͤr hinter ſich zu, und lieſſen die Laterne im Stalle bren- nend ſtehen. Wie mir bey dieſer Geſchichte zu Muthe geweſen, mag ein jeder ſelbſt bedencken, denn es waren kaum 4. Monat, da ich meine lieb- ſte Charlotte zum erſten mahle von ferne geſehen hatte. Erſtlich wolte ich bald hinter den Weibs- Bildern herlauffen, da ich aber bedachte, daß ſie das Kind nur weg-jedoch nicht ums Leben bringen wolten, reſolvirte mich unter der Treppe ſtecken zu bleiben, um anzuhoͤren, was dieſe beyden nach ihrer Zuruͤckkunfft weiter ſprechen wuͤrden. Lan- ge durffte ich nicht warten, denn erſtlich kam die Frau,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/440>, abgerufen am 27.11.2024.