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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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andern: sein aufrichtiges Gesichte, und zum dritten;
seine weissen krausen Haare; ist es euch und ihm ge-
fällig, so will ich ihn in meine Dienste nehmen, und
vor sein künfftiges Wohlseyn sorgen? Mein Bru-
der besann sich so kurtz als ich, und kurtz zu sagen:
ich packte mein Bündel mit Freuden eilfertig zu-
sammen, und fuhr mit diesem meinem nunmehrigen
Herren nach der Residentz unseres Landes-Herren
zu. Allda ließ mir mein Herr sogleich eine saube-
re Liberey machen, und mich alle Tage 6. Stunden
in die Schule gehen, ausser der Zeit aber, muste
ich mehrentheils um ihn seyn. auch so gar, wenn er
ausging oder ausfuhr. Er probirte meine Treue
und Verschwiegenheit auf verschiedene Art und
Weise, ohne daß ich damahls sogleich mercken kon-
te, nachdem er mich aber in den ersten 2. Jahren
ächt und redlich befunden/ wurde ich von ihm sehr
öffters mit Gelde und andern Sachen reichlich be-
schenckt, welches mir zwar bey den ältern Bedien-
ten einigen Neid zuwege brachte, allein, es durffte
sich keiner an mir vergreiffen. Mein Herr war
unverheyrathet, ich aber wurde von ihm fast alle-
Tage mit Briefen und Paqueten an eine vorneh-
me Dame, die sehr schön und eine junge Wittbe,
doch aber eben nicht allzu starck begütert war, abge-
schickt, und er selbst gab derselben gar öffters Visi-
t
en, jedoch entweder des Nachts, oder wenn es
sonst nicht leicht jemand gewahr werden konte. Ei-
nige Zeit hernach veruneinigten sie sich mit einan-
der, und die Dame wurde dergestalt zornig, daß sie
von meinem Herrn weder Briese mehr annehmen,
vielweniger ihm erlauben wolte, sie ferner zu besu-

chen
(A a 2)

andern: ſein aufrichtiges Geſichte, und zum dritten;
ſeine weiſſen krauſen Haare; iſt es euch und ihm ge-
faͤllig, ſo will ich ihn in meine Dienſte nehmen, und
vor ſein kuͤnfftiges Wohlſeyn ſorgen? Mein Bru-
der beſann ſich ſo kurtz als ich, und kurtz zu ſagen:
ich packte mein Buͤndel mit Freuden eilfertig zu-
ſammen, und fuhr mit dieſem meinem nunmehrigen
Herren nach der Reſidentz unſeres Landes-Herren
zu. Allda ließ mir mein Herr ſogleich eine ſaube-
re Liberey machen, und mich alle Tage 6. Stunden
in die Schule gehen, auſſer der Zeit aber, muſte
ich mehrentheils um ihn ſeyn. auch ſo gar, wenn er
ausging oder ausfuhr. Er probirte meine Treue
und Verſchwiegenheit auf verſchiedene Art und
Weiſe, ohne daß ich damahls ſogleich mercken kon-
te, nachdem er mich aber in den erſten 2. Jahren
aͤcht und redlich befunden/ wurde ich von ihm ſehr
oͤffters mit Gelde und andern Sachen reichlich be-
ſchenckt, welches mir zwar bey den aͤltern Bedien-
ten einigen Neid zuwege brachte, allein, es durffte
ſich keiner an mir vergreiffen. Mein Herr war
unverheyrathet, ich aber wurde von ihm faſt alle-
Tage mit Briefen und Paqueten an eine vorneh-
me Dame, die ſehr ſchoͤn und eine junge Wittbe,
doch aber eben nicht allzu ſtarck beguͤtert war, abge-
ſchickt, und er ſelbſt gab derſelben gar oͤffters Visi-
t
en, jedoch entweder des Nachts, oder wenn es
ſonſt nicht leicht jemand gewahr werden konte. Ei-
nige Zeit hernach veruneinigten ſie ſich mit einan-
der, und die Dame wurde dergeſtalt zornig, daß ſie
von meinem Herrn weder Brieſe mehr annehmen,
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[371/0379] andern: ſein aufrichtiges Geſichte, und zum dritten; ſeine weiſſen krauſen Haare; iſt es euch und ihm ge- faͤllig, ſo will ich ihn in meine Dienſte nehmen, und vor ſein kuͤnfftiges Wohlſeyn ſorgen? Mein Bru- der beſann ſich ſo kurtz als ich, und kurtz zu ſagen: ich packte mein Buͤndel mit Freuden eilfertig zu- ſammen, und fuhr mit dieſem meinem nunmehrigen Herren nach der Reſidentz unſeres Landes-Herren zu. Allda ließ mir mein Herr ſogleich eine ſaube- re Liberey machen, und mich alle Tage 6. Stunden in die Schule gehen, auſſer der Zeit aber, muſte ich mehrentheils um ihn ſeyn. auch ſo gar, wenn er ausging oder ausfuhr. Er probirte meine Treue und Verſchwiegenheit auf verſchiedene Art und Weiſe, ohne daß ich damahls ſogleich mercken kon- te, nachdem er mich aber in den erſten 2. Jahren aͤcht und redlich befunden/ wurde ich von ihm ſehr oͤffters mit Gelde und andern Sachen reichlich be- ſchenckt, welches mir zwar bey den aͤltern Bedien- ten einigen Neid zuwege brachte, allein, es durffte ſich keiner an mir vergreiffen. Mein Herr war unverheyrathet, ich aber wurde von ihm faſt alle- Tage mit Briefen und Paqueten an eine vorneh- me Dame, die ſehr ſchoͤn und eine junge Wittbe, doch aber eben nicht allzu ſtarck beguͤtert war, abge- ſchickt, und er ſelbſt gab derſelben gar oͤffters Visi- ten, jedoch entweder des Nachts, oder wenn es ſonſt nicht leicht jemand gewahr werden konte. Ei- nige Zeit hernach veruneinigten ſie ſich mit einan- der, und die Dame wurde dergeſtalt zornig, daß ſie von meinem Herrn weder Brieſe mehr annehmen, vielweniger ihm erlauben wolte, ſie ferner zu beſu- chen (A a 2)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/379>, abgerufen am 22.11.2024.