rin wäre, den ehrlichen Menschen aber zufrieden laf- fen solte, welcher schon von etlichen Jahren her sein guter Freund wäre, über dieses manchen schönen Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern, sagte die Stief-Mutter, mag es noch seyn, und es ist das beste, daß der Sauff-Teuffel noch immer seine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern Wirths-Häusern gethan hat, so wird die Paucke bald ein Loch kriegen. Frau! sagte mein Vater, sey kein Narte, laß den Kerl zufrieden, gib ihm, was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr. schuldig wäre, so wüste ich mich schon bezahlt zu machen. Solche und dergleichen Discourse par- sirten gar öffters zwischen unsern Eltern, endlich aber kam es einmahl würcklich dahin, daß sich die Stief-Mutter um einer eintzigen Kanue Wein hal- ber mit dem Förster zanckte, und ihm etliche grobe Schmäh-Reden an den Halß warff, welche die- ser, ohngeacht er betruncken war, dennoch ver- schmertzte, sich mit dem Kopffe auf den Tisch legte, und weiter nichts sagte, als dieses: um eines guten Mannes willen, muß man einer bösen Frau viel zu gute halten. Mein Vater nahm diese Worte vor redlich auf, ließ sich demnach den Zorn dahin ver- leiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus ging, folgte, und ihr eine derbe Maulschelle gab. Sie schien die serwegen vor Jammer gantz ausser sich selbst zu seyn, konte diesen ersten Liebes-Schlag durchaus nicht vergessen, kam auch den gantzen Abend nicht wieder zum Vorscheine, sondern leg- te sich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte
sie
rin waͤre, den ehrlichen Menſchen aber zufrieden laf- fen ſolte, welcher ſchon von etlichen Jahren her ſein guter Freund waͤre, uͤber dieſes manchen ſchoͤnen Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern, ſagte die Stief-Mutter, mag es noch ſeyn, und es iſt das beſte, daß der Sauff-Teuffel noch immer ſeine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern Wirths-Haͤuſern gethan hat, ſo wird die Paucke bald ein Loch kriegen. Frau! ſagte mein Vater, ſey kein Narte, laß den Kerl zufrieden, gib ihm, was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr. ſchuldig waͤre, ſo wuͤſte ich mich ſchon bezahlt zu machen. Solche und dergleichen Diſcourſe par- sirten gar oͤffters zwiſchen unſern Eltern, endlich aber kam es einmahl wuͤrcklich dahin, daß ſich die Stief-Mutter um einer eintzigen Kanue Wein hal- ber mit dem Foͤrſter zanckte, und ihm etliche grobe Schmaͤh-Reden an den Halß warff, welche die- ſer, ohngeacht er betruncken war, dennoch ver- ſchmertzte, ſich mit dem Kopffe auf den Tiſch legte, und weiter nichts ſagte, als dieſes: um eines guten Mannes willen, muß man einer boͤſen Frau viel zu gute halten. Mein Vater nahm dieſe Worte vor redlich auf, ließ ſich demnach den Zorn dahin ver- leiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus ging, folgte, und ihr eine derbe Maulſchelle gab. Sie ſchien die ſerwegen vor Jammer gantz auſſer ſich ſelbſt zu ſeyn, konte dieſen erſten Liebes-Schlag durchaus nicht vergeſſen, kam auch den gantzen Abend nicht wieder zum Vorſcheine, ſondern leg- te ſich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte
ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0372"n="364"/>
rin waͤre, den ehrlichen Menſchen aber zufrieden laf-<lb/>
fen ſolte, welcher ſchon von etlichen Jahren her ſein<lb/>
guter Freund waͤre, uͤber dieſes manchen ſchoͤnen<lb/>
Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern,<lb/>ſagte die Stief-Mutter, mag es noch ſeyn, und es<lb/>
iſt das beſte, daß der Sauff-Teuffel noch immer<lb/>ſeine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn<lb/>
er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern<lb/>
Wirths-Haͤuſern gethan hat, ſo wird die Paucke<lb/>
bald ein Loch kriegen. Frau! ſagte mein Vater,<lb/>ſey kein Narte, laß den Kerl zufrieden, gib ihm,<lb/>
was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr.<lb/>ſchuldig waͤre, ſo wuͤſte ich mich ſchon bezahlt zu<lb/>
machen. Solche und dergleichen <hirendition="#aq">Diſcourſe par-<lb/>
sirt</hi>en gar oͤffters zwiſchen unſern Eltern, endlich<lb/>
aber kam es einmahl wuͤrcklich dahin, daß ſich die<lb/>
Stief-Mutter um einer eintzigen Kanue Wein hal-<lb/>
ber mit dem Foͤrſter zanckte, und ihm etliche grobe<lb/>
Schmaͤh-Reden an den Halß warff, welche die-<lb/>ſer, ohngeacht er betruncken war, dennoch ver-<lb/>ſchmertzte, ſich mit dem Kopffe auf den Tiſch legte,<lb/>
und weiter nichts ſagte, als dieſes: um eines guten<lb/>
Mannes willen, muß man einer boͤſen Frau viel zu<lb/>
gute halten. Mein Vater nahm dieſe Worte vor<lb/>
redlich auf, ließ ſich demnach den Zorn dahin ver-<lb/>
leiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus<lb/>
ging, folgte, und ihr eine derbe Maulſchelle gab.<lb/>
Sie ſchien die ſerwegen vor Jammer gantz auſſer<lb/>ſich ſelbſt zu ſeyn, konte dieſen erſten Liebes-Schlag<lb/>
durchaus nicht vergeſſen, kam auch den gantzen<lb/>
Abend nicht wieder zum Vorſcheine, ſondern leg-<lb/>
te ſich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[364/0372]
rin waͤre, den ehrlichen Menſchen aber zufrieden laf-
fen ſolte, welcher ſchon von etlichen Jahren her ſein
guter Freund waͤre, uͤber dieſes manchen ſchoͤnen
Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern,
ſagte die Stief-Mutter, mag es noch ſeyn, und es
iſt das beſte, daß der Sauff-Teuffel noch immer
ſeine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn
er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern
Wirths-Haͤuſern gethan hat, ſo wird die Paucke
bald ein Loch kriegen. Frau! ſagte mein Vater,
ſey kein Narte, laß den Kerl zufrieden, gib ihm,
was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr.
ſchuldig waͤre, ſo wuͤſte ich mich ſchon bezahlt zu
machen. Solche und dergleichen Diſcourſe par-
sirten gar oͤffters zwiſchen unſern Eltern, endlich
aber kam es einmahl wuͤrcklich dahin, daß ſich die
Stief-Mutter um einer eintzigen Kanue Wein hal-
ber mit dem Foͤrſter zanckte, und ihm etliche grobe
Schmaͤh-Reden an den Halß warff, welche die-
ſer, ohngeacht er betruncken war, dennoch ver-
ſchmertzte, ſich mit dem Kopffe auf den Tiſch legte,
und weiter nichts ſagte, als dieſes: um eines guten
Mannes willen, muß man einer boͤſen Frau viel zu
gute halten. Mein Vater nahm dieſe Worte vor
redlich auf, ließ ſich demnach den Zorn dahin ver-
leiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus
ging, folgte, und ihr eine derbe Maulſchelle gab.
Sie ſchien die ſerwegen vor Jammer gantz auſſer
ſich ſelbſt zu ſeyn, konte dieſen erſten Liebes-Schlag
durchaus nicht vergeſſen, kam auch den gantzen
Abend nicht wieder zum Vorſcheine, ſondern leg-
te ſich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte
ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/372>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.