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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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noch sehr hoch am Tage, so seyd so gütig, mit mir
dahin zu spaziren, zumahlen da es nicht gar weit
ist.

Auf offt wiederholtes Bitten ließ ich mich endlich
bereden mit ihm in sein Logis zu gehen, allwo ich
fand, daß er nicht gelogen, sondern einen gantz vor-
trefflichen Wein hatte. Er erzeigte mir alle nur er-
denckliche Höflichkeiten, gab mir Nachricht von sei-
nem gantzen Zustande und Wesen, zeigte eine gewal-
tige Menge Säcke, die mit Gelde angefüllet waren,
(dergleichen ich in meinem Wohlstande auch wohl
so viel, und wohl noch mehr beysammen gehabt hatte.)
Summarum, er offenbahrete mir sein gantzes Hertze,
weßwegen ich bey dem guten Weine endlich auch
treuhertzig wurde und ihm ebenfalls mein gantzes
Hertze offenbahrete. So bald er solchergestalt al-
les von mir erfahren, sagte er: Mein Herr! ich ha-
be mehr, als ein vernünftiger Mensch in der Welt
verthun kan, bin also im Stande euch so viel vor-
zu schiessen, als ihr vonnöthen habt eure Schulden
völlig zu bezahlen und die Handlung von neuen an-
zufangen, bin auch bereit, euch so gleich 50000 Thlr.
auf eure Handschrift zu zahlen, daferne ihr versprecht,
mir eure schöne Tochter, deren Portrait ich heute ge-
sehen, zum Ehe-Gemahl zu geben. Jch bitte euch,
mein Herr! gab ich zur Antwort, fanget keine Sache
an, die euch etwa hernach gereuen möchte, sehet doch
erstlich die Person selbst an, ob sie so beschaffen, wie
sie der Mahler abgeschildert. Es ist zwar wahr,
sagte Peterson, daß die Mahler zuweilen flattiren,
allein ich fühle in meinem Hertzen, nachdem ich das
Bild erblickt, gantz besondere Regungen und bin zu-

frie-

noch ſehr hoch am Tage, ſo ſeyd ſo guͤtig, mit mir
dahin zu ſpaziren, zumahlen da es nicht gar weit
iſt.

Auf offt wiederholtes Bitten ließ ich mich endlich
bereden mit ihm in ſein Logis zu gehen, allwo ich
fand, daß er nicht gelogen, ſondern einen gantz vor-
trefflichen Wein hatte. Er erzeigte mir alle nur er-
denckliche Hoͤflichkeiten, gab mir Nachricht von ſei-
nem gantzen Zuſtande und Weſen, zeigte eine gewal-
tige Menge Saͤcke, die mit Gelde angefuͤllet waren,
(dergleichen ich in meinem Wohlſtande auch wohl
ſo viel, und wohl noch mehr beyſam̃en gehabt hatte.)
Summarum, er offenbahrete mir ſein gantzes Hertze,
weßwegen ich bey dem guten Weine endlich auch
treuhertzig wurde und ihm ebenfalls mein gantzes
Hertze offenbahrete. So bald er ſolchergeſtalt al-
les von mir erfahren, ſagte er: Mein Herr! ich ha-
be mehr, als ein vernuͤnftiger Menſch in der Welt
verthun kan, bin alſo im Stande euch ſo viel vor-
zu ſchieſſen, als ihr vonnoͤthen habt eure Schulden
voͤllig zu bezahlen und die Handlung von neuen an-
zufangen, bin auch bereit, euch ſo gleich 50000 Thlr.
auf eure Handſchrift zu zahlen, daferne ihr verſprecht,
mir eure ſchoͤne Tochter, deren Portrait ich heute ge-
ſehen, zum Ehe-Gemahl zu geben. Jch bitte euch,
mein Herr! gab ich zur Antwort, fanget keine Sache
an, die euch etwa hernach gereuen moͤchte, ſehet doch
erſtlich die Perſon ſelbſt an, ob ſie ſo beſchaffen, wie
ſie der Mahler abgeſchildert. Es iſt zwar wahr,
ſagte Peterſon, daß die Mahler zuweilen flattiren,
allein ich fuͤhle in meinem Hertzen, nachdem ich das
Bild erblickt, gantz beſondere Regungen und bin zu-

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[22/0030] noch ſehr hoch am Tage, ſo ſeyd ſo guͤtig, mit mir dahin zu ſpaziren, zumahlen da es nicht gar weit iſt. Auf offt wiederholtes Bitten ließ ich mich endlich bereden mit ihm in ſein Logis zu gehen, allwo ich fand, daß er nicht gelogen, ſondern einen gantz vor- trefflichen Wein hatte. Er erzeigte mir alle nur er- denckliche Hoͤflichkeiten, gab mir Nachricht von ſei- nem gantzen Zuſtande und Weſen, zeigte eine gewal- tige Menge Saͤcke, die mit Gelde angefuͤllet waren, (dergleichen ich in meinem Wohlſtande auch wohl ſo viel, und wohl noch mehr beyſam̃en gehabt hatte.) Summarum, er offenbahrete mir ſein gantzes Hertze, weßwegen ich bey dem guten Weine endlich auch treuhertzig wurde und ihm ebenfalls mein gantzes Hertze offenbahrete. So bald er ſolchergeſtalt al- les von mir erfahren, ſagte er: Mein Herr! ich ha- be mehr, als ein vernuͤnftiger Menſch in der Welt verthun kan, bin alſo im Stande euch ſo viel vor- zu ſchieſſen, als ihr vonnoͤthen habt eure Schulden voͤllig zu bezahlen und die Handlung von neuen an- zufangen, bin auch bereit, euch ſo gleich 50000 Thlr. auf eure Handſchrift zu zahlen, daferne ihr verſprecht, mir eure ſchoͤne Tochter, deren Portrait ich heute ge- ſehen, zum Ehe-Gemahl zu geben. Jch bitte euch, mein Herr! gab ich zur Antwort, fanget keine Sache an, die euch etwa hernach gereuen moͤchte, ſehet doch erſtlich die Perſon ſelbſt an, ob ſie ſo beſchaffen, wie ſie der Mahler abgeſchildert. Es iſt zwar wahr, ſagte Peterſon, daß die Mahler zuweilen flattiren, allein ich fuͤhle in meinem Hertzen, nachdem ich das Bild erblickt, gantz beſondere Regungen und bin zu- frie-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/30>, abgerufen am 23.04.2024.