Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

gar zu schön, zierlich und kostbar, allein
warum habt ihr euch so gar grosse Mühe
gemacht, ich bin ja Erde und werde zur
Erden werden.
Alle Umstehenden antwort-
teten bloß mit Seuffzern und Thränen, weil ihm
aber dieses verdrüßlich fallen mochte, legte er sich
im Bette wieder nieder, und that die Augen zu,
weßwegen der meiste Hauffe zurück ging, und
nebst der Frau Mag. Schmeltzerin nur wenige
Manns-Personen bey ihm blieben.

Unter der Zeit, da unten Kirche gehalten wur-
de, schlug er die Augen auf und sahe sich nach allen
um, die im Zimmer waren, sprach darauf recht
frisch: Ey, Kinder! thut mir doch mein
Todten-Kleid an, damit ich mich in dem
grossen Spiegel, welchen mir mein Eber-
hardt mitgebracht hat, beschauen und sehen
kan, ob es mir wohl stehet.
Wir waren
von Herrn Mag. Schmeltzern gestimmet, ihm in
allen zu willfahren, derowegen halffen wir ihm aus
dem Bette/ und wunderten uns über seine erneuer-
ten Kräffte. Herr Mag. Schmeltzers Liebste legte
ihm das Kleid an, er trat vor dem Spiegel, lach-
te, und sprach frölich: Mein grünes Bränti-
gams-Kleid, welches mir meine seelige
Liebste,
Concordia, vor nunmehro bey na-
he 83. Jahren gemacht hatte, gereichte mir
zum grösten Vergnügen auf der Welt, al-
lein, dieses schöne Kleid, in welchem mein
schwacher Leib. nachdem die Seele in den

Him-
III, Theil. (Q)

gar zu ſchoͤn, zierlich und koſtbar, allein
warum habt ihr euch ſo gar groſſe Muͤhe
gemacht, ich bin ja Erde und werde zur
Erden werden.
Alle Umſtehenden antwort-
teten bloß mit Seuffzern und Thraͤnen, weil ihm
aber dieſes verdruͤßlich fallen mochte, legte er ſich
im Bette wieder nieder, und that die Augen zu,
weßwegen der meiſte Hauffe zuruͤck ging, und
nebſt der Frau Mag. Schmeltzerin nur wenige
Manns-Perſonen bey ihm blieben.

Unter der Zeit, da unten Kirche gehalten wur-
de, ſchlug er die Augen auf und ſahe ſich nach allen
um, die im Zimmer waren, ſprach darauf recht
friſch: Ey, Kinder! thut mir doch mein
Todten-Kleid an, damit ich mich in dem
groſſen Spiegel, welchen mir mein Eber-
hardt mitgebracht hat, beſchauen und ſehen
kan, ob es mir wohl ſtehet.
Wir waren
von Herrn Mag. Schmeltzern geſtimmet, ihm in
allen zu willfahren, derowegen halffen wir ihm aus
dem Bette/ und wunderten uns uͤber ſeine erneuer-
ten Kraͤffte. Herr Mag. Schmeltzers Liebſte legte
ihm das Kleid an, er trat vor dem Spiegel, lach-
te, und ſprach froͤlich: Mein gruͤnes Braͤnti-
gams-Kleid, welches mir meine ſeelige
Liebſte,
Concordia, vor nunmehro bey na-
he 83. Jahren gemacht hatte, gereichte mir
zum groͤſten Vergnuͤgen auf der Welt, al-
lein, dieſes ſchoͤne Kleid, in welchem mein
ſchwacher Leib. nachdem die Seele in den

Him-
III, Theil. (Q)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="241"/><hi rendition="#fr">gar zu &#x017F;cho&#x0364;n, zierlich und ko&#x017F;tbar, allein<lb/>
warum habt ihr euch &#x017F;o gar gro&#x017F;&#x017F;e Mu&#x0364;he<lb/>
gemacht, ich bin ja Erde und werde zur<lb/>
Erden werden.</hi> Alle Um&#x017F;tehenden antwort-<lb/>
teten bloß mit Seuffzern und Thra&#x0364;nen, weil ihm<lb/>
aber die&#x017F;es verdru&#x0364;ßlich fallen mochte, legte er &#x017F;ich<lb/>
im Bette wieder nieder, und that die Augen zu,<lb/>
weßwegen der mei&#x017F;te Hauffe zuru&#x0364;ck ging, und<lb/>
neb&#x017F;t der Frau <hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzerin nur wenige<lb/>
Manns-Per&#x017F;onen bey ihm blieben.</p><lb/>
          <p>Unter der Zeit, da unten Kirche gehalten wur-<lb/>
de, &#x017F;chlug er die Augen auf und &#x017F;ahe &#x017F;ich nach allen<lb/>
um, die im Zimmer waren, &#x017F;prach darauf recht<lb/>
fri&#x017F;ch: <hi rendition="#fr">Ey, Kinder! thut mir doch mein<lb/>
Todten-Kleid an, damit ich mich in dem<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Spiegel, welchen mir mein Eber-<lb/>
hardt mitgebracht hat, be&#x017F;chauen und &#x017F;ehen<lb/>
kan, ob es mir wohl &#x017F;tehet.</hi> Wir waren<lb/>
von Herrn <hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzern ge&#x017F;timmet, ihm in<lb/>
allen zu willfahren, derowegen halffen wir ihm aus<lb/>
dem Bette/ und wunderten uns u&#x0364;ber &#x017F;eine erneuer-<lb/>
ten Kra&#x0364;ffte. Herr <hi rendition="#aq">Mag.</hi> Schmeltzers Lieb&#x017F;te legte<lb/>
ihm das Kleid an, er trat vor dem Spiegel, lach-<lb/>
te, und &#x017F;prach fro&#x0364;lich: <hi rendition="#fr">Mein gru&#x0364;nes Bra&#x0364;nti-<lb/>
gams-Kleid, welches mir meine &#x017F;eelige<lb/>
Lieb&#x017F;te,</hi> <hi rendition="#aq">Concordia,</hi> <hi rendition="#fr">vor nunmehro bey na-<lb/>
he 83. Jahren gemacht hatte, gereichte mir<lb/>
zum gro&#x0364;&#x017F;ten Vergnu&#x0364;gen auf der Welt, al-<lb/>
lein, die&#x017F;es &#x017F;cho&#x0364;ne Kleid, in welchem mein<lb/>
&#x017F;chwacher Leib. nachdem die Seele in den</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III,</hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> (Q)</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Him-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0249] gar zu ſchoͤn, zierlich und koſtbar, allein warum habt ihr euch ſo gar groſſe Muͤhe gemacht, ich bin ja Erde und werde zur Erden werden. Alle Umſtehenden antwort- teten bloß mit Seuffzern und Thraͤnen, weil ihm aber dieſes verdruͤßlich fallen mochte, legte er ſich im Bette wieder nieder, und that die Augen zu, weßwegen der meiſte Hauffe zuruͤck ging, und nebſt der Frau Mag. Schmeltzerin nur wenige Manns-Perſonen bey ihm blieben. Unter der Zeit, da unten Kirche gehalten wur- de, ſchlug er die Augen auf und ſahe ſich nach allen um, die im Zimmer waren, ſprach darauf recht friſch: Ey, Kinder! thut mir doch mein Todten-Kleid an, damit ich mich in dem groſſen Spiegel, welchen mir mein Eber- hardt mitgebracht hat, beſchauen und ſehen kan, ob es mir wohl ſtehet. Wir waren von Herrn Mag. Schmeltzern geſtimmet, ihm in allen zu willfahren, derowegen halffen wir ihm aus dem Bette/ und wunderten uns uͤber ſeine erneuer- ten Kraͤffte. Herr Mag. Schmeltzers Liebſte legte ihm das Kleid an, er trat vor dem Spiegel, lach- te, und ſprach froͤlich: Mein gruͤnes Braͤnti- gams-Kleid, welches mir meine ſeelige Liebſte, Concordia, vor nunmehro bey na- he 83. Jahren gemacht hatte, gereichte mir zum groͤſten Vergnuͤgen auf der Welt, al- lein, dieſes ſchoͤne Kleid, in welchem mein ſchwacher Leib. nachdem die Seele in den Him- III, Theil. (Q)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/249
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/249>, abgerufen am 23.11.2024.