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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Gegend, und maaß fast alle Fuß-Tritte ab; wie ich
aber in der bestimmten Nacht kaum eine Stunde
vor der verborgenen Pforten-Thür gelauret hatte,
kam meine wertheste Lebens-Erretterin heraus ge-
treten, schloß die Thür sachte hinter sich zu, umarmte
mich aus keuscher Liebe, und sagte: GOtt lob! so
weit bin ich nun frey; bath mich aber, die Stricke-
Leiter, welche sie von starcken seidenen Schnüren
seit etlichen Wochen her selbst zusammen gewürckt,
und woran sie sich herunter gelassen hatte, zu tra-
gen. Wir konten theils vor Freude, theils vor
Angst und Zittern wenig mit einander sprechen,
biß wir endlich an den Ort kamen, wohin ich den
Juden bestellet hatte, der uns endlich durch einen
beschwerlichen, jedoch glücklichen Weg in sein Hauß
nnd in ein solches Zimmer brachte, wo zwischen
2. Wänden kaum eine Person geraumlich sitzen, man
aber gar kein Tages-Licht sehen konte, sondern
wenn man sehen wolte, muste auch bey hellem Ta-
ge ein Licht darinnen angezündet werden. Es wa-
ren auch zu oberst nur einige schieff-lauffende Löcher
darinnen, damit der Dampff und Dunst heraus
gehen konte; der Länge nach war endlich vor 3. Per-
sonen zum Liegen Platz genug darinnen, doch mei-
ne Landsmännin sagte: Wenn ich allhier lange ver-
bleiben soll, bin ich ohnfehlbar des Todes.

Allein, der Jude hatt seine Streiche klug genug
gemacht, und da binnen 3. Tagen weder Hauß-
Suchung geschahe, noch sonst ein Rumor vorging/
ließ er uns zuweilen etliche Stunden in einem Neben-
Zimmer respiriren, bestellete hierauf den Englischen
Kauffmann eines Abends zu uns, welcher meiner

so
(J 2)

Gegend, und maaß faſt alle Fuß-Tritte ab; wie ich
aber in der beſtimmten Nacht kaum eine Stunde
vor der verborgenen Pforten-Thuͤr gelauret hatte,
kam meine wertheſte Lebens-Erretterin heraus ge-
treten, ſchloß die Thuͤr ſachte hinter ſich zu, umarmte
mich aus keuſcher Liebe, und ſagte: GOtt lob! ſo
weit bin ich nun frey; bath mich aber, die Stricke-
Leiter, welche ſie von ſtarcken ſeidenen Schnuͤren
ſeit etlichen Wochen her ſelbſt zuſammen gewuͤrckt,
und woran ſie ſich herunter gelaſſen hatte, zu tra-
gen. Wir konten theils vor Freude, theils vor
Angſt und Zittern wenig mit einander ſprechen,
biß wir endlich an den Ort kamen, wohin ich den
Juden beſtellet hatte, der uns endlich durch einen
beſchwerlichen, jedoch gluͤcklichen Weg in ſein Hauß
nnd in ein ſolches Zimmer brachte, wo zwiſchen
2. Waͤnden kaum eine Perſon geraumlich ſitzen, man
aber gar kein Tages-Licht ſehen konte, ſondern
wenn man ſehen wolte, muſte auch bey hellem Ta-
ge ein Licht darinnen angezuͤndet werden. Es wa-
ren auch zu oberſt nur einige ſchieff-lauffende Loͤcher
darinnen, damit der Dampff und Dunſt heraus
gehen konte; der Laͤnge nach war endlich vor 3. Per-
ſonen zum Liegen Platz genug darinnen, doch mei-
ne Landsmaͤnnin ſagte: Wenn ich allhier lange ver-
bleiben ſoll, bin ich ohnfehlbar des Todes.

Allein, der Jude hatt ſeine Streiche klug genug
gemacht, und da binnen 3. Tagen weder Hauß-
Suchung geſchahe, noch ſonſt ein Rumor vorging/
ließ er uns zuweilen etliche Stunden in einem Neben-
Zimmer reſpiriren, beſtellete hierauf den Engliſchen
Kauffmann eines Abends zu uns, welcher meiner

ſo
(J 2)
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[131/0139] Gegend, und maaß faſt alle Fuß-Tritte ab; wie ich aber in der beſtimmten Nacht kaum eine Stunde vor der verborgenen Pforten-Thuͤr gelauret hatte, kam meine wertheſte Lebens-Erretterin heraus ge- treten, ſchloß die Thuͤr ſachte hinter ſich zu, umarmte mich aus keuſcher Liebe, und ſagte: GOtt lob! ſo weit bin ich nun frey; bath mich aber, die Stricke- Leiter, welche ſie von ſtarcken ſeidenen Schnuͤren ſeit etlichen Wochen her ſelbſt zuſammen gewuͤrckt, und woran ſie ſich herunter gelaſſen hatte, zu tra- gen. Wir konten theils vor Freude, theils vor Angſt und Zittern wenig mit einander ſprechen, biß wir endlich an den Ort kamen, wohin ich den Juden beſtellet hatte, der uns endlich durch einen beſchwerlichen, jedoch gluͤcklichen Weg in ſein Hauß nnd in ein ſolches Zimmer brachte, wo zwiſchen 2. Waͤnden kaum eine Perſon geraumlich ſitzen, man aber gar kein Tages-Licht ſehen konte, ſondern wenn man ſehen wolte, muſte auch bey hellem Ta- ge ein Licht darinnen angezuͤndet werden. Es wa- ren auch zu oberſt nur einige ſchieff-lauffende Loͤcher darinnen, damit der Dampff und Dunſt heraus gehen konte; der Laͤnge nach war endlich vor 3. Per- ſonen zum Liegen Platz genug darinnen, doch mei- ne Landsmaͤnnin ſagte: Wenn ich allhier lange ver- bleiben ſoll, bin ich ohnfehlbar des Todes. Allein, der Jude hatt ſeine Streiche klug genug gemacht, und da binnen 3. Tagen weder Hauß- Suchung geſchahe, noch ſonſt ein Rumor vorging/ ließ er uns zuweilen etliche Stunden in einem Neben- Zimmer reſpiriren, beſtellete hierauf den Engliſchen Kauffmann eines Abends zu uns, welcher meiner ſo (J 2)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/139>, abgerufen am 22.11.2024.