ziemlich gut Holländisch verstehen, aber annoch sehr schlecht reden konte: Ob sie lieber den 43. jährigen Schweden, oder den 31. jahrigen Hollsteiner zum Eh- Manne verlangte, allein sie bezeugte zu dem einen so wenig Lust als zum andern, sondern bat, ich möchte ihr darzu behülfflich seyn, daß sie eine Jungfrau bis in ihr zwantzigstes Jahr bleiben dürffte Auf die Frage aber, warum eben bis in ihr zwantzigstes Jahr? wol- te sie durchaus keine richtige Antwort geben. Der Capitain Wodley, Adam Gorques mein Lieute- nant, und alle andere verwunderten sich ungemein über dieses Mägdleins scheinbare Tugend, ich aber wolte selbiger eher keinen Glauben beymessen, bis sie eine stärckere Probe ausgestanden hätte, legte es al- so mit Wodley, Gorques und etlichen andern ab, daß sie sich in meiner Cammer heimlich verbergen mußten, um alles mit anzusehen und anzuhören, was ich vorzunehmen willens war.
Demnach so ließ ich gegen Abend die Talli, denn so war ihr Nahme, in meine Cammer rufen, und in- dem ich auf meinem Bette saß, sie aber, neben mich zu sitzen, halb gezwungen hatte, fing ich dem Schei- ne nach, aufs allerverliebteste mit derselben zu spre- chen an, praesentirte ihr sehr vielerley Sorten von den besten Confituren und Früchten, nebst Wein und andern starcken Geträncke, allein sie genoß alles dergestalt mäßig, daß sich darüber zu verwundern war, und meine verliebte Reden wurden mit lauter kaltsinnigen, aber doch sehr höflichen Gegen-Ge- sprächen erwiedert. Nach und nach stellete ich mich etwas dreiste, zeigte ihr vortreffliche kostbare Zeu-
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ziemlich gut Hollaͤndiſch verſtehen, aber annoch ſehr ſchlecht reden konte: Ob ſie lieber den 43. jaͤhrigen Schweden, oder den 31. jahrigen Hollſteiner zum Eh- Manne verlangte, allein ſie bezeugte zu dem einen ſo wenig Luſt als zum andern, ſondern bat, ich moͤchte ihr darzu behuͤlfflich ſeyn, daß ſie eine Jungfrau bis in ihr zwantzigſtes Jahr bleiben duͤrffte Auf die Frage aber, warum eben bis in ihr zwantzigſtes Jahr? wol- te ſie durchaus keine richtige Antwort geben. Der Capitain Wodley, Adam Gorques mein Lieute- nant, und alle andere verwunderten ſich ungemein uͤber dieſes Maͤgdleins ſcheinbare Tugend, ich aber wolte ſelbiger eher keinen Glauben beymeſſen, bis ſie eine ſtaͤrckere Probe ausgeſtanden haͤtte, legte es al- ſo mit Wodley, Gorques und etlichen andern ab, daß ſie ſich in meiner Cammer heimlich verbergen mußten, um alles mit anzuſehen und anzuhoͤren, was ich vorzunehmen willens war.
Demnach ſo ließ ich gegen Abend die Talli, denn ſo war ihr Nahme, in meine Cammer rufen, und in- dem ich auf meinem Bette ſaß, ſie aber, neben mich zu ſitzen, halb gezwungen hatte, fing ich dem Schei- ne nach, aufs allerverliebteſte mit derſelben zu ſpre- chen an, præſentirte ihr ſehr vielerley Sorten von den beſten Confituren und Fruͤchten, nebſt Wein und andern ſtarcken Getraͤncke, allein ſie genoß alles dergeſtalt maͤßig, daß ſich daruͤber zu verwundern war, und meine verliebte Reden wurden mit lauter kaltſinnigen, aber doch ſehr hoͤflichen Gegen-Ge- ſpraͤchen erwiedert. Nach und nach ſtellete ich mich etwas dreiſte, zeigte ihr vortreffliche koſtbare Zeu-
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ziemlich gut Hollaͤndiſch verſtehen, aber annoch ſehr
ſchlecht reden konte: Ob ſie lieber den 43. jaͤhrigen
Schweden, oder den 31. jahrigen Hollſteiner zum Eh-
Manne verlangte, allein ſie bezeugte zu dem einen
ſo wenig Luſt als zum andern, ſondern bat, ich moͤchte
ihr darzu behuͤlfflich ſeyn, daß ſie eine Jungfrau bis in
ihr zwantzigſtes Jahr bleiben duͤrffte Auf die Frage
aber, warum eben bis in ihr zwantzigſtes Jahr? wol-
te ſie durchaus keine richtige Antwort geben. Der
Capitain Wodley, Adam Gorques mein Lieute-
nant, und alle andere verwunderten ſich ungemein
uͤber dieſes Maͤgdleins ſcheinbare Tugend, ich aber
wolte ſelbiger eher keinen Glauben beymeſſen, bis ſie
eine ſtaͤrckere Probe ausgeſtanden haͤtte, legte es al-
ſo mit Wodley, Gorques und etlichen andern ab,
daß ſie ſich in meiner Cammer heimlich verbergen
mußten, um alles mit anzuſehen und anzuhoͤren, was
ich vorzunehmen willens war.
Demnach ſo ließ ich gegen Abend die Talli, denn
ſo war ihr Nahme, in meine Cammer rufen, und in-
dem ich auf meinem Bette ſaß, ſie aber, neben mich
zu ſitzen, halb gezwungen hatte, fing ich dem Schei-
ne nach, aufs allerverliebteſte mit derſelben zu ſpre-
chen an, præſentirte ihr ſehr vielerley Sorten von
den beſten Confituren und Fruͤchten, nebſt Wein
und andern ſtarcken Getraͤncke, allein ſie genoß alles
dergeſtalt maͤßig, daß ſich daruͤber zu verwundern
war, und meine verliebte Reden wurden mit lauter
kaltſinnigen, aber doch ſehr hoͤflichen Gegen-Ge-
ſpraͤchen erwiedert. Nach und nach ſtellete ich mich
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/551>, abgerufen am 22.11.2024.
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