Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

vor, daß es die größte Thorheit wäre, wenn ich
mich hiesiges Orts lange aufhielte, machte mich de-
rowegen auf die baarfussen Beine, und lieff über ei-
nen sehr langen Stein-Damm, dermassen hurtig
nach der Stadt zu, als ob das angezündete Feuer
selbst hinter mir drein schlüge. Da ich aber auf der
Höhe vor der Stadt endlich keine Verfolger hinter
mir sahe, vergieng die Angst ziemlicher massen, ja
ich gieng gantz getrost eine lange Strasse in der
Stadt hinauf, und bemerckte, indem die Leute gleich
aus der Kirche gegangen kamen, daß viele darunter
waren, welche sich sehr mitleidig über meine elende
Bekleidung u. gantz blosen Füsse bezeigten, denn bey
damahliger, annoch anhaltenden starcken Kälte lag
noch ziemlich viel Schnee und Eiß auf der Strassen.
Endlich war ein Apothecker, den ich Herr Stolle
nennen hörete, so barmhertzig mich vor seinen Laden
zu rufen, und mir ein paar alte Strümpfe und
Schuhe zu zu werffen. Auf sein Befragen, wegen
meiner Eltern und anderer Beschaffenheiten, erzeh-
lete ihm alles aufrichtig, bis auf die eintzige letzte
Feuer-Begebenheit, weßwegen er nicht allein aus
fernern Mitleiden, mir ein noch sehr gutes Cami-
sol gab, sondern auch verursachte, daß die daherum
wohnenden Nachbarn, ihre milde Hand auch auf-
thaten, und mich mit ein paar alten Hemden, einer
rauchen alten Mütze, Handschuhen, auch noch meh-
rern Strümpfen beschenckten.

Ein Gastwirth am Marckte erlaubte, mich in sei-
ner Stube zu erwärmen, und ließ mir Speisen und
Geträncke reichen, worbey ich abermahls genöthi-
get wurde, meine Begebenheiten zu erzehlen, da aber

solches

vor, daß es die groͤßte Thorheit waͤre, wenn ich
mich hieſiges Orts lange aufhielte, machte mich de-
rowegen auf die baarfuſſen Beine, und lieff uͤber ei-
nen ſehr langen Stein-Damm, dermaſſen hurtig
nach der Stadt zu, als ob das angezuͤndete Feuer
ſelbſt hinter mir drein ſchluͤge. Da ich aber auf der
Hoͤhe vor der Stadt endlich keine Verfolger hinter
mir ſahe, vergieng die Angſt ziemlicher maſſen, ja
ich gieng gantz getroſt eine lange Straſſe in der
Stadt hinauf, und bemerckte, indem die Leute gleich
aus der Kirche gegangen kamen, daß viele darunter
waren, welche ſich ſehr mitleidig uͤber meine elende
Bekleidung u. gantz bloſen Fuͤſſe bezeigten, denn bey
damahliger, annoch anhaltenden ſtarcken Kaͤlte lag
noch ziemlich viel Schnee und Eiß auf der Straſſen.
Endlich war ein Apothecker, den ich Herr Stolle
nennen hoͤrete, ſo barmhertzig mich vor ſeinen Laden
zu rufen, und mir ein paar alte Struͤmpfe und
Schuhe zu zu werffen. Auf ſein Befragen, wegen
meiner Eltern und anderer Beſchaffenheiten, erzeh-
lete ihm alles aufrichtig, bis auf die eintzige letzte
Feuer-Begebenheit, weßwegen er nicht allein aus
fernern Mitleiden, mir ein noch ſehr gutes Cami-
ſol gab, ſondern auch verurſachte, daß die daherum
wohnenden Nachbarn, ihre milde Hand auch auf-
thaten, und mich mit ein paar alten Hemden, einer
rauchen alten Muͤtze, Handſchuhen, auch noch meh-
rern Struͤmpfen beſchenckten.

Ein Gaſtwirth am Marckte erlaubte, mich in ſei-
ner Stube zu erwaͤrmen, und ließ mir Speiſen und
Getraͤncke reichen, worbey ich abermahls genoͤthi-
get wurde, meine Begebenheiten zu erzehlen, da aber

ſolches
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0488" n="472"/>
vor, daß es die gro&#x0364;ßte Thorheit wa&#x0364;re, wenn ich<lb/>
mich hie&#x017F;iges Orts lange aufhielte, machte mich de-<lb/>
rowegen auf die baarfu&#x017F;&#x017F;en Beine, und lieff u&#x0364;ber ei-<lb/>
nen &#x017F;ehr langen Stein-Damm, derma&#x017F;&#x017F;en hurtig<lb/>
nach der Stadt zu, als ob das angezu&#x0364;ndete Feuer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t hinter mir drein &#x017F;chlu&#x0364;ge. Da ich aber auf der<lb/>
Ho&#x0364;he vor der Stadt endlich keine Verfolger hinter<lb/>
mir &#x017F;ahe, vergieng die Ang&#x017F;t ziemlicher ma&#x017F;&#x017F;en, ja<lb/>
ich gieng gantz getro&#x017F;t eine lange Stra&#x017F;&#x017F;e in der<lb/>
Stadt hinauf, und bemerckte, indem die Leute gleich<lb/>
aus der Kirche gegangen kamen, daß viele darunter<lb/>
waren, welche &#x017F;ich &#x017F;ehr mitleidig u&#x0364;ber meine elende<lb/>
Bekleidung u. gantz blo&#x017F;en Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e bezeigten, denn bey<lb/>
damahliger, annoch anhaltenden &#x017F;tarcken Ka&#x0364;lte lag<lb/>
noch ziemlich viel Schnee und Eiß auf der Stra&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Endlich war ein Apothecker, den ich Herr Stolle<lb/>
nennen ho&#x0364;rete, &#x017F;o barmhertzig mich vor &#x017F;einen Laden<lb/>
zu rufen, und mir ein paar alte Stru&#x0364;mpfe und<lb/>
Schuhe zu zu werffen. Auf &#x017F;ein Befragen, wegen<lb/>
meiner Eltern und anderer Be&#x017F;chaffenheiten, erzeh-<lb/>
lete ihm alles aufrichtig, bis auf die eintzige letzte<lb/>
Feuer-Begebenheit, weßwegen er nicht allein aus<lb/>
fernern Mitleiden, mir ein noch &#x017F;ehr gutes Cami-<lb/>
&#x017F;ol gab, &#x017F;ondern auch verur&#x017F;achte, daß die daherum<lb/>
wohnenden Nachbarn, ihre milde Hand auch auf-<lb/>
thaten, und mich mit ein paar alten Hemden, einer<lb/>
rauchen alten Mu&#x0364;tze, Hand&#x017F;chuhen, auch noch meh-<lb/>
rern Stru&#x0364;mpfen be&#x017F;chenckten.</p><lb/>
            <p>Ein Ga&#x017F;twirth am Marckte erlaubte, mich in &#x017F;ei-<lb/>
ner Stube zu erwa&#x0364;rmen, und ließ mir Spei&#x017F;en und<lb/>
Getra&#x0364;ncke reichen, worbey ich abermahls geno&#x0364;thi-<lb/>
get wurde, meine Begebenheiten zu erzehlen, da aber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;olches</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[472/0488] vor, daß es die groͤßte Thorheit waͤre, wenn ich mich hieſiges Orts lange aufhielte, machte mich de- rowegen auf die baarfuſſen Beine, und lieff uͤber ei- nen ſehr langen Stein-Damm, dermaſſen hurtig nach der Stadt zu, als ob das angezuͤndete Feuer ſelbſt hinter mir drein ſchluͤge. Da ich aber auf der Hoͤhe vor der Stadt endlich keine Verfolger hinter mir ſahe, vergieng die Angſt ziemlicher maſſen, ja ich gieng gantz getroſt eine lange Straſſe in der Stadt hinauf, und bemerckte, indem die Leute gleich aus der Kirche gegangen kamen, daß viele darunter waren, welche ſich ſehr mitleidig uͤber meine elende Bekleidung u. gantz bloſen Fuͤſſe bezeigten, denn bey damahliger, annoch anhaltenden ſtarcken Kaͤlte lag noch ziemlich viel Schnee und Eiß auf der Straſſen. Endlich war ein Apothecker, den ich Herr Stolle nennen hoͤrete, ſo barmhertzig mich vor ſeinen Laden zu rufen, und mir ein paar alte Struͤmpfe und Schuhe zu zu werffen. Auf ſein Befragen, wegen meiner Eltern und anderer Beſchaffenheiten, erzeh- lete ihm alles aufrichtig, bis auf die eintzige letzte Feuer-Begebenheit, weßwegen er nicht allein aus fernern Mitleiden, mir ein noch ſehr gutes Cami- ſol gab, ſondern auch verurſachte, daß die daherum wohnenden Nachbarn, ihre milde Hand auch auf- thaten, und mich mit ein paar alten Hemden, einer rauchen alten Muͤtze, Handſchuhen, auch noch meh- rern Struͤmpfen beſchenckten. Ein Gaſtwirth am Marckte erlaubte, mich in ſei- ner Stube zu erwaͤrmen, und ließ mir Speiſen und Getraͤncke reichen, worbey ich abermahls genoͤthi- get wurde, meine Begebenheiten zu erzehlen, da aber ſolches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/488
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/488>, abgerufen am 22.11.2024.