noch ein Stücke Geld auf die Reise bekommen solte.
Das war Wasser auf meine Mühle, derowegen nahm kein Bedencken, meiner Mutter Zuredungen gehorsame Folge zu leisten, begab mich auch also fort zu einem andern Meister, stund meine Zeit |vollends aus, empfing hernach von dem neuen Schwager, welcher meine Schwester würcklich geheyrathet hat- te, noch 50. Thaler, ohngeacht ich nach der Zeit seine Schwelle nicht wieder betreten, vielweniger meine ge- wesene Liebste des Ansehens gewürdiget hatte, und reisete zu Ende des 1721ten Jahres in die Fremde, ließ auch keinen Heller von meinem Gelde zu Hause, ausgenommen das wenige Erbtheil, welches meiner Mutter verblieb, weil ich den gäntzlichen Vorsatz hat- te, nimmermehr wieder in mein Vaterland zurück zu kehren, doch habe drey Jahre hernach von einem Lands Manne in Hamburg erfahren, daß mein Mitbuhler und Vorfischer, etwa anderthalb Jahr hernach, seine Geschwächte nebst dem Kinde abgeho- let, und sich mit ihr trauen lassen, weil er den Organi- sten-Dienst in einer kleinen Stadt nebst der Stadt- schreiberey überkommen. Also mußte diese Jungfer scil. dennoch auf einen Gelehrten fallen.
Jch habe nachhero in meiner 3. bis viertehalb- jährigen Reise-Zeit manchen lustigen Streich ge- spielet, indem ich mich zuweilen vor einen verdor- benen Studenten, zuweilen vor einen Schneider- oder Leinweber-Purschen ausgegeben, so lächerlich aber dieselben Streiche gewesen, so weiß ich doch, daß mein Gewissen von groben Sünden und Bos- heiten befreyet geblieben. Es mögen dieselben bis
auf
noch ein Stuͤcke Geld auf die Reiſe bekommen ſolte.
Das war Waſſer auf meine Muͤhle, derowegen nahm kein Bedencken, meiner Mutter Zuredungen gehorſame Folge zu leiſten, begab mich auch alſo fort zu einem andern Meiſter, ſtund meine Zeit |vollends aus, empfing hernach von dem neuen Schwager, welcher meine Schweſter wuͤrcklich geheyrathet hat- te, noch 50. Thaler, ohngeacht ich nach der Zeit ſeine Schwelle nicht wieder betreten, vielweniger meine ge- weſene Liebſte des Anſehens gewuͤrdiget hatte, und reiſete zu Ende des 1721ten Jahres in die Fremde, ließ auch keinen Heller von meinem Gelde zu Hauſe, ausgenommen das wenige Erbtheil, welches meiner Mutter verblieb, weil ich den gaͤntzlichen Vorſatz hat- te, nimmermehr wieder in mein Vaterland zuruͤck zu kehren, doch habe drey Jahre hernach von einem Lands Manne in Hamburg erfahren, daß mein Mitbuhler und Vorfiſcher, etwa anderthalb Jahr hernach, ſeine Geſchwaͤchte nebſt dem Kinde abgeho- let, und ſich mit ihr trauen laſſen, weil er den Organi- ſten-Dienſt in einer kleinen Stadt nebſt der Stadt- ſchreiberey uͤberkommen. Alſo mußte dieſe Jungfer ſcil. dennoch auf einen Gelehrten fallen.
Jch habe nachhero in meiner 3. bis viertehalb- jaͤhrigen Reiſe-Zeit manchen luſtigen Streich ge- ſpielet, indem ich mich zuweilen vor einen verdor- benen Studenten, zuweilen vor einen Schneider- oder Leinweber-Purſchen ausgegeben, ſo laͤcherlich aber dieſelben Streiche geweſen, ſo weiß ich doch, daß mein Gewiſſen von groben Suͤnden und Bos- heiten befreyet geblieben. Es moͤgen dieſelben bis
auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0459"n="445"/>
noch ein Stuͤcke Geld auf die Reiſe bekommen<lb/>ſolte.</p><lb/><p>Das war Waſſer auf meine Muͤhle, derowegen<lb/>
nahm kein Bedencken, meiner Mutter Zuredungen<lb/>
gehorſame Folge zu leiſten, begab mich auch alſo fort<lb/>
zu einem andern Meiſter, ſtund meine Zeit |vollends<lb/>
aus, empfing hernach von dem neuen Schwager,<lb/>
welcher meine Schweſter wuͤrcklich geheyrathet hat-<lb/>
te, noch 50. Thaler, ohngeacht ich nach der Zeit ſeine<lb/>
Schwelle nicht wieder betreten, vielweniger meine ge-<lb/>
weſene Liebſte des Anſehens gewuͤrdiget hatte, und<lb/>
reiſete zu Ende des 1721ten Jahres in die Fremde,<lb/>
ließ auch keinen Heller von meinem Gelde zu Hauſe,<lb/>
ausgenommen das wenige Erbtheil, welches meiner<lb/>
Mutter verblieb, weil ich den gaͤntzlichen Vorſatz hat-<lb/>
te, nimmermehr wieder in mein Vaterland zuruͤck zu<lb/>
kehren, doch habe drey Jahre hernach von einem<lb/>
Lands Manne in Hamburg erfahren, daß mein<lb/>
Mitbuhler und Vorfiſcher, etwa anderthalb Jahr<lb/>
hernach, ſeine Geſchwaͤchte nebſt dem Kinde abgeho-<lb/>
let, und ſich mit ihr trauen laſſen, weil er den Organi-<lb/>ſten-Dienſt in einer kleinen Stadt nebſt der Stadt-<lb/>ſchreiberey uͤberkommen. Alſo mußte dieſe Jungfer<lb/><hirendition="#aq">ſcil.</hi> dennoch auf einen Gelehrten fallen.</p><lb/><p>Jch habe nachhero in meiner 3. bis viertehalb-<lb/>
jaͤhrigen Reiſe-Zeit manchen luſtigen Streich ge-<lb/>ſpielet, indem ich mich zuweilen vor einen verdor-<lb/>
benen Studenten, zuweilen vor einen Schneider-<lb/>
oder Leinweber-Purſchen ausgegeben, ſo laͤcherlich<lb/>
aber dieſelben Streiche geweſen, ſo weiß ich doch,<lb/>
daß mein Gewiſſen von groben Suͤnden und Bos-<lb/>
heiten befreyet geblieben. Es moͤgen dieſelben bis<lb/><fwplace="bottom"type="catch">auf</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[445/0459]
noch ein Stuͤcke Geld auf die Reiſe bekommen
ſolte.
Das war Waſſer auf meine Muͤhle, derowegen
nahm kein Bedencken, meiner Mutter Zuredungen
gehorſame Folge zu leiſten, begab mich auch alſo fort
zu einem andern Meiſter, ſtund meine Zeit |vollends
aus, empfing hernach von dem neuen Schwager,
welcher meine Schweſter wuͤrcklich geheyrathet hat-
te, noch 50. Thaler, ohngeacht ich nach der Zeit ſeine
Schwelle nicht wieder betreten, vielweniger meine ge-
weſene Liebſte des Anſehens gewuͤrdiget hatte, und
reiſete zu Ende des 1721ten Jahres in die Fremde,
ließ auch keinen Heller von meinem Gelde zu Hauſe,
ausgenommen das wenige Erbtheil, welches meiner
Mutter verblieb, weil ich den gaͤntzlichen Vorſatz hat-
te, nimmermehr wieder in mein Vaterland zuruͤck zu
kehren, doch habe drey Jahre hernach von einem
Lands Manne in Hamburg erfahren, daß mein
Mitbuhler und Vorfiſcher, etwa anderthalb Jahr
hernach, ſeine Geſchwaͤchte nebſt dem Kinde abgeho-
let, und ſich mit ihr trauen laſſen, weil er den Organi-
ſten-Dienſt in einer kleinen Stadt nebſt der Stadt-
ſchreiberey uͤberkommen. Alſo mußte dieſe Jungfer
ſcil. dennoch auf einen Gelehrten fallen.
Jch habe nachhero in meiner 3. bis viertehalb-
jaͤhrigen Reiſe-Zeit manchen luſtigen Streich ge-
ſpielet, indem ich mich zuweilen vor einen verdor-
benen Studenten, zuweilen vor einen Schneider-
oder Leinweber-Purſchen ausgegeben, ſo laͤcherlich
aber dieſelben Streiche geweſen, ſo weiß ich doch,
daß mein Gewiſſen von groben Suͤnden und Bos-
heiten befreyet geblieben. Es moͤgen dieſelben bis
auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/459>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.