Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, am meisten aber vor den leichtfertigen Schü-
lern furchte. Dieses nutzte indessen so viel, daß ich,
ehe ein Jahr verging, das gantze Handwerck bes-
ser begriffen, als mancher, der schon etliche Jahr
darauf gereiset war, denn mein Meister und
Schwieger-Vater, ließ wahrhafftig die schönsten
und besten Sachen arbeiten, und hatte beständig
8. bis 9. gangbare Stühle, auch gemeiniglich 4. bis
5. recht wohl erfahrne Gesellen, die mir vor öfftere
freye Bier-Zechen, die künstlichen Sachen ma-
chen lerneten. Meine Liebste inzwischen war sehr
übel zufrieden, daß diese Jahre länger als 14. Tage
lang daureten, und mochte wohl desto unvergnügter
seyn, daß ich mich gar zu genau an meines Schwie-
ger-Vaters Lehren band, und ihr, ausser einem
keuschen Kusse, weiter keine nachdrücklichern Lieb-
kosungen erwiese, jedoch, ich glaube, mein Schutz-
Engel hat mich deßfalls von vielen Verdrießlichkei-
ten zurück gehalten, denn, da mein anderes Lehr-
Jahr schon etwas über die Helffte verlauffen war,
kam erstlich meine jüngste Schwester, und 5. Tage
hernach, meine Liebste, jede mit einem jungen
wohlgestalten Söhnlein darnieder. Die erste
bekannte auf meinen Herrn Schwieger-Vater,
und die letztere auf meine Personalität. Jch, der
ich mich in meinem Gewissen von dieser Schuld
vollkommen rein befand, wurde dergestalt er-
grimmt, daß meinen alten Degen ergriff, und so
wohl den Schand-Mutz in ihrem Wochen-Bette,
als auch den Schwieger-Vater selbst erstechen wol-
te. Jedoch meine Mutter schlug sich ins Mittel,
und eröffnete mir das Verständniß, durch den Be-

richt,

gen, am meiſten aber vor den leichtfertigen Schuͤ-
lern furchte. Dieſes nutzte indeſſen ſo viel, daß ich,
ehe ein Jahr verging, das gantze Handwerck beſ-
ſer begriffen, als mancher, der ſchon etliche Jahr
darauf gereiſet war, denn mein Meiſter und
Schwieger-Vater, ließ wahrhafftig die ſchoͤnſten
und beſten Sachen arbeiten, und hatte beſtaͤndig
8. bis 9. gangbare Stuͤhle, auch gemeiniglich 4. bis
5. recht wohl erfahrne Geſellen, die mir vor oͤfftere
freye Bier-Zechen, die kuͤnſtlichen Sachen ma-
chen lerneten. Meine Liebſte inzwiſchen war ſehr
uͤbel zufrieden, daß dieſe Jahre laͤnger als 14. Tage
lang daureten, und mochte wohl deſto unvergnuͤgter
ſeyn, daß ich mich gar zu genau an meines Schwie-
ger-Vaters Lehren band, und ihr, auſſer einem
keuſchen Kuſſe, weiter keine nachdruͤcklichern Lieb-
koſungen erwieſe, jedoch, ich glaube, mein Schutz-
Engel hat mich deßfalls von vielen Verdrießlichkei-
ten zuruͤck gehalten, denn, da mein anderes Lehr-
Jahr ſchon etwas uͤber die Helffte verlauffen war,
kam erſtlich meine juͤngſte Schweſter, und 5. Tage
hernach, meine Liebſte, jede mit einem jungen
wohlgeſtalten Soͤhnlein darnieder. Die erſte
bekannte auf meinen Herrn Schwieger-Vater,
und die letztere auf meine Perſonalitaͤt. Jch, der
ich mich in meinem Gewiſſen von dieſer Schuld
vollkommen rein befand, wurde dergeſtalt er-
grimmt, daß meinen alten Degen ergriff, und ſo
wohl den Schand-Mutz in ihrem Wochen-Bette,
als auch den Schwieger-Vater ſelbſt erſtechen wol-
te. Jedoch meine Mutter ſchlug ſich ins Mittel,
und eroͤffnete mir das Verſtaͤndniß, durch den Be-

richt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0457" n="443"/>
gen, am mei&#x017F;ten aber vor den leichtfertigen Schu&#x0364;-<lb/>
lern furchte. Die&#x017F;es nutzte inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o viel, daß ich,<lb/>
ehe ein Jahr verging, das gantze Handwerck be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er begriffen, als mancher, der &#x017F;chon etliche Jahr<lb/>
darauf gerei&#x017F;et war, denn mein Mei&#x017F;ter und<lb/>
Schwieger-Vater, ließ wahrhafftig die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
und be&#x017F;ten Sachen arbeiten, und hatte be&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
8. bis 9. gangbare Stu&#x0364;hle, auch gemeiniglich 4. bis<lb/>
5. recht wohl erfahrne Ge&#x017F;ellen, die mir vor o&#x0364;fftere<lb/>
freye Bier-Zechen, die ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Sachen ma-<lb/>
chen lerneten. Meine Lieb&#x017F;te inzwi&#x017F;chen war &#x017F;ehr<lb/>
u&#x0364;bel zufrieden, daß die&#x017F;e Jahre la&#x0364;nger als 14. Tage<lb/>
lang daureten, und mochte wohl de&#x017F;to unvergnu&#x0364;gter<lb/>
&#x017F;eyn, daß ich mich gar zu genau an meines Schwie-<lb/>
ger-Vaters Lehren band, und ihr, au&#x017F;&#x017F;er einem<lb/>
keu&#x017F;chen Ku&#x017F;&#x017F;e, weiter keine nachdru&#x0364;cklichern Lieb-<lb/>
ko&#x017F;ungen erwie&#x017F;e, jedoch, ich glaube, mein Schutz-<lb/>
Engel hat mich deßfalls von vielen Verdrießlichkei-<lb/>
ten zuru&#x0364;ck gehalten, denn, da mein anderes Lehr-<lb/>
Jahr &#x017F;chon etwas u&#x0364;ber die Helffte verlauffen war,<lb/>
kam er&#x017F;tlich meine ju&#x0364;ng&#x017F;te Schwe&#x017F;ter, und 5. Tage<lb/>
hernach, meine Lieb&#x017F;te, jede mit einem jungen<lb/>
wohlge&#x017F;talten So&#x0364;hnlein darnieder. Die er&#x017F;te<lb/>
bekannte auf meinen Herrn Schwieger-Vater,<lb/>
und die letztere auf meine <hi rendition="#aq">Per&#x017F;onalit</hi>a&#x0364;t. Jch, der<lb/>
ich mich in meinem Gewi&#x017F;&#x017F;en von die&#x017F;er Schuld<lb/>
vollkommen rein befand, wurde derge&#x017F;talt er-<lb/>
grimmt, daß meinen alten Degen ergriff, und &#x017F;o<lb/>
wohl den Schand-Mutz in ihrem Wochen-Bette,<lb/>
als auch den Schwieger-Vater &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;techen wol-<lb/>
te. Jedoch meine Mutter &#x017F;chlug &#x017F;ich ins Mittel,<lb/>
und ero&#x0364;ffnete mir das Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß, durch den Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">richt,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[443/0457] gen, am meiſten aber vor den leichtfertigen Schuͤ- lern furchte. Dieſes nutzte indeſſen ſo viel, daß ich, ehe ein Jahr verging, das gantze Handwerck beſ- ſer begriffen, als mancher, der ſchon etliche Jahr darauf gereiſet war, denn mein Meiſter und Schwieger-Vater, ließ wahrhafftig die ſchoͤnſten und beſten Sachen arbeiten, und hatte beſtaͤndig 8. bis 9. gangbare Stuͤhle, auch gemeiniglich 4. bis 5. recht wohl erfahrne Geſellen, die mir vor oͤfftere freye Bier-Zechen, die kuͤnſtlichen Sachen ma- chen lerneten. Meine Liebſte inzwiſchen war ſehr uͤbel zufrieden, daß dieſe Jahre laͤnger als 14. Tage lang daureten, und mochte wohl deſto unvergnuͤgter ſeyn, daß ich mich gar zu genau an meines Schwie- ger-Vaters Lehren band, und ihr, auſſer einem keuſchen Kuſſe, weiter keine nachdruͤcklichern Lieb- koſungen erwieſe, jedoch, ich glaube, mein Schutz- Engel hat mich deßfalls von vielen Verdrießlichkei- ten zuruͤck gehalten, denn, da mein anderes Lehr- Jahr ſchon etwas uͤber die Helffte verlauffen war, kam erſtlich meine juͤngſte Schweſter, und 5. Tage hernach, meine Liebſte, jede mit einem jungen wohlgeſtalten Soͤhnlein darnieder. Die erſte bekannte auf meinen Herrn Schwieger-Vater, und die letztere auf meine Perſonalitaͤt. Jch, der ich mich in meinem Gewiſſen von dieſer Schuld vollkommen rein befand, wurde dergeſtalt er- grimmt, daß meinen alten Degen ergriff, und ſo wohl den Schand-Mutz in ihrem Wochen-Bette, als auch den Schwieger-Vater ſelbſt erſtechen wol- te. Jedoch meine Mutter ſchlug ſich ins Mittel, und eroͤffnete mir das Verſtaͤndniß, durch den Be- richt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/457
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/457>, abgerufen am 17.05.2024.