Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite
Sprich, Teuffel, was du wilst, ich falle
GOtt zu Fusse.
Das Böse nicht mehr thun ist doch die beste
Busse:
Hinführo tugendhafft, dem Nechsten
nützlich seyn,
Tilgt alle Schulden aus und macht mich
Engel-rein.

Der Alt-Vater nahm hierauf unsern Philipp
Krätzer bey der Hand und sagte: Mein lieber
Sohn! Unser Heyland thut uns in der heil. Schrifft
klärlich zu wissen, was vor Freude im Himmel sey
über einen Sünder der Busse thut, derowegen mü-
ste derjenige ein Gottesvergessener ruchloser Mensch
seyn, welcher euch als einen solchen Menschen, an
dem GOtt seine heilsame Gnade gantz sonderbar
offenbahret hat, geringer als andere Menschen ach-
ten wolte. Wenn wir ingesammt unser Gewissen
fragen und nach dem Gesetze prüfen, so wird sich
wohl kein eintziger finden, der sich eines besondern
Vorzugs vor andern sündhafften Menschen rüh-
men kan. Ach ich befürchte leyder, daß Manasse,
Paulus und andere dergleichen Heilige, an jenem
Tage zwar genung Sünden-aber nicht so viel
Buß-Genossen antreffen werden.

Unter solcherley Gesprächen rückten endlich die
düstern Abend-Stunden herbey, weßwegen alle
Auswärtigen von den werthen Stephans-Raumer
Freunden, vor alles genossene Vergnügen, danck-
barlichen Abschied nahmen, und sich auf den Weg
zu ihren eigenen Wohnungen begaben. Derge-

stalt
Sprich, Teuffel, was du wilſt, ich falle
GOtt zu Fuſſe.
Das Boͤſe nicht mehr thun iſt doch die beſte
Buſſe:
Hinfuͤhro tugendhafft, dem Nechſten
nuͤtzlich ſeyn,
Tilgt alle Schulden aus und macht mich
Engel-rein.

Der Alt-Vater nahm hierauf unſern Philipp
Kraͤtzer bey der Hand und ſagte: Mein lieber
Sohn! Unſer Heyland thut uns in der heil. Schrifft
klaͤrlich zu wiſſen, was vor Freude im Himmel ſey
uͤber einen Suͤnder der Buſſe thut, derowegen muͤ-
ſte derjenige ein Gottesvergeſſener ruchloſer Menſch
ſeyn, welcher euch als einen ſolchen Menſchen, an
dem GOtt ſeine heilſame Gnade gantz ſonderbar
offenbahret hat, geringer als andere Menſchen ach-
ten wolte. Wenn wir ingeſammt unſer Gewiſſen
fragen und nach dem Geſetze pruͤfen, ſo wird ſich
wohl kein eintziger finden, der ſich eines beſondern
Vorzugs vor andern ſuͤndhafften Menſchen ruͤh-
men kan. Ach ich befuͤrchte leyder, daß Manaſſe,
Paulus und andere dergleichen Heilige, an jenem
Tage zwar genung Suͤnden-aber nicht ſo viel
Buß-Genoſſen antreffen werden.

Unter ſolcherley Geſpraͤchen ruͤckten endlich die
duͤſtern Abend-Stunden herbey, weßwegen alle
Auswaͤrtigen von den werthen Stephans-Raumer
Freunden, vor alles genoſſene Vergnuͤgen, danck-
barlichen Abſchied nahmen, und ſich auf den Weg
zu ihren eigenen Wohnungen begaben. Derge-

ſtalt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0414" n="400"/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#fr">Sprich, Teuffel, was du wil&#x017F;t, ich falle</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">GOtt zu Fu&#x017F;&#x017F;e.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Das Bo&#x0364;&#x017F;e nicht mehr thun i&#x017F;t doch die be&#x017F;te</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Bu&#x017F;&#x017F;e:</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Hinfu&#x0364;hro tugendhafft, dem Nech&#x017F;ten</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">nu&#x0364;tzlich &#x017F;eyn,</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Tilgt alle Schulden aus und macht mich</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">Engel-rein.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Der Alt-Vater nahm hierauf un&#x017F;ern Philipp<lb/>
Kra&#x0364;tzer bey der Hand und &#x017F;agte: Mein lieber<lb/>
Sohn! Un&#x017F;er Heyland thut uns in der heil. Schrifft<lb/>
kla&#x0364;rlich zu wi&#x017F;&#x017F;en, was vor Freude im Himmel &#x017F;ey<lb/>
u&#x0364;ber einen Su&#x0364;nder der Bu&#x017F;&#x017F;e thut, derowegen mu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te derjenige ein Gottesverge&#x017F;&#x017F;ener ruchlo&#x017F;er Men&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;eyn, welcher euch als einen &#x017F;olchen Men&#x017F;chen, an<lb/>
dem GOtt &#x017F;eine heil&#x017F;ame Gnade gantz &#x017F;onderbar<lb/>
offenbahret hat, geringer als andere Men&#x017F;chen ach-<lb/>
ten wolte. Wenn wir inge&#x017F;ammt un&#x017F;er Gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
fragen und nach dem Ge&#x017F;etze pru&#x0364;fen, &#x017F;o wird &#x017F;ich<lb/>
wohl kein eintziger finden, der &#x017F;ich eines be&#x017F;ondern<lb/>
Vorzugs vor andern &#x017F;u&#x0364;ndhafften Men&#x017F;chen ru&#x0364;h-<lb/>
men kan. Ach ich befu&#x0364;rchte leyder, daß Mana&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
Paulus und andere dergleichen Heilige, an jenem<lb/>
Tage zwar genung Su&#x0364;nden-aber nicht &#x017F;o viel<lb/>
Buß-Geno&#x017F;&#x017F;en antreffen werden.</p><lb/>
          <p>Unter &#x017F;olcherley Ge&#x017F;pra&#x0364;chen ru&#x0364;ckten endlich die<lb/>
du&#x0364;&#x017F;tern Abend-Stunden herbey, weßwegen alle<lb/>
Auswa&#x0364;rtigen von den werthen Stephans-Raumer<lb/>
Freunden, vor alles geno&#x017F;&#x017F;ene Vergnu&#x0364;gen, danck-<lb/>
barlichen Ab&#x017F;chied nahmen, und &#x017F;ich auf den Weg<lb/>
zu ihren eigenen Wohnungen begaben. Derge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;talt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0414] Sprich, Teuffel, was du wilſt, ich falle GOtt zu Fuſſe. Das Boͤſe nicht mehr thun iſt doch die beſte Buſſe: Hinfuͤhro tugendhafft, dem Nechſten nuͤtzlich ſeyn, Tilgt alle Schulden aus und macht mich Engel-rein. Der Alt-Vater nahm hierauf unſern Philipp Kraͤtzer bey der Hand und ſagte: Mein lieber Sohn! Unſer Heyland thut uns in der heil. Schrifft klaͤrlich zu wiſſen, was vor Freude im Himmel ſey uͤber einen Suͤnder der Buſſe thut, derowegen muͤ- ſte derjenige ein Gottesvergeſſener ruchloſer Menſch ſeyn, welcher euch als einen ſolchen Menſchen, an dem GOtt ſeine heilſame Gnade gantz ſonderbar offenbahret hat, geringer als andere Menſchen ach- ten wolte. Wenn wir ingeſammt unſer Gewiſſen fragen und nach dem Geſetze pruͤfen, ſo wird ſich wohl kein eintziger finden, der ſich eines beſondern Vorzugs vor andern ſuͤndhafften Menſchen ruͤh- men kan. Ach ich befuͤrchte leyder, daß Manaſſe, Paulus und andere dergleichen Heilige, an jenem Tage zwar genung Suͤnden-aber nicht ſo viel Buß-Genoſſen antreffen werden. Unter ſolcherley Geſpraͤchen ruͤckten endlich die duͤſtern Abend-Stunden herbey, weßwegen alle Auswaͤrtigen von den werthen Stephans-Raumer Freunden, vor alles genoſſene Vergnuͤgen, danck- barlichen Abſchied nahmen, und ſich auf den Weg zu ihren eigenen Wohnungen begaben. Derge- ſtalt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/414
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/414>, abgerufen am 24.11.2024.