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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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te, von der ewigen Höllen-Quaal und Straffe der
Gottlosen, predigen, singen und sagen hören, in-
gleichen präsentirten sich vor meinen Augen alle die-
jenigen Personen, die ich im Zorn ums Leben ge-
bracht, verwundet, bevortheilet, oder sonsten beschädi-
get hatte, welches alles in meinem Gemüthe einen
dermassen hefftigen Auflauf verursachte, daß mir der
Angst-Schweiß ausbrach, und ich mich vor Schre-
cken, Furcht und Elende nicht zu lassen wuste, ja
weil ich erwog, wie schändlich ich das, bey ehemahli-
ger Kranckheit gethane Gelübde gebrochen, so zweif-
felte fast, daß GOtt mein ferneres Gebete anhören,
vielmehr mich, als einen unnützen Knecht, der sich
niemahls ein rechtes Gewissen gemacht, GOtt, seine
Diener und Nechsten zu betrügen, dem Teuffel in
die Klauen und in den ewig-brennenden Höllen-
Pfuhl übergeben und verstossen würde.

Meine Verpfleger vermeyneten vielleicht, es rühre
dieser Zufall von dem, aufs neue ausbrechenden Fie-
ber her, liessen derowegen den Artzt ruffen, welcher,
da ich mich gantz und gar nicht begreiffen konte, mir
mit Gewalt einige starcke Artzeneyen eingoß, jedoch
da sich meine Sinnen nur ein klein wenig erholet,
verlangte ich nach einem Priester, so bald derselbe
kam, muste man mich mit ihme alleine lassen, und
nachdem ich ihm ein offenhertziges Bekäntnis mei-
ner Gewissens-Marter abgelegt, wie nehmlich die-
selbe mich weit heftiger quälete, als die leiblichen
Schmertzen, wandte dieser erleuchtete Mann das
äuserste an, mir die Verzweiffelung aus dem Sin-
ne, hergegen neue Busse, neuen Glauben und neue,
jedoch ernstliche Lebens-Besserung, einzupredigen.

Es

te, von der ewigen Hoͤllen-Quaal und Straffe der
Gottloſen, predigen, ſingen und ſagen hoͤren, in-
gleichen praͤſentirten ſich vor meinen Augen alle die-
jenigen Perſonen, die ich im Zorn ums Leben ge-
bracht, verwundet, bevortheilet, oder ſonſten beſchaͤdi-
get hatte, welches alles in meinem Gemuͤthe einen
dermaſſen hefftigen Auflauf verurſachte, daß mir der
Angſt-Schweiß ausbrach, und ich mich vor Schre-
cken, Furcht und Elende nicht zu laſſen wuſte, ja
weil ich erwog, wie ſchaͤndlich ich das, bey ehemahli-
ger Kranckheit gethane Geluͤbde gebrochen, ſo zweif-
felte faſt, daß GOtt mein ferneres Gebete anhoͤren,
vielmehr mich, als einen unnuͤtzen Knecht, der ſich
niemahls ein rechtes Gewiſſen gemacht, GOtt, ſeine
Diener und Nechſten zu betruͤgen, dem Teuffel in
die Klauen und in den ewig-brennenden Hoͤllen-
Pfuhl uͤbergeben und verſtoſſen wuͤrde.

Meine Verpfleger vermeyneten vielleicht, es ruͤhre
dieſer Zufall von dem, aufs neue ausbrechenden Fie-
ber her, lieſſen derowegen den Artzt ruffen, welcher,
da ich mich gantz und gar nicht begreiffen konte, mir
mit Gewalt einige ſtarcke Artzeneyen eingoß, jedoch
da ſich meine Sinnen nur ein klein wenig erholet,
verlangte ich nach einem Prieſter, ſo bald derſelbe
kam, muſte man mich mit ihme alleine laſſen, und
nachdem ich ihm ein offenhertziges Bekaͤntnis mei-
ner Gewiſſens-Marter abgelegt, wie nehmlich die-
ſelbe mich weit heftiger quaͤlete, als die leiblichen
Schmertzen, wandte dieſer erleuchtete Mann das
aͤuſerſte an, mir die Verzweiffelung aus dem Sin-
ne, hergegen neue Buſſe, neuen Glauben und neue,
jedoch ernſtliche Lebens-Beſſerung, einzupredigen.

Es
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[395/0409] te, von der ewigen Hoͤllen-Quaal und Straffe der Gottloſen, predigen, ſingen und ſagen hoͤren, in- gleichen praͤſentirten ſich vor meinen Augen alle die- jenigen Perſonen, die ich im Zorn ums Leben ge- bracht, verwundet, bevortheilet, oder ſonſten beſchaͤdi- get hatte, welches alles in meinem Gemuͤthe einen dermaſſen hefftigen Auflauf verurſachte, daß mir der Angſt-Schweiß ausbrach, und ich mich vor Schre- cken, Furcht und Elende nicht zu laſſen wuſte, ja weil ich erwog, wie ſchaͤndlich ich das, bey ehemahli- ger Kranckheit gethane Geluͤbde gebrochen, ſo zweif- felte faſt, daß GOtt mein ferneres Gebete anhoͤren, vielmehr mich, als einen unnuͤtzen Knecht, der ſich niemahls ein rechtes Gewiſſen gemacht, GOtt, ſeine Diener und Nechſten zu betruͤgen, dem Teuffel in die Klauen und in den ewig-brennenden Hoͤllen- Pfuhl uͤbergeben und verſtoſſen wuͤrde. Meine Verpfleger vermeyneten vielleicht, es ruͤhre dieſer Zufall von dem, aufs neue ausbrechenden Fie- ber her, lieſſen derowegen den Artzt ruffen, welcher, da ich mich gantz und gar nicht begreiffen konte, mir mit Gewalt einige ſtarcke Artzeneyen eingoß, jedoch da ſich meine Sinnen nur ein klein wenig erholet, verlangte ich nach einem Prieſter, ſo bald derſelbe kam, muſte man mich mit ihme alleine laſſen, und nachdem ich ihm ein offenhertziges Bekaͤntnis mei- ner Gewiſſens-Marter abgelegt, wie nehmlich die- ſelbe mich weit heftiger quaͤlete, als die leiblichen Schmertzen, wandte dieſer erleuchtete Mann das aͤuſerſte an, mir die Verzweiffelung aus dem Sin- ne, hergegen neue Buſſe, neuen Glauben und neue, jedoch ernſtliche Lebens-Beſſerung, einzupredigen. Es

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/409>, abgerufen am 17.05.2024.