und über mit Erde bedeckte. Nachdem die Sonne bereits etliche Stunden geschienen, und ich mich ziemlich weit ausser denen ordentlichen Strassen zu liegen vermerckte, das kalte Lager aber fast nicht mehr ertragen konte, zerriß ich meinen ohndem ge- nung zerlappten Bettlers-Kittlers noch mehr, und brachte alles in eine dermassen unordentliche Ord- nung, daß mich ein jeder nicht nur vor den allerärm- sten Bettler, sondern so gar vor einen rasenden Men- schen ansehen muste. Wer mir begegnet, lieff ent- weder aus dem Wege, oder warff beyzeiten ein Stück Geld, Brod oder andere Victualien entge- gen, nur damit ich ihm vom Halse bleiben solte, und solchergestalt practicirte mich glücklich über die Frantzösischen Grentzen, biß an den Rheinstrom, allwo mir, von dem annoch bey mir habenden Gel- de, nunmehro erstlich wieder ein Mühl-Purschen Kleid, Axt, nebst allem andern, was zu solchem Stan- de gehörete, gerchaffte.
Es liessen sich zwar immittelst in allen meinen Gleidern die Zeichen einer bevorstehenden Kranck- heit mercken, allein, weil ich durchaus keine Lust hat- te, an Catholischen Orten stille zu liegen, so setzte den- noch meine Reise biß in die Wetterau fort, und fand daselbst bey einem gutthätigen Müller Gelegen- heit, etwas Artzeney zu gebrauchen, welche auch in so weit anschlug, daß ich nachhero die Reise biß in meine Heymath mit ziemlichen Kräfften überste- hen konte.
Mein ernstlicher Vorsatz war, von nun an mei- ne Sünden zu bereuen, und so bald ich mich zu Hau- se mit einem frommen Seelsorger bekannt gemacht,
ein
und uͤber mit Erde bedeckte. Nachdem die Sonne bereits etliche Stunden geſchienen, und ich mich ziemlich weit auſſer denen ordentlichen Straſſen zu liegen vermerckte, das kalte Lager aber faſt nicht mehr ertragen konte, zerriß ich meinen ohndem ge- nung zerlappten Bettlers-Kittlers noch mehr, und brachte alles in eine dermaſſen unordentliche Ord- nung, daß mich ein jeder nicht nur vor den alleraͤrm- ſten Bettler, ſondern ſo gar vor einen raſenden Men- ſchen anſehen muſte. Wer mir begegnet, lieff ent- weder aus dem Wege, oder warff beyzeiten ein Stuͤck Geld, Brod oder andere Victualien entge- gen, nur damit ich ihm vom Halſe bleiben ſolte, und ſolchergeſtalt practicirte mich gluͤcklich uͤber die Frantzoͤſiſchen Grentzen, biß an den Rheinſtrom, allwo mir, von dem annoch bey mir habenden Gel- de, nunmehro erſtlich wieder ein Muͤhl-Purſchen Kleid, Axt, nebſt allem andern, was zu ſolchem Stan- de gehoͤrete, gerchaffte.
Es lieſſen ſich zwar immittelſt in allen meinen Gleidern die Zeichen einer bevorſtehenden Kranck- heit mercken, allein, weil ich durchaus keine Luſt hat- te, an Catholiſchen Orten ſtille zu liegen, ſo ſetzte den- noch meine Reiſe biß in die Wetterau fort, und fand daſelbſt bey einem gutthaͤtigen Muͤller Gelegen- heit, etwas Artzeney zu gebrauchen, welche auch in ſo weit anſchlug, daß ich nachhero die Reiſe biß in meine Heymath mit ziemlichen Kraͤfften uͤberſte- hen konte.
Mein ernſtlicher Vorſatz war, von nun an mei- ne Suͤnden zu bereuen, und ſo bald ich mich zu Hau- ſe mit einem frommen Seelſorger bekannt gemacht,
ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0404"n="390"/>
und uͤber mit Erde bedeckte. Nachdem die Sonne<lb/>
bereits etliche Stunden geſchienen, und ich mich<lb/>
ziemlich weit auſſer denen ordentlichen Straſſen zu<lb/>
liegen vermerckte, das kalte Lager aber faſt nicht<lb/>
mehr ertragen konte, zerriß ich meinen ohndem ge-<lb/>
nung zerlappten Bettlers-Kittlers noch mehr, und<lb/>
brachte alles in eine dermaſſen unordentliche Ord-<lb/>
nung, daß mich ein jeder nicht nur vor den alleraͤrm-<lb/>ſten Bettler, ſondern ſo gar vor einen raſenden Men-<lb/>ſchen anſehen muſte. Wer mir begegnet, lieff ent-<lb/>
weder aus dem Wege, oder warff beyzeiten ein<lb/>
Stuͤck Geld, Brod oder andere Victualien entge-<lb/>
gen, nur damit ich ihm vom Halſe bleiben ſolte, und<lb/>ſolchergeſtalt practicirte mich gluͤcklich uͤber die<lb/>
Frantzoͤſiſchen Grentzen, biß an den Rheinſtrom,<lb/>
allwo mir, von dem annoch bey mir habenden Gel-<lb/>
de, nunmehro erſtlich wieder ein Muͤhl-Purſchen<lb/>
Kleid, Axt, nebſt allem andern, was zu ſolchem Stan-<lb/>
de gehoͤrete, gerchaffte.</p><lb/><p>Es lieſſen ſich zwar immittelſt in allen meinen<lb/>
Gleidern die Zeichen einer bevorſtehenden Kranck-<lb/>
heit mercken, allein, weil ich durchaus keine Luſt hat-<lb/>
te, an Catholiſchen Orten ſtille zu liegen, ſo ſetzte den-<lb/>
noch meine Reiſe biß in die Wetterau fort, und fand<lb/>
daſelbſt bey einem gutthaͤtigen Muͤller Gelegen-<lb/>
heit, etwas Artzeney zu gebrauchen, welche auch<lb/>
in ſo weit anſchlug, daß ich nachhero die Reiſe biß<lb/>
in meine Heymath mit ziemlichen Kraͤfften uͤberſte-<lb/>
hen konte.</p><lb/><p>Mein ernſtlicher Vorſatz war, von nun an mei-<lb/>
ne Suͤnden zu bereuen, und ſo bald ich mich zu Hau-<lb/>ſe mit einem frommen Seelſorger bekannt gemacht,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ein</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[390/0404]
und uͤber mit Erde bedeckte. Nachdem die Sonne
bereits etliche Stunden geſchienen, und ich mich
ziemlich weit auſſer denen ordentlichen Straſſen zu
liegen vermerckte, das kalte Lager aber faſt nicht
mehr ertragen konte, zerriß ich meinen ohndem ge-
nung zerlappten Bettlers-Kittlers noch mehr, und
brachte alles in eine dermaſſen unordentliche Ord-
nung, daß mich ein jeder nicht nur vor den alleraͤrm-
ſten Bettler, ſondern ſo gar vor einen raſenden Men-
ſchen anſehen muſte. Wer mir begegnet, lieff ent-
weder aus dem Wege, oder warff beyzeiten ein
Stuͤck Geld, Brod oder andere Victualien entge-
gen, nur damit ich ihm vom Halſe bleiben ſolte, und
ſolchergeſtalt practicirte mich gluͤcklich uͤber die
Frantzoͤſiſchen Grentzen, biß an den Rheinſtrom,
allwo mir, von dem annoch bey mir habenden Gel-
de, nunmehro erſtlich wieder ein Muͤhl-Purſchen
Kleid, Axt, nebſt allem andern, was zu ſolchem Stan-
de gehoͤrete, gerchaffte.
Es lieſſen ſich zwar immittelſt in allen meinen
Gleidern die Zeichen einer bevorſtehenden Kranck-
heit mercken, allein, weil ich durchaus keine Luſt hat-
te, an Catholiſchen Orten ſtille zu liegen, ſo ſetzte den-
noch meine Reiſe biß in die Wetterau fort, und fand
daſelbſt bey einem gutthaͤtigen Muͤller Gelegen-
heit, etwas Artzeney zu gebrauchen, welche auch
in ſo weit anſchlug, daß ich nachhero die Reiſe biß
in meine Heymath mit ziemlichen Kraͤfften uͤberſte-
hen konte.
Mein ernſtlicher Vorſatz war, von nun an mei-
ne Suͤnden zu bereuen, und ſo bald ich mich zu Hau-
ſe mit einem frommen Seelſorger bekannt gemacht,
ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/404>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.