Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

im ersten Schlaffe überfallen, gebunden und eben-
falls ins Chastelet geführet wurde.

Hieselbst wurden mir alle meine Kleider biß auf
die Hosen und Hemde abgezogen, ingleichen der
Barchent Gürtel, worinn mein Gold und Kleyno-
den vernehet waren, und den ich jederzeit auf dem
blossen Leibe trug, abgerissen, so daß von allen übel
erworbenen Gute nichts in meiner Gewalt blieb, als
ein kleiner Diamant-Ring etwa 15. Thaler werth
und denn 6. gehenckelte Gold-Stücke, die in einer
verborgenen Hosen-Ficken stacken, und etwa 30.
Thaler austrugen. Man warff mir zwar an statt
meiner schönen Kleider etliche andere Stücke zu,
welche ohnfehlbar etwa ein gehenckter oder geräder-
ter Dieb zurück gelassen hatte, allein ich wolte selbi-
ge nicht eher anziehen, biß mir endlich des Nachts die
grimmige Kälte allen Eckel vertrieb, denn es war
gar ein verzweiffelt kaltes, stinckendes und niedriges
Gewölbe im untern Stockwercke, worinnen man
mich an entsetzlich starcken Ketten gefangen hielt.

Wenig Tage hernach wurde ich ins Verhör ge-
bracht, allwo ich mich zwar, was die Cartouchi-
aner
anbetraf, aufs beste z[u] verantworten suchte,
allein um so viel desto schlechter Gehör fand, ja die
Sache wurde dergestalt eiffrig getrieben, daß ich
zu meinem Trost, ein vor allemahl den Bescheid be-
kam, entweder binnen dreyen Tagen reinen Wein
einzuschencken oder der allerentsetzlichsten Tortur
gewärtig zu seyn, zu desto grösseren Schrecken aber
muste dabey seyn, da ein anderer, mir unbekanter
Cartouchianer von zweyen Henckern aufs allerent-
setzlichste gefoltert wurde, welches mir eine dermas-

sen
b b 2

im erſten Schlaffe uͤberfallen, gebunden und eben-
falls ins Chaſtelet gefuͤhret wurde.

Hieſelbſt wurden mir alle meine Kleider biß auf
die Hoſen und Hemde abgezogen, ingleichen der
Barchent Guͤrtel, worinn mein Gold und Kleyno-
den vernehet waren, und den ich jederzeit auf dem
bloſſen Leibe trug, abgeriſſen, ſo daß von allen uͤbel
erworbenen Gute nichts in meiner Gewalt blieb, als
ein kleiner Diamant-Ring etwa 15. Thaler werth
und denn 6. gehenckelte Gold-Stuͤcke, die in einer
verborgenen Hoſen-Ficken ſtacken, und etwa 30.
Thaler austrugen. Man warff mir zwar an ſtatt
meiner ſchoͤnen Kleider etliche andere Stuͤcke zu,
welche ohnfehlbar etwa ein gehenckter oder geraͤder-
ter Dieb zuruͤck gelaſſen hatte, allein ich wolte ſelbi-
ge nicht eher anziehen, biß mir endlich des Nachts die
grimmige Kaͤlte allen Eckel vertrieb, denn es war
gar ein verzweiffelt kaltes, ſtinckendes und niedriges
Gewoͤlbe im untern Stockwercke, worinnen man
mich an entſetzlich ſtarcken Ketten gefangen hielt.

Wenig Tage hernach wurde ich ins Verhoͤr ge-
bracht, allwo ich mich zwar, was die Cartouchi-
aner
anbetraf, aufs beſte z[u] verantworten ſuchte,
allein um ſo viel deſto ſchlechter Gehoͤr fand, ja die
Sache wurde dergeſtalt eiffrig getrieben, daß ich
zu meinem Troſt, ein vor allemahl den Beſcheid be-
kam, entweder binnen dreyen Tagen reinen Wein
einzuſchencken oder der allerentſetzlichſten Tortur
gewaͤrtig zu ſeyn, zu deſto groͤſſeren Schrecken aber
muſte dabey ſeyn, da ein anderer, mir unbekanter
Cartouchianer von zweyen Henckern aufs allerent-
ſetzlichſte gefoltert wurde, welches mir eine dermaſ-

ſen
b b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0401" n="387"/>
im er&#x017F;ten Schlaffe u&#x0364;berfallen, gebunden und eben-<lb/>
falls ins <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cha&#x017F;telet</hi></hi> gefu&#x0364;hret wurde.</p><lb/>
          <p>Hie&#x017F;elb&#x017F;t wurden mir alle meine Kleider biß auf<lb/>
die Ho&#x017F;en und Hemde abgezogen, ingleichen der<lb/>
Barchent Gu&#x0364;rtel, worinn mein Gold und Kleyno-<lb/>
den vernehet waren, und den ich jederzeit auf dem<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;en Leibe trug, abgeri&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o daß von allen u&#x0364;bel<lb/>
erworbenen Gute nichts in meiner Gewalt blieb, als<lb/>
ein kleiner Diamant-Ring etwa 15. Thaler werth<lb/>
und denn 6. gehenckelte Gold-Stu&#x0364;cke, die in einer<lb/>
verborgenen Ho&#x017F;en-Ficken &#x017F;tacken, und etwa 30.<lb/>
Thaler austrugen. Man warff mir zwar an &#x017F;tatt<lb/>
meiner &#x017F;cho&#x0364;nen Kleider etliche andere Stu&#x0364;cke zu,<lb/>
welche ohnfehlbar etwa ein gehenckter oder gera&#x0364;der-<lb/>
ter Dieb zuru&#x0364;ck gela&#x017F;&#x017F;en hatte, allein ich wolte &#x017F;elbi-<lb/>
ge nicht eher anziehen, biß mir endlich des Nachts die<lb/>
grimmige Ka&#x0364;lte allen Eckel vertrieb, denn es war<lb/>
gar ein verzweiffelt kaltes, &#x017F;tinckendes und niedriges<lb/>
Gewo&#x0364;lbe im untern Stockwercke, worinnen man<lb/>
mich an ent&#x017F;etzlich &#x017F;tarcken Ketten gefangen hielt.</p><lb/>
          <p>Wenig Tage hernach wurde ich ins Verho&#x0364;r ge-<lb/>
bracht, allwo ich mich zwar, was die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cartouchi-<lb/>
aner</hi></hi> anbetraf, aufs be&#x017F;te z<supplied>u</supplied> verantworten &#x017F;uchte,<lb/>
allein um &#x017F;o viel de&#x017F;to &#x017F;chlechter Geho&#x0364;r fand, ja die<lb/>
Sache wurde derge&#x017F;talt eiffrig getrieben, daß ich<lb/>
zu meinem Tro&#x017F;t, ein vor allemahl den Be&#x017F;cheid be-<lb/>
kam, entweder binnen dreyen Tagen reinen Wein<lb/>
einzu&#x017F;chencken oder der allerent&#x017F;etzlich&#x017F;ten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Tortur</hi></hi><lb/>
gewa&#x0364;rtig zu &#x017F;eyn, zu de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eren Schrecken aber<lb/>
mu&#x017F;te dabey &#x017F;eyn, da ein anderer, mir unbekanter<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cartouchianer</hi></hi> von zweyen Henckern aufs allerent-<lb/>
&#x017F;etzlich&#x017F;te gefoltert wurde, welches mir eine derma&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">b b 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0401] im erſten Schlaffe uͤberfallen, gebunden und eben- falls ins Chaſtelet gefuͤhret wurde. Hieſelbſt wurden mir alle meine Kleider biß auf die Hoſen und Hemde abgezogen, ingleichen der Barchent Guͤrtel, worinn mein Gold und Kleyno- den vernehet waren, und den ich jederzeit auf dem bloſſen Leibe trug, abgeriſſen, ſo daß von allen uͤbel erworbenen Gute nichts in meiner Gewalt blieb, als ein kleiner Diamant-Ring etwa 15. Thaler werth und denn 6. gehenckelte Gold-Stuͤcke, die in einer verborgenen Hoſen-Ficken ſtacken, und etwa 30. Thaler austrugen. Man warff mir zwar an ſtatt meiner ſchoͤnen Kleider etliche andere Stuͤcke zu, welche ohnfehlbar etwa ein gehenckter oder geraͤder- ter Dieb zuruͤck gelaſſen hatte, allein ich wolte ſelbi- ge nicht eher anziehen, biß mir endlich des Nachts die grimmige Kaͤlte allen Eckel vertrieb, denn es war gar ein verzweiffelt kaltes, ſtinckendes und niedriges Gewoͤlbe im untern Stockwercke, worinnen man mich an entſetzlich ſtarcken Ketten gefangen hielt. Wenig Tage hernach wurde ich ins Verhoͤr ge- bracht, allwo ich mich zwar, was die Cartouchi- aner anbetraf, aufs beſte zu verantworten ſuchte, allein um ſo viel deſto ſchlechter Gehoͤr fand, ja die Sache wurde dergeſtalt eiffrig getrieben, daß ich zu meinem Troſt, ein vor allemahl den Beſcheid be- kam, entweder binnen dreyen Tagen reinen Wein einzuſchencken oder der allerentſetzlichſten Tortur gewaͤrtig zu ſeyn, zu deſto groͤſſeren Schrecken aber muſte dabey ſeyn, da ein anderer, mir unbekanter Cartouchianer von zweyen Henckern aufs allerent- ſetzlichſte gefoltert wurde, welches mir eine dermaſ- ſen b b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/401
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/401>, abgerufen am 17.05.2024.