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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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aufs Tapet brachte, blieb ich endlich bey dem
Schlusse: Daß mir gantz unmöglich, eine andere
Religion zu ergreiffen, so lange ich nicht der Unrich-
tigkeit von der meinen vollkommen überzeugt sey.
Dem ohngeacht gab mir der alte Pater, so wohl als
der Chirurgus, lauter gute Worte, weil sie mich
hiermit um so viel desto eher zu gewinnen vermeine-
ten, wolten auch sagen: Es hätten ihre Schüler wi-
der der Ehrwürdigen Patrum Wissen und Willen,
mich elenden Menschen gefangen nehmen, und der-
massen zurichten lassen, nachdem es aber einmahl
geschehen, stünde es nicht zu ändern, jedoch solten sie
nachdrücklich genug davor gestraft, mir aber al-
les Glück und Wohlseyn befördert werden, dafer-
ne ich mich nur gutwillig zu ihrer Religion bekennen,
und denen Ketzereyen auf ewig abschwören wolte.
Allein ich glaubte von allen so viel als nöthig zu
seyn erachtete, und weiln meine Resolution bereits
mehr als deutlich ausgesprbchen war, übergieng ich
das übrige alles mit Stillschweigen, welches sie mir
denn auch, in Betrachtung meiner grossen Schwach-
heit und Schmertzen, ziemlichermassen zu gute hiel-
ten, und mich mit fernern Anfällen einige Tage ver-
schoneten.

Mittlerweile verschaffte mir der alte Chirurgus
täglich die niedlichsten Speisen und Geträncke, spa-
rete auch sonsten keinen Fleiß, meine Gesundheit wie-
derum herzustellen, woher denn kam, daß ich nach
Verlauff dreyer Wochen ziemlich frisch und mun-
ter wurde. Von der Zeit an, stellete sich immer ein
alter Pater um den andern in meiner Cammer ein,
aus welcher ich keinen Fuß setzen, sondern als ein, auf

Leib
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aufs Tapet brachte, blieb ich endlich bey dem
Schluſſe: Daß mir gantz unmoͤglich, eine andere
Religion zu ergreiffen, ſo lange ich nicht der Unrich-
tigkeit von der meinen vollkommen uͤberzeugt ſey.
Dem ohngeacht gab mir der alte Pater, ſo wohl als
der Chirurgus, lauter gute Worte, weil ſie mich
hiermit um ſo viel deſto eher zu gewinnen vermeine-
ten, wolten auch ſagen: Es haͤtten ihre Schuͤler wi-
der der Ehrwuͤrdigen Patrum Wiſſen und Willen,
mich elenden Menſchen gefangen nehmen, und der-
maſſen zurichten laſſen, nachdem es aber einmahl
geſchehen, ſtuͤnde es nicht zu aͤndern, jedoch ſolten ſie
nachdruͤcklich genug davor geſtraft, mir aber al-
les Gluͤck und Wohlſeyn befoͤrdert werden, dafer-
ne ich mich nur gutwillig zu ihrer Religion bekennen,
und denen Ketzereyen auf ewig abſchwoͤren wolte.
Allein ich glaubte von allen ſo viel als noͤthig zu
ſeyn erachtete, und weiln meine Reſolution bereits
mehr als deutlich ausgeſprbchen war, uͤbergieng ich
das uͤbrige alles mit Stillſchweigen, welches ſie mir
denn auch, in Betrachtung meiner groſſen Schwach-
heit und Schmertzen, ziemlichermaſſen zu gute hiel-
ten, und mich mit fernern Anfaͤllen einige Tage ver-
ſchoneten.

Mittlerweile verſchaffte mir der alte Chirurgus
taͤglich die niedlichſten Speiſen und Getraͤncke, ſpa-
rete auch ſonſten keinen Fleiß, meine Geſundheit wie-
derum herzuſtellen, woher denn kam, daß ich nach
Verlauff dreyer Wochen ziemlich friſch und mun-
ter wurde. Von der Zeit an, ſtellete ſich immer ein
alter Pater um den andern in meiner Cammer ein,
aus welcher ich keinen Fuß ſetzen, ſondern als ein, auf

Leib
b 4
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[23/0037] aufs Tapet brachte, blieb ich endlich bey dem Schluſſe: Daß mir gantz unmoͤglich, eine andere Religion zu ergreiffen, ſo lange ich nicht der Unrich- tigkeit von der meinen vollkommen uͤberzeugt ſey. Dem ohngeacht gab mir der alte Pater, ſo wohl als der Chirurgus, lauter gute Worte, weil ſie mich hiermit um ſo viel deſto eher zu gewinnen vermeine- ten, wolten auch ſagen: Es haͤtten ihre Schuͤler wi- der der Ehrwuͤrdigen Patrum Wiſſen und Willen, mich elenden Menſchen gefangen nehmen, und der- maſſen zurichten laſſen, nachdem es aber einmahl geſchehen, ſtuͤnde es nicht zu aͤndern, jedoch ſolten ſie nachdruͤcklich genug davor geſtraft, mir aber al- les Gluͤck und Wohlſeyn befoͤrdert werden, dafer- ne ich mich nur gutwillig zu ihrer Religion bekennen, und denen Ketzereyen auf ewig abſchwoͤren wolte. Allein ich glaubte von allen ſo viel als noͤthig zu ſeyn erachtete, und weiln meine Reſolution bereits mehr als deutlich ausgeſprbchen war, uͤbergieng ich das uͤbrige alles mit Stillſchweigen, welches ſie mir denn auch, in Betrachtung meiner groſſen Schwach- heit und Schmertzen, ziemlichermaſſen zu gute hiel- ten, und mich mit fernern Anfaͤllen einige Tage ver- ſchoneten. Mittlerweile verſchaffte mir der alte Chirurgus taͤglich die niedlichſten Speiſen und Getraͤncke, ſpa- rete auch ſonſten keinen Fleiß, meine Geſundheit wie- derum herzuſtellen, woher denn kam, daß ich nach Verlauff dreyer Wochen ziemlich friſch und mun- ter wurde. Von der Zeit an, ſtellete ſich immer ein alter Pater um den andern in meiner Cammer ein, aus welcher ich keinen Fuß ſetzen, ſondern als ein, auf Leib b 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/37>, abgerufen am 20.04.2024.