Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan-
ne Bier von der Ausgeberin, ich aber indessen das
aus Holtz geschnitzte Bild des heil. Bonifacii, wel-
ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu
langen, brach mir dieser wurmstichige Heilige un-
ter den Händen entzwey und schüttete aus seinem
ausgehölten Leibe eine grosse Menge Gold-Stücke
über meinen Kopf, weßwegen ich ungemein erschrack,
jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge-
streuten Gold-Stücke alle zusammen in meine Mütze
sammlete, und befand, daß es 632. Stück lauter
Cremnizer Ducaten waren.

Diese Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr-
Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit
dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich
bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu sagen, daß
er augenblicklich zu mir in die Stube kommen möch-
te, weil ihm etwas besonders anzuzeigen hätte. Da
aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl-
zeit gesessen, so kam er nicht eher zur Stelle bis nach
aufgehobener Tafel, fragte auch sogleich, was
es besonders gäbe? Mein Herr! gab ich ihm
zur Antwort, es wird euch bewußt seyn, daß die Lu-
theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne,
nicht glauben, daß die verstorbenen Heiligen den
annoch lebenden Menschen einige Wohlthaten erzei-
gen können, allein euer heiliger Bonifacius, des-
sen vortrefflichen Nahmen ich zu seinen Füssen an-
geschrieben sehe, hat mich heute eines andern über-
zeugt. Denn ohngeacht ich so unglücklich gewesen,
seinen, von Würmern gantz durchfressenen Cörper,
zu zerbrechen, so hat er mir dennoch dieses Geschen-

cke,

nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan-
ne Bier von der Ausgeberin, ich aber indeſſen das
aus Holtz geſchnitzte Bild des heil. Bonifacii, wel-
ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu
langen, brach mir dieſer wurmſtichige Heilige un-
ter den Haͤnden entzwey und ſchuͤttete aus ſeinem
ausgehoͤlten Leibe eine groſſe Menge Gold-Stuͤcke
uͤber meinen Kopf, weßwegen ich ungemein erſchrack,
jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge-
ſtreuten Gold-Stuͤcke alle zuſammen in meine Muͤtze
ſammlete, und befand, daß es 632. Stuͤck lauter
Cremnizer Ducaten waren.

Dieſe Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr-
Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit
dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich
bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu ſagen, daß
er augenblicklich zu mir in die Stube kommen moͤch-
te, weil ihm etwas beſonders anzuzeigen haͤtte. Da
aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl-
zeit geſeſſen, ſo kam er nicht eher zur Stelle bis nach
aufgehobener Tafel, fragte auch ſogleich, was
es beſonders gaͤbe? Mein Herr! gab ich ihm
zur Antwort, es wird euch bewußt ſeyn, daß die Lu-
theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne,
nicht glauben, daß die verſtorbenen Heiligen den
annoch lebenden Menſchen einige Wohlthaten erzei-
gen koͤnnen, allein euer heiliger Bonifacius, deſ-
ſen vortrefflichen Nahmen ich zu ſeinen Fuͤſſen an-
geſchrieben ſehe, hat mich heute eines andern uͤber-
zeugt. Denn ohngeacht ich ſo ungluͤcklich geweſen,
ſeinen, von Wuͤrmern gantz durchfreſſenen Coͤrper,
zu zerbrechen, ſo hat er mir dennoch dieſes Geſchen-

cke,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0347" n="333"/>
nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan-<lb/>
ne Bier von der Ausgeberin, ich aber inde&#x017F;&#x017F;en das<lb/>
aus Holtz ge&#x017F;chnitzte Bild des heil. <hi rendition="#aq">Bonifacii,</hi> wel-<lb/>
ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu<lb/>
langen, brach mir die&#x017F;er wurm&#x017F;tichige Heilige un-<lb/>
ter den Ha&#x0364;nden entzwey und &#x017F;chu&#x0364;ttete aus &#x017F;einem<lb/>
ausgeho&#x0364;lten Leibe eine gro&#x017F;&#x017F;e Menge Gold-Stu&#x0364;cke<lb/>
u&#x0364;ber meinen Kopf, weßwegen ich ungemein er&#x017F;chrack,<lb/>
jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge-<lb/>
&#x017F;treuten Gold-Stu&#x0364;cke alle zu&#x017F;ammen in meine Mu&#x0364;tze<lb/>
&#x017F;ammlete, und befand, daß es 632. Stu&#x0364;ck lauter<lb/><hi rendition="#aq">Cremnizer Ducat</hi>en waren.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr-<lb/>
Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit<lb/>
dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich<lb/>
bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu &#x017F;agen, daß<lb/>
er augenblicklich zu mir in die Stube kommen mo&#x0364;ch-<lb/>
te, weil ihm etwas be&#x017F;onders anzuzeigen ha&#x0364;tte. Da<lb/>
aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl-<lb/>
zeit ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o kam er nicht eher zur Stelle bis nach<lb/>
aufgehobener Tafel, fragte auch &#x017F;ogleich, was<lb/>
es be&#x017F;onders ga&#x0364;be? Mein Herr! gab ich ihm<lb/>
zur Antwort, es wird euch bewußt &#x017F;eyn, daß die Lu-<lb/>
theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne,<lb/>
nicht glauben, daß die ver&#x017F;torbenen Heiligen den<lb/>
annoch lebenden Men&#x017F;chen einige Wohlthaten erzei-<lb/>
gen ko&#x0364;nnen, allein euer heiliger <hi rendition="#aq">Bonifacius,</hi> de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en vortrefflichen Nahmen ich zu &#x017F;einen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an-<lb/>
ge&#x017F;chrieben &#x017F;ehe, hat mich heute eines andern u&#x0364;ber-<lb/>
zeugt. Denn ohngeacht ich &#x017F;o unglu&#x0364;cklich gewe&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;einen, von Wu&#x0364;rmern gantz durchfre&#x017F;&#x017F;enen Co&#x0364;rper,<lb/>
zu zerbrechen, &#x017F;o hat er mir dennoch die&#x017F;es Ge&#x017F;chen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">cke,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0347] nun der Lehr-Junge eben im Begriff war, eine Kan- ne Bier von der Ausgeberin, ich aber indeſſen das aus Holtz geſchnitzte Bild des heil. Bonifacii, wel- ches oben in einer Ecke angenagelt war, herunter zu langen, brach mir dieſer wurmſtichige Heilige un- ter den Haͤnden entzwey und ſchuͤttete aus ſeinem ausgehoͤlten Leibe eine groſſe Menge Gold-Stuͤcke uͤber meinen Kopf, weßwegen ich ungemein erſchrack, jedoch das Bild vollends herunter hub, die ausge- ſtreuten Gold-Stuͤcke alle zuſammen in meine Muͤtze ſammlete, und befand, daß es 632. Stuͤck lauter Cremnizer Ducaten waren. Dieſe Arbeit war vollbracht, ehe mein Lehr- Junge mit dem Biere, und der Haus-Knecht mit dem Mittags-Brode ankam, welchen letztern ich bat, dem Haus-Herrn meinetwegen zu ſagen, daß er augenblicklich zu mir in die Stube kommen moͤch- te, weil ihm etwas beſonders anzuzeigen haͤtte. Da aber der Haus-Herr eben bey der Mittags-Mahl- zeit geſeſſen, ſo kam er nicht eher zur Stelle bis nach aufgehobener Tafel, fragte auch ſogleich, was es beſonders gaͤbe? Mein Herr! gab ich ihm zur Antwort, es wird euch bewußt ſeyn, daß die Lu- theraner, als zu welcher Parthey ich mich bekenne, nicht glauben, daß die verſtorbenen Heiligen den annoch lebenden Menſchen einige Wohlthaten erzei- gen koͤnnen, allein euer heiliger Bonifacius, deſ- ſen vortrefflichen Nahmen ich zu ſeinen Fuͤſſen an- geſchrieben ſehe, hat mich heute eines andern uͤber- zeugt. Denn ohngeacht ich ſo ungluͤcklich geweſen, ſeinen, von Wuͤrmern gantz durchfreſſenen Coͤrper, zu zerbrechen, ſo hat er mir dennoch dieſes Geſchen- cke,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/347
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/347>, abgerufen am 22.11.2024.