Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder nach Hause zu nehmen. Es sahe eine Zeit-
lang sehr schlimm mit mir aus, ja der Doctor, wel-
chen mein Vater mehrentheils alle Wochen aus der
Stadt hohlen ließ, zweifelte selbst an meiner Wie-
dergenesung, jedoch, nachdem ich über anderthalb
Jahr gekränckelt, fand sich die Besserung nach und
nach vollkommen wieder.

Währender meiner Kranckheit hatte mich unser
Herr Pfarrer sehr fleißig besucht, und einen ziem-
lich veränderten Menschen aus mir gemacht, so
daß ich durchaus kein musicalisch Instrument, zu
Beförderung üppiger Lüste mehr anrühren wolte, ja
es stellete sich bey mir ein Eckel, fast überhaupt ge-
gen alle Music ein, wovon ich doch sonsten ein so
grosser Liebhaber gewesen. Mein Vater wolte
zwar durchaus haben, daß ich wieder zum Stadt-
Pfeiffer in die Lehre gehen solte, da aber der Pfarr-
herr ohngefehr in einer Predigt den Spruch mit
anbrachte: Siehe zu, du bist gesund worden,
sündige hinfort nicht mehr, auf daß dir
nicht etwas ärgers wiederfahre,
ging mir der-
selbe dermassen zu Hertzen, daß ich augenblicklich
noch in der Kirche den Schwur that, die Music liegen
zu lassen, hergegen ein anderes ehrliches Handwerck
zu erlernen. Roch selbigen Sonntags gegen A-
bend ging ich zu dem Pfarrherrn, mich wegen die-
ses Vorsatzes seines Raths zu erhohlen, dieser schlug
mir sehr erfreuet die Organisten-Kunst vor, weiln
ich doch schon etwas davon gefasset hätte, allein
auch darzu war bey mir alle Lust verschwunden.
Andere Künste zu erlernen, schien etwas allzu kost-
bar, derowegen fiel mir endlich das Tischler-Hand-

werck

wieder nach Hauſe zu nehmen. Es ſahe eine Zeit-
lang ſehr ſchlimm mit mir aus, ja der Doctor, wel-
chen mein Vater mehrentheils alle Wochen aus der
Stadt hohlen ließ, zweifelte ſelbſt an meiner Wie-
dergeneſung, jedoch, nachdem ich uͤber anderthalb
Jahr gekraͤnckelt, fand ſich die Beſſerung nach und
nach vollkommen wieder.

Waͤhrender meiner Kranckheit hatte mich unſer
Herr Pfarrer ſehr fleißig beſucht, und einen ziem-
lich veraͤnderten Menſchen aus mir gemacht, ſo
daß ich durchaus kein muſicaliſch Inſtrument, zu
Befoͤrderung uͤppiger Luͤſte mehr anruͤhren wolte, ja
es ſtellete ſich bey mir ein Eckel, faſt uͤberhaupt ge-
gen alle Muſic ein, wovon ich doch ſonſten ein ſo
groſſer Liebhaber geweſen. Mein Vater wolte
zwar durchaus haben, daß ich wieder zum Stadt-
Pfeiffer in die Lehre gehen ſolte, da aber der Pfarr-
herr ohngefehr in einer Predigt den Spruch mit
anbrachte: Siehe zu, du biſt geſund worden,
ſuͤndige hinfort nicht mehr, auf daß dir
nicht etwas aͤrgers wiederfahre,
ging mir der-
ſelbe dermaſſen zu Hertzen, daß ich augenblicklich
noch in der Kirche den Schwur that, die Muſic liegen
zu laſſen, hergegen ein anderes ehrliches Handwerck
zu erlernen. Roch ſelbigen Sonntags gegen A-
bend ging ich zu dem Pfarrherrn, mich wegen die-
ſes Vorſatzes ſeines Raths zu erhohlen, dieſer ſchlug
mir ſehr erfreuet die Organiſten-Kunſt vor, weiln
ich doch ſchon etwas davon gefaſſet haͤtte, allein
auch darzu war bey mir alle Luſt verſchwunden.
Andere Kuͤnſte zu erlernen, ſchien etwas allzu koſt-
bar, derowegen fiel mir endlich das Tiſchler-Hand-

werck
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0344" n="330"/>
wieder nach Hau&#x017F;e zu nehmen. Es &#x017F;ahe eine Zeit-<lb/>
lang &#x017F;ehr &#x017F;chlimm mit mir aus, ja der <hi rendition="#aq">Doctor,</hi> wel-<lb/>
chen mein Vater mehrentheils alle Wochen aus der<lb/>
Stadt hohlen ließ, zweifelte &#x017F;elb&#x017F;t an meiner Wie-<lb/>
dergene&#x017F;ung, jedoch, nachdem ich u&#x0364;ber anderthalb<lb/>
Jahr gekra&#x0364;nckelt, fand &#x017F;ich die Be&#x017F;&#x017F;erung nach und<lb/>
nach vollkommen wieder.</p><lb/>
          <p>Wa&#x0364;hrender meiner Kranckheit hatte mich un&#x017F;er<lb/>
Herr Pfarrer &#x017F;ehr fleißig be&#x017F;ucht, und einen ziem-<lb/>
lich vera&#x0364;nderten Men&#x017F;chen aus mir gemacht, &#x017F;o<lb/>
daß ich durchaus kein <hi rendition="#aq">mu&#x017F;icali</hi>&#x017F;ch <hi rendition="#aq">In&#x017F;trument,</hi> zu<lb/>
Befo&#x0364;rderung u&#x0364;ppiger Lu&#x0364;&#x017F;te mehr anru&#x0364;hren wolte, ja<lb/>
es &#x017F;tellete &#x017F;ich bey mir ein Eckel, fa&#x017F;t u&#x0364;berhaupt ge-<lb/>
gen alle <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;ic</hi> ein, wovon ich doch &#x017F;on&#x017F;ten ein &#x017F;o<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;er Liebhaber gewe&#x017F;en. Mein Vater wolte<lb/>
zwar durchaus haben, daß ich wieder zum Stadt-<lb/>
Pfeiffer in die Lehre gehen &#x017F;olte, da aber der Pfarr-<lb/>
herr ohngefehr in einer Predigt den Spruch mit<lb/>
anbrachte: <hi rendition="#fr">Siehe zu, du bi&#x017F;t ge&#x017F;und worden,<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ndige hinfort nicht mehr, auf daß dir<lb/>
nicht etwas a&#x0364;rgers wiederfahre,</hi> ging mir der-<lb/>
&#x017F;elbe derma&#x017F;&#x017F;en zu Hertzen, daß ich augenblicklich<lb/>
noch in der Kirche den Schwur that, die <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;ic</hi> liegen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en, hergegen ein anderes ehrliches Handwerck<lb/>
zu erlernen. Roch &#x017F;elbigen Sonntags gegen A-<lb/>
bend ging ich zu dem Pfarrherrn, mich wegen die-<lb/>
&#x017F;es Vor&#x017F;atzes &#x017F;eines Raths zu erhohlen, die&#x017F;er &#x017F;chlug<lb/>
mir &#x017F;ehr erfreuet die Organi&#x017F;ten-Kun&#x017F;t vor, weiln<lb/>
ich doch &#x017F;chon etwas davon gefa&#x017F;&#x017F;et ha&#x0364;tte, allein<lb/>
auch darzu war bey mir alle Lu&#x017F;t ver&#x017F;chwunden.<lb/>
Andere Ku&#x0364;n&#x017F;te zu erlernen, &#x017F;chien etwas allzu ko&#x017F;t-<lb/>
bar, derowegen fiel mir endlich das Ti&#x017F;chler-Hand-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">werck</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0344] wieder nach Hauſe zu nehmen. Es ſahe eine Zeit- lang ſehr ſchlimm mit mir aus, ja der Doctor, wel- chen mein Vater mehrentheils alle Wochen aus der Stadt hohlen ließ, zweifelte ſelbſt an meiner Wie- dergeneſung, jedoch, nachdem ich uͤber anderthalb Jahr gekraͤnckelt, fand ſich die Beſſerung nach und nach vollkommen wieder. Waͤhrender meiner Kranckheit hatte mich unſer Herr Pfarrer ſehr fleißig beſucht, und einen ziem- lich veraͤnderten Menſchen aus mir gemacht, ſo daß ich durchaus kein muſicaliſch Inſtrument, zu Befoͤrderung uͤppiger Luͤſte mehr anruͤhren wolte, ja es ſtellete ſich bey mir ein Eckel, faſt uͤberhaupt ge- gen alle Muſic ein, wovon ich doch ſonſten ein ſo groſſer Liebhaber geweſen. Mein Vater wolte zwar durchaus haben, daß ich wieder zum Stadt- Pfeiffer in die Lehre gehen ſolte, da aber der Pfarr- herr ohngefehr in einer Predigt den Spruch mit anbrachte: Siehe zu, du biſt geſund worden, ſuͤndige hinfort nicht mehr, auf daß dir nicht etwas aͤrgers wiederfahre, ging mir der- ſelbe dermaſſen zu Hertzen, daß ich augenblicklich noch in der Kirche den Schwur that, die Muſic liegen zu laſſen, hergegen ein anderes ehrliches Handwerck zu erlernen. Roch ſelbigen Sonntags gegen A- bend ging ich zu dem Pfarrherrn, mich wegen die- ſes Vorſatzes ſeines Raths zu erhohlen, dieſer ſchlug mir ſehr erfreuet die Organiſten-Kunſt vor, weiln ich doch ſchon etwas davon gefaſſet haͤtte, allein auch darzu war bey mir alle Luſt verſchwunden. Andere Kuͤnſte zu erlernen, ſchien etwas allzu koſt- bar, derowegen fiel mir endlich das Tiſchler-Hand- werck

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/344
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/344>, abgerufen am 25.11.2024.