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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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der hervor suchte, sondern auch gegen die Herbst-
Zeit, da es die meisten Hochzeiten zu geben pfleget,
einen eigenen Weg in die Stadt vornahm, um von
dem Buchdrucker etwa vor einen halben Thaler
neue Lieder zu kauffen.

Jedoch ich kam bey demselben sehr übel an, denn
so bald ich mein Gewerbe mit der größten Freund-
lichkeit vorgebracht, stieß der Buchdrucker die
schändlichsten Läster-Reden gegen mich aus, und
schloß endlich mit solchen tröstlichen Worten: Geh
du Spion, du Schelm an den hellen lichten Gal-
gen, und sage dem, der dich abgeschickt hat, er soll
sich um seine Postillen Reuterey und um die weiten
Ermel am Pfaffen-Rocke bekümmern, andere
ehrliche Leute in ihrer Nahrung aber ungehudelt las-
sen. Da ich nun bald merckte, wohin der erboste
Mann zielte, und was er vor einen wunderlichen
Argwohn auf meine Unschuld gelegt hätte, eröffne-
te ihm das Verständniß, mit treuhertziger Erzeh-
lung meiner neulichen Verdrießlichkeiten, und erhielt
endlich mit grosser Mühe von ihm, was ich so eifrig
suchte.

Es ist aber hierbey zu mercken, daß, wie ich nach-
hero erfahren, dieser Buchdrucker jederzeit vor ei-
nen besonders frommen Mann gehalten seyn, und
dem Scheine nach, allen heiligen die Füsse abbeis-
sen wollen, wie er sich dann auch überall gerühmet,
er liesse seine Schrifften durchaus zu keinen ärgerli-
chen Sachen gebrauchen, und wenn er vor ieden
Bogen 1000. Thlr. zu verdienen wüßte, in der
That aber war er ein Ertz-Heuchler, der, wie man
nachhero erfahren, die allerliederlichsten Sachen

von

der hervor ſuchte, ſondern auch gegen die Herbſt-
Zeit, da es die meiſten Hochzeiten zu geben pfleget,
einen eigenen Weg in die Stadt vornahm, um von
dem Buchdrucker etwa vor einen halben Thaler
neue Lieder zu kauffen.

Jedoch ich kam bey demſelben ſehr uͤbel an, denn
ſo bald ich mein Gewerbe mit der groͤßten Freund-
lichkeit vorgebracht, ſtieß der Buchdrucker die
ſchaͤndlichſten Laͤſter-Reden gegen mich aus, und
ſchloß endlich mit ſolchen troͤſtlichen Worten: Geh
du Spion, du Schelm an den hellen lichten Gal-
gen, und ſage dem, der dich abgeſchickt hat, er ſoll
ſich um ſeine Poſtillen Reuterey und um die weiten
Ermel am Pfaffen-Rocke bekuͤmmern, andere
ehrliche Leute in ihrer Nahrung aber ungehudelt laſ-
ſen. Da ich nun bald merckte, wohin der erboſte
Mann zielte, und was er vor einen wunderlichen
Argwohn auf meine Unſchuld gelegt haͤtte, eroͤffne-
te ihm das Verſtaͤndniß, mit treuhertziger Erzeh-
lung meiner neulichen Verdrießlichkeiten, und erhielt
endlich mit groſſer Muͤhe von ihm, was ich ſo eifrig
ſuchte.

Es iſt aber hierbey zu mercken, daß, wie ich nach-
hero erfahren, dieſer Buchdrucker jederzeit vor ei-
nen beſonders frommen Mann gehalten ſeyn, und
dem Scheine nach, allen heiligen die Fuͤſſe abbeiſ-
ſen wollen, wie er ſich dann auch uͤberall geruͤhmet,
er lieſſe ſeine Schrifften durchaus zu keinen aͤrgerli-
chen Sachen gebrauchen, und wenn er vor ieden
Bogen 1000. Thlr. zu verdienen wuͤßte, in der
That aber war er ein Ertz-Heuchler, der, wie man
nachhero erfahren, die allerliederlichſten Sachen

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[328/0342] der hervor ſuchte, ſondern auch gegen die Herbſt- Zeit, da es die meiſten Hochzeiten zu geben pfleget, einen eigenen Weg in die Stadt vornahm, um von dem Buchdrucker etwa vor einen halben Thaler neue Lieder zu kauffen. Jedoch ich kam bey demſelben ſehr uͤbel an, denn ſo bald ich mein Gewerbe mit der groͤßten Freund- lichkeit vorgebracht, ſtieß der Buchdrucker die ſchaͤndlichſten Laͤſter-Reden gegen mich aus, und ſchloß endlich mit ſolchen troͤſtlichen Worten: Geh du Spion, du Schelm an den hellen lichten Gal- gen, und ſage dem, der dich abgeſchickt hat, er ſoll ſich um ſeine Poſtillen Reuterey und um die weiten Ermel am Pfaffen-Rocke bekuͤmmern, andere ehrliche Leute in ihrer Nahrung aber ungehudelt laſ- ſen. Da ich nun bald merckte, wohin der erboſte Mann zielte, und was er vor einen wunderlichen Argwohn auf meine Unſchuld gelegt haͤtte, eroͤffne- te ihm das Verſtaͤndniß, mit treuhertziger Erzeh- lung meiner neulichen Verdrießlichkeiten, und erhielt endlich mit groſſer Muͤhe von ihm, was ich ſo eifrig ſuchte. Es iſt aber hierbey zu mercken, daß, wie ich nach- hero erfahren, dieſer Buchdrucker jederzeit vor ei- nen beſonders frommen Mann gehalten ſeyn, und dem Scheine nach, allen heiligen die Fuͤſſe abbeiſ- ſen wollen, wie er ſich dann auch uͤberall geruͤhmet, er lieſſe ſeine Schrifften durchaus zu keinen aͤrgerli- chen Sachen gebrauchen, und wenn er vor ieden Bogen 1000. Thlr. zu verdienen wuͤßte, in der That aber war er ein Ertz-Heuchler, der, wie man nachhero erfahren, die allerliederlichſten Sachen von

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/342>, abgerufen am 23.11.2024.