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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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stichon fast in allen Evangelischen Häusern kund-
bar, jedoch die Herren Jesuiter, stelleten sich an, als
ob sie diesen Streich entweder nicht wüßten, oder
nichts achteten, derowegen fing ich nach Verfluß ei-
nes gantzen Monats zuglauben an: Meine Furcht
und gebrauchte Vorsicht, nicht etwa ein Schlacht-
Opfer ihres Eiffers zu werden, sey gantz und gar
vergebens. Allein daß nicht alle schlafen, welche
die Augen zuthun, und daß die stillen Wasser gefähr-
lich und tief sind, mußte ich damahls zu meinem ziem-
lichen Unglück erfahren. Denn da ich eines Abends
vor der Haus-Thür stund, kam ein grün gekleideter
Laquey und bat mich, ihn zu berichten, in welchem
Hause der Gymnasiaste Schmeltzer anzutreffen;
nachdem ihn nun vergewissert, daß ich selbsten der-
jenige sey, welchen er suchte, sprach er mit sehr freund-
lichen Geberden, ich solte so gut seyn und ihm in ein
gewisses Haus, welches er mir nennete, folgen, wei-
len daselbst zwey fremde Cavalier, meine, ihnen so
sehr gerühmte Singe-Stimme, bey einer doucen
Abend-Musique zu hören verlangten, meine Mühe
aber reichlich belohnen wolten. Allein, setzte er hin-
zu, ich dürffte mich nicht säumen, weil sie und die
Musicanten selbst, mit Schmertzen darauf warteten.
Zu meinem Unglück war mein Principal, nebst sei-
ner Familie, bey einem vornehmen Freunde zu Ga-
ste, und weil ich über 2. oder 3. Stunden nicht aus-
zubleiben vermeinete, sagte ich dem Haus-Gesinde,
gewisser Ursachen wegen, nicht wo ich hin wolte, son-
dern hohlete nur eiligst einige Musicalien von meiner
Stube, mit welchen ich dann, ohne eintziges Nach-
dencken, dem, unten vor der Thür auf mich warten-

den

ſtichon faſt in allen Evangeliſchen Haͤuſern kund-
bar, jedoch die Herren Jeſuiter, ſtelleten ſich an, als
ob ſie dieſen Streich entweder nicht wuͤßten, oder
nichts achteten, derowegen fing ich nach Verfluß ei-
nes gantzen Monats zuglauben an: Meine Furcht
und gebrauchte Vorſicht, nicht etwa ein Schlacht-
Opfer ihres Eiffers zu werden, ſey gantz und gar
vergebens. Allein daß nicht alle ſchlafen, welche
die Augen zuthun, und daß die ſtillen Waſſer gefaͤhr-
lich und tief ſind, mußte ich damahls zu meinem ziem-
lichen Ungluͤck erfahren. Denn da ich eines Abends
vor der Haus-Thuͤr ſtund, kam ein gruͤn gekleideter
Laquey und bat mich, ihn zu berichten, in welchem
Hauſe der Gymnaſiaſte Schmeltzer anzutreffen;
nachdem ihn nun vergewiſſert, daß ich ſelbſten der-
jenige ſey, welchen er ſuchte, ſprach er mit ſehr freund-
lichen Geberden, ich ſolte ſo gut ſeyn und ihm in ein
gewiſſes Haus, welches er mir nennete, folgen, wei-
len daſelbſt zwey fremde Cavalier, meine, ihnen ſo
ſehr geruͤhmte Singe-Stimme, bey einer douçen
Abend-Muſique zu hoͤren verlangten, meine Muͤhe
aber reichlich belohnen wolten. Allein, ſetzte er hin-
zu, ich duͤrffte mich nicht ſaͤumen, weil ſie und die
Muſicanten ſelbſt, mit Schmertzen darauf warteten.
Zu meinem Ungluͤck war mein Principal, nebſt ſei-
ner Familie, bey einem vornehmen Freunde zu Ga-
ſte, und weil ich uͤber 2. oder 3. Stunden nicht aus-
zubleiben vermeinete, ſagte ich dem Haus-Geſinde,
gewiſſer Urſachen wegen, nicht wo ich hin wolte, ſon-
dern hohlete nur eiligſt einige Muſicalien von meiner
Stube, mit welchen ich dann, ohne eintziges Nach-
dencken, dem, unten vor der Thuͤr auf mich warten-

den
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[16/0030] ſtichon faſt in allen Evangeliſchen Haͤuſern kund- bar, jedoch die Herren Jeſuiter, ſtelleten ſich an, als ob ſie dieſen Streich entweder nicht wuͤßten, oder nichts achteten, derowegen fing ich nach Verfluß ei- nes gantzen Monats zuglauben an: Meine Furcht und gebrauchte Vorſicht, nicht etwa ein Schlacht- Opfer ihres Eiffers zu werden, ſey gantz und gar vergebens. Allein daß nicht alle ſchlafen, welche die Augen zuthun, und daß die ſtillen Waſſer gefaͤhr- lich und tief ſind, mußte ich damahls zu meinem ziem- lichen Ungluͤck erfahren. Denn da ich eines Abends vor der Haus-Thuͤr ſtund, kam ein gruͤn gekleideter Laquey und bat mich, ihn zu berichten, in welchem Hauſe der Gymnaſiaſte Schmeltzer anzutreffen; nachdem ihn nun vergewiſſert, daß ich ſelbſten der- jenige ſey, welchen er ſuchte, ſprach er mit ſehr freund- lichen Geberden, ich ſolte ſo gut ſeyn und ihm in ein gewiſſes Haus, welches er mir nennete, folgen, wei- len daſelbſt zwey fremde Cavalier, meine, ihnen ſo ſehr geruͤhmte Singe-Stimme, bey einer douçen Abend-Muſique zu hoͤren verlangten, meine Muͤhe aber reichlich belohnen wolten. Allein, ſetzte er hin- zu, ich duͤrffte mich nicht ſaͤumen, weil ſie und die Muſicanten ſelbſt, mit Schmertzen darauf warteten. Zu meinem Ungluͤck war mein Principal, nebſt ſei- ner Familie, bey einem vornehmen Freunde zu Ga- ſte, und weil ich uͤber 2. oder 3. Stunden nicht aus- zubleiben vermeinete, ſagte ich dem Haus-Geſinde, gewiſſer Urſachen wegen, nicht wo ich hin wolte, ſon- dern hohlete nur eiligſt einige Muſicalien von meiner Stube, mit welchen ich dann, ohne eintziges Nach- dencken, dem, unten vor der Thuͤr auf mich warten- den

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/30>, abgerufen am 19.04.2024.