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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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seine Freyheit erhalten hätte, welches vielleicht in
wenig Wochen geschehen könte, indem seine Affai-
ren nicht so gefährlich stünden als man wohl ver-
meinete, mir mein Verlust gedoppelt ersetzt werden
solte. Allein ich konte nach der Zeit keinen Heller
mehr erhalten, ohngeacht ich binnen 3. Jahren mehr
als 40. Briefe an diese Dame abschickte. Vor-
erwehntem guten Freunde übermachte ich die von
ihm geborgten 30. Thlr. redlich wieder, erhielt von
demselben eine sehr verbindliche Dancksagungs-
Schrifft, nebst der Nachricht, daß von meinem
Herrn sehr klägliche Gespräche roulirten, denn sel-
biger wäre auf ein anderes Schloß in weit strengere
Verwahrung gebracht, welches gar keine gute An-
zeigung sey, ich aber hätte zu meinem größten Glü-
cke das beste Theil erwehlet, und möchte mich ja
hüten, den vor mich gefährlichen Boden wiederum
zu betreten.

Wenige Wochen hernach hat mich geträumet,
daß meinem guten Herrn der Kopf abgeschlagen
sey, ob es würcklich also geschehen, kan ich nicht sagen,
iedoch es ging mir auch dieses geträumte Trauer-
Spectacul dermassen nahe, daß ich um selbige Ge-
gend, zumahl da ich weder von meinem guten Freun-
de, noch von meines Herrn Anverwandten einige
Antwort erhalten konte, nicht länger zu bleiben wuß-
te, sondern die Reise nach einer berühmten Hansee-
Stadt antrat. Daselbst sahe ich mich, wegen ziem-
lich zerschmoltzenen Geldes genöthiget, Condition
bey einem sehr berühmten Chirurgo zu acceptiren,
der aber nunmehro auch sehr alt und stumpf zu wer-
den begunnte, dahero sich in allen Stücken auf mich

verließ

ſeine Freyheit erhalten haͤtte, welches vielleicht in
wenig Wochen geſchehen koͤnte, indem ſeine Affai-
ren nicht ſo gefaͤhrlich ſtuͤnden als man wohl ver-
meinete, mir mein Verluſt gedoppelt erſetzt werden
ſolte. Allein ich konte nach der Zeit keinen Heller
mehr erhalten, ohngeacht ich binnen 3. Jahren mehr
als 40. Briefe an dieſe Dame abſchickte. Vor-
erwehntem guten Freunde uͤbermachte ich die von
ihm geborgten 30. Thlr. redlich wieder, erhielt von
demſelben eine ſehr verbindliche Danckſagungs-
Schrifft, nebſt der Nachricht, daß von meinem
Herrn ſehr klaͤgliche Geſpraͤche roulirten, denn ſel-
biger waͤre auf ein anderes Schloß in weit ſtrengere
Verwahrung gebracht, welches gar keine gute An-
zeigung ſey, ich aber haͤtte zu meinem groͤßten Gluͤ-
cke das beſte Theil erwehlet, und moͤchte mich ja
huͤten, den vor mich gefaͤhrlichen Boden wiederum
zu betreten.

Wenige Wochen hernach hat mich getraͤumet,
daß meinem guten Herrn der Kopf abgeſchlagen
ſey, ob es wuͤrcklich alſo geſchehen, kan ich nicht ſagen,
iedoch es ging mir auch dieſes getraͤumte Trauer-
Spectacul dermaſſen nahe, daß ich um ſelbige Ge-
gend, zumahl da ich weder von meinem guten Freun-
de, noch von meines Herrn Anverwandten einige
Antwort erhalten konte, nicht laͤnger zu bleiben wuß-
te, ſondern die Reiſe nach einer beruͤhmten Hanſee-
Stadt antrat. Daſelbſt ſahe ich mich, wegen ziem-
lich zerſchmoltzenen Geldes genoͤthiget, Condition
bey einem ſehr beruͤhmten Chirurgo zu acceptiren,
der aber nunmehro auch ſehr alt und ſtumpf zu wer-
den begunnte, dahero ſich in allen Stuͤcken auf mich

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[232/0246] ſeine Freyheit erhalten haͤtte, welches vielleicht in wenig Wochen geſchehen koͤnte, indem ſeine Affai- ren nicht ſo gefaͤhrlich ſtuͤnden als man wohl ver- meinete, mir mein Verluſt gedoppelt erſetzt werden ſolte. Allein ich konte nach der Zeit keinen Heller mehr erhalten, ohngeacht ich binnen 3. Jahren mehr als 40. Briefe an dieſe Dame abſchickte. Vor- erwehntem guten Freunde uͤbermachte ich die von ihm geborgten 30. Thlr. redlich wieder, erhielt von demſelben eine ſehr verbindliche Danckſagungs- Schrifft, nebſt der Nachricht, daß von meinem Herrn ſehr klaͤgliche Geſpraͤche roulirten, denn ſel- biger waͤre auf ein anderes Schloß in weit ſtrengere Verwahrung gebracht, welches gar keine gute An- zeigung ſey, ich aber haͤtte zu meinem groͤßten Gluͤ- cke das beſte Theil erwehlet, und moͤchte mich ja huͤten, den vor mich gefaͤhrlichen Boden wiederum zu betreten. Wenige Wochen hernach hat mich getraͤumet, daß meinem guten Herrn der Kopf abgeſchlagen ſey, ob es wuͤrcklich alſo geſchehen, kan ich nicht ſagen, iedoch es ging mir auch dieſes getraͤumte Trauer- Spectacul dermaſſen nahe, daß ich um ſelbige Ge- gend, zumahl da ich weder von meinem guten Freun- de, noch von meines Herrn Anverwandten einige Antwort erhalten konte, nicht laͤnger zu bleiben wuß- te, ſondern die Reiſe nach einer beruͤhmten Hanſee- Stadt antrat. Daſelbſt ſahe ich mich, wegen ziem- lich zerſchmoltzenen Geldes genoͤthiget, Condition bey einem ſehr beruͤhmten Chirurgo zu acceptiren, der aber nunmehro auch ſehr alt und ſtumpf zu wer- den begunnte, dahero ſich in allen Stuͤcken auf mich verließ

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/246>, abgerufen am 04.05.2024.