Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

tion, mich unter andern eingebildeten Gelehrten,
ebenfalls etwas breit zu machen, und weil die douce
Praxis,
immermehr Geld einbrachte, fing ich an,
ein und anderm Schmause beyzuwohnen, selbsten
dergleichen auszurichten, und mir vor allen Dingen,
etwas Liebes anzuschaffen, denn zur selbigen Zeit
konte niemand vor einen galanten Purschen passi-
ren, der nicht zum wenigsten eine Spaß-Courtoisie
mit einem oder andern Frauen-Zimmer unterhielt.
So bald ich mir also nur ein roth Kleid geschafft,
und auch in anderer Aufführung einigen Etat bli-
cken lassen, zeigten sich alsobald ein paar Sirenen
von nicht geringem Stande, welche meiner Mey-
nung nach, ihre charmanten Blicke und Minen
nur darum gegen meine Person spieleten, daß sie
einen so galanten Herrn, der aufs längste binnen
anderthalb Jahren den Doctor-Hut auf dem
Schädel haben müsse, ja fein bey Zeiten zur Gegen-
Liebe bewegen möchten, um mit der Zeit sein Hertz
zu erbeuten, und durch ihn Frau Doctorin genennet
zu werden. Etwas verzweifeltes war es, daß ich
so wohl als andere Leute, die um mein Wesen Be-
scheid wußten, in der Persuasion stund, mein Vor-
mund müsse mir wenigstens noch 8. bis 900. Thlr.
baar Geld auszahlen, denn ich glaube, blos dieses
war genug, mir den Zutritt bey vielen Frauen-
zimmer von Condition zu verschaffen, allein ich
ging doch in diesem Stück noch ziemlich behutsam,
und nahm mich sehr genau in acht, nicht etwa un-
besonnener weise einzuplumpen, und meine Frey-
heit einer zukünfftigen vielleicht allzuspäten Reue
aufzuopfern, zumahlen da die tägliche Erfahrung

lehret,
n 5

tion, mich unter andern eingebildeten Gelehrten,
ebenfalls etwas breit zu machen, und weil die douce
Praxis,
immermehr Geld einbrachte, fing ich an,
ein und anderm Schmauſe beyzuwohnen, ſelbſten
dergleichen auszurichten, und mir vor allen Dingen,
etwas Liebes anzuſchaffen, denn zur ſelbigen Zeit
konte niemand vor einen galanten Purſchen paſſi-
ren, der nicht zum wenigſten eine Spaß-Courtoiſie
mit einem oder andern Frauen-Zimmer unterhielt.
So bald ich mir alſo nur ein roth Kleid geſchafft,
und auch in anderer Auffuͤhrung einigen Etât bli-
cken laſſen, zeigten ſich alſobald ein paar Sirenen
von nicht geringem Stande, welche meiner Mey-
nung nach, ihre charmanten Blicke und Minen
nur darum gegen meine Perſon ſpieleten, daß ſie
einen ſo galanten Herrn, der aufs laͤngſte binnen
anderthalb Jahren den Doctor-Hut auf dem
Schaͤdel haben muͤſſe, ja fein bey Zeiten zur Gegen-
Liebe bewegen moͤchten, um mit der Zeit ſein Hertz
zu erbeuten, und durch ihn Frau Doctorin genennet
zu werden. Etwas verzweifeltes war es, daß ich
ſo wohl als andere Leute, die um mein Weſen Be-
ſcheid wußten, in der Perſuaſion ſtund, mein Vor-
mund muͤſſe mir wenigſtens noch 8. bis 900. Thlr.
baar Geld auszahlen, denn ich glaube, blos dieſes
war genug, mir den Zutritt bey vielen Frauen-
zimmer von Condition zu verſchaffen, allein ich
ging doch in dieſem Stuͤck noch ziemlich behutſam,
und nahm mich ſehr genau in acht, nicht etwa un-
beſonnener weiſe einzuplumpen, und meine Frey-
heit einer zukuͤnfftigen vielleicht allzuſpaͤten Reue
aufzuopfern, zumahlen da die taͤgliche Erfahrung

lehret,
n 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0215" n="201"/><hi rendition="#aq">tion,</hi> mich unter andern eingebildeten Gelehrten,<lb/>
ebenfalls etwas breit zu machen, und weil die <hi rendition="#aq">douce<lb/>
Praxis,</hi> immermehr Geld einbrachte, fing ich an,<lb/>
ein und anderm Schmau&#x017F;e beyzuwohnen, &#x017F;elb&#x017F;ten<lb/>
dergleichen auszurichten, und mir vor allen Dingen,<lb/>
etwas Liebes anzu&#x017F;chaffen, denn zur &#x017F;elbigen Zeit<lb/>
konte niemand vor einen <hi rendition="#aq">galant</hi>en Pur&#x017F;chen <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;i-</hi><lb/>
ren, der nicht zum wenig&#x017F;ten eine Spaß-<hi rendition="#aq">Courtoi&#x017F;ie</hi><lb/>
mit einem oder andern Frauen-Zimmer unterhielt.<lb/>
So bald ich mir al&#x017F;o nur ein roth Kleid ge&#x017F;chafft,<lb/>
und auch in anderer Auffu&#x0364;hrung einigen <hi rendition="#aq">Etât</hi> bli-<lb/>
cken la&#x017F;&#x017F;en, zeigten &#x017F;ich al&#x017F;obald ein paar <hi rendition="#aq">Sire</hi>nen<lb/>
von nicht geringem Stande, welche meiner Mey-<lb/>
nung nach, ihre <hi rendition="#aq">charmant</hi>en Blicke und Minen<lb/>
nur darum gegen meine Per&#x017F;on &#x017F;pieleten, daß &#x017F;ie<lb/>
einen &#x017F;o <hi rendition="#aq">galant</hi>en Herrn, der aufs la&#x0364;ng&#x017F;te binnen<lb/>
anderthalb Jahren den <hi rendition="#aq">Doctor-</hi>Hut auf dem<lb/>
Scha&#x0364;del haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, ja fein bey Zeiten zur Gegen-<lb/>
Liebe bewegen mo&#x0364;chten, um mit der Zeit &#x017F;ein Hertz<lb/>
zu erbeuten, und durch ihn Frau <hi rendition="#aq">Doctorin</hi> genennet<lb/>
zu werden. Etwas verzweifeltes war es, daß ich<lb/>
&#x017F;o wohl als andere Leute, die um mein We&#x017F;en Be-<lb/>
&#x017F;cheid wußten, in der <hi rendition="#aq">Per&#x017F;ua&#x017F;ion</hi> &#x017F;tund, mein Vor-<lb/>
mund mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e mir wenig&#x017F;tens noch 8. bis 900. Thlr.<lb/>
baar Geld auszahlen, denn ich glaube, blos die&#x017F;es<lb/>
war genug, mir den Zutritt bey vielen Frauen-<lb/>
zimmer von <hi rendition="#aq">Condition</hi> zu ver&#x017F;chaffen, allein ich<lb/>
ging doch in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck noch ziemlich behut&#x017F;am,<lb/>
und nahm mich &#x017F;ehr genau in acht, nicht etwa un-<lb/>
be&#x017F;onnener wei&#x017F;e einzuplumpen, und meine Frey-<lb/>
heit einer zuku&#x0364;nfftigen vielleicht allzu&#x017F;pa&#x0364;ten Reue<lb/>
aufzuopfern, zumahlen da die ta&#x0364;gliche Erfahrung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">n 5</fw><fw place="bottom" type="catch">lehret,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0215] tion, mich unter andern eingebildeten Gelehrten, ebenfalls etwas breit zu machen, und weil die douce Praxis, immermehr Geld einbrachte, fing ich an, ein und anderm Schmauſe beyzuwohnen, ſelbſten dergleichen auszurichten, und mir vor allen Dingen, etwas Liebes anzuſchaffen, denn zur ſelbigen Zeit konte niemand vor einen galanten Purſchen paſſi- ren, der nicht zum wenigſten eine Spaß-Courtoiſie mit einem oder andern Frauen-Zimmer unterhielt. So bald ich mir alſo nur ein roth Kleid geſchafft, und auch in anderer Auffuͤhrung einigen Etât bli- cken laſſen, zeigten ſich alſobald ein paar Sirenen von nicht geringem Stande, welche meiner Mey- nung nach, ihre charmanten Blicke und Minen nur darum gegen meine Perſon ſpieleten, daß ſie einen ſo galanten Herrn, der aufs laͤngſte binnen anderthalb Jahren den Doctor-Hut auf dem Schaͤdel haben muͤſſe, ja fein bey Zeiten zur Gegen- Liebe bewegen moͤchten, um mit der Zeit ſein Hertz zu erbeuten, und durch ihn Frau Doctorin genennet zu werden. Etwas verzweifeltes war es, daß ich ſo wohl als andere Leute, die um mein Weſen Be- ſcheid wußten, in der Perſuaſion ſtund, mein Vor- mund muͤſſe mir wenigſtens noch 8. bis 900. Thlr. baar Geld auszahlen, denn ich glaube, blos dieſes war genug, mir den Zutritt bey vielen Frauen- zimmer von Condition zu verſchaffen, allein ich ging doch in dieſem Stuͤck noch ziemlich behutſam, und nahm mich ſehr genau in acht, nicht etwa un- beſonnener weiſe einzuplumpen, und meine Frey- heit einer zukuͤnfftigen vielleicht allzuſpaͤten Reue aufzuopfern, zumahlen da die taͤgliche Erfahrung lehret, n 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/215
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/215>, abgerufen am 04.05.2024.