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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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anzunehmen, schien bey GOtt und Menschen un-
verantwortlich, einen Process aber gegen meine da-
sigen Bluts-Freunde zu formiren, war gantz und
gar nicht rathsam, sondern in Betrachtung meiner
wenigen Mittel, allzu gefährlich. Derowegen
nahm ich meine eintzige Zuflucht zur Groß-Mutter,
und verhoffte, dieselbe folte durch ihre Autorität
meine Sachen auf guten Fuß setzen, allein selbige
stund selbst gar auf schwachen Füssen, denn die gute
Alte war fast ein Spott ihrer bösen Kinder und Kin-
des-Kinder, ihr Vermögen hatte sie bis auf wenige
zurück behaltene Gold-Stücken und Juwelen, schon
vor etlichen Jahren unter dieselben vertheilet, mußte
also meistentheils deren Gnade leben, über dieses
war sie sehr eifrig Catholisch, und sagte mir aus-
drücklich: Wie sie mich ebenfalls nicht mit rechten
guten Gewissen vor ihren Enckel erkennen und sich
meiner annehmen könte, so lange ich mich in meinem
irrigen ketzerischen Glauben befände. Jedoch war
sie endlich so mitleidig mir 30. Stück spec. Ducaten,
nebst einem ziemlich kostbaren Diamant-Ringe und
silbernen Degen zu verehren, meldete mir anbey
denjenigen Fürstl. Sächsischen Hof, allwo meines
Vaters leiblicher Vater, vor vielen Jahren in
Diensten gestanden, rieth mir anbey dahin zu reisen
und zu versuchen, ob noch etwas von meinem väter-
lichen Erbtheile zu erhalten sey, mittlerweile hätte
auch Zeit und Gelegenheit zu überlegen, ob ich den
Vorschlägen meiner mütterlichen Anverwandten
Folge leisten, und mir ihr Anerbieten zu Nutz ma-
chen wolte, solchergestalt ich denn mit ehesten zurück
kommen und sie allerseits gedoppelt erfreuen könte.

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anzunehmen, ſchien bey GOtt und Menſchen un-
verantwortlich, einen Proceſſ aber gegen meine da-
ſigen Bluts-Freunde zu formiren, war gantz und
gar nicht rathſam, ſondern in Betrachtung meiner
wenigen Mittel, allzu gefaͤhrlich. Derowegen
nahm ich meine eintzige Zuflucht zur Groß-Mutter,
und verhoffte, dieſelbe folte durch ihre Autoritaͤt
meine Sachen auf guten Fuß ſetzen, allein ſelbige
ſtund ſelbſt gar auf ſchwachen Fuͤſſen, denn die gute
Alte war faſt ein Spott ihrer boͤſen Kinder und Kin-
des-Kinder, ihr Vermoͤgen hatte ſie bis auf wenige
zuruͤck behaltene Gold-Stuͤcken und Juwelen, ſchon
vor etlichen Jahren unter dieſelben vertheilet, mußte
alſo meiſtentheils deren Gnade leben, uͤber dieſes
war ſie ſehr eifrig Catholiſch, und ſagte mir aus-
druͤcklich: Wie ſie mich ebenfalls nicht mit rechten
guten Gewiſſen vor ihren Enckel erkennen und ſich
meiner annehmen koͤnte, ſo lange ich mich in meinem
irrigen ketzeriſchen Glauben befaͤnde. Jedoch war
ſie endlich ſo mitleidig mir 30. Stuͤck ſpec. Ducaten,
nebſt einem ziemlich koſtbaren Diamant-Ringe und
ſilbernen Degen zu verehren, meldete mir anbey
denjenigen Fuͤrſtl. Saͤchſiſchen Hof, allwo meines
Vaters leiblicher Vater, vor vielen Jahren in
Dienſten geſtanden, rieth mir anbey dahin zu reiſen
und zu verſuchen, ob noch etwas von meinem vaͤter-
lichen Erbtheile zu erhalten ſey, mittlerweile haͤtte
auch Zeit und Gelegenheit zu uͤberlegen, ob ich den
Vorſchlaͤgen meiner muͤtterlichen Anverwandten
Folge leiſten, und mir ihr Anerbieten zu Nutz ma-
chen wolte, ſolchergeſtalt ich denn mit eheſten zuruͤck
kommen und ſie allerſeits gedoppelt erfreuen koͤnte.

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[119/0133] anzunehmen, ſchien bey GOtt und Menſchen un- verantwortlich, einen Proceſſ aber gegen meine da- ſigen Bluts-Freunde zu formiren, war gantz und gar nicht rathſam, ſondern in Betrachtung meiner wenigen Mittel, allzu gefaͤhrlich. Derowegen nahm ich meine eintzige Zuflucht zur Groß-Mutter, und verhoffte, dieſelbe folte durch ihre Autoritaͤt meine Sachen auf guten Fuß ſetzen, allein ſelbige ſtund ſelbſt gar auf ſchwachen Fuͤſſen, denn die gute Alte war faſt ein Spott ihrer boͤſen Kinder und Kin- des-Kinder, ihr Vermoͤgen hatte ſie bis auf wenige zuruͤck behaltene Gold-Stuͤcken und Juwelen, ſchon vor etlichen Jahren unter dieſelben vertheilet, mußte alſo meiſtentheils deren Gnade leben, uͤber dieſes war ſie ſehr eifrig Catholiſch, und ſagte mir aus- druͤcklich: Wie ſie mich ebenfalls nicht mit rechten guten Gewiſſen vor ihren Enckel erkennen und ſich meiner annehmen koͤnte, ſo lange ich mich in meinem irrigen ketzeriſchen Glauben befaͤnde. Jedoch war ſie endlich ſo mitleidig mir 30. Stuͤck ſpec. Ducaten, nebſt einem ziemlich koſtbaren Diamant-Ringe und ſilbernen Degen zu verehren, meldete mir anbey denjenigen Fuͤrſtl. Saͤchſiſchen Hof, allwo meines Vaters leiblicher Vater, vor vielen Jahren in Dienſten geſtanden, rieth mir anbey dahin zu reiſen und zu verſuchen, ob noch etwas von meinem vaͤter- lichen Erbtheile zu erhalten ſey, mittlerweile haͤtte auch Zeit und Gelegenheit zu uͤberlegen, ob ich den Vorſchlaͤgen meiner muͤtterlichen Anverwandten Folge leiſten, und mir ihr Anerbieten zu Nutz ma- chen wolte, ſolchergeſtalt ich denn mit eheſten zuruͤck kommen und ſie allerſeits gedoppelt erfreuen koͤnte. Jch h 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/133>, abgerufen am 27.04.2024.