Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die preußischen Aufnahmen.
so leicht ändernden Bedürfnissen; -- sondern nux in der
größern Zahl Maurer, Tischler, Drechsler; d. h. man
baut 1831 wieder mehr, man richtet die Wohnungen
besser ein, aber man ißt, man kleidet und beschuht sich
auf alte Weise.

Man mag allerdings daran erinnern, daß dieselbe
Meisterzahl nicht nothwendig dieselbe Technik, denselben
Wohlstand, dieselbe Gesellen- und Lehrlingszahl andeutet.
Aber sehr viel hat sich darin gerade bis 1831 nicht
geändert; was die Gehülfenzahl betrifft, so führe ich
als Beweis dafür an, daß die Meister- und Gehülfen-
zahl von 1819 bis 1828 sich in ziemlich gleicher Pro-
portion ändert; 1 gerade die Gewerbefreiheit mußte dahin
wirken, daß zunächst die Tendenz zur Bildung größerer
Geschäfte mit mehr Gehülfen eher etwas aufgehalten
wurde.

Freilich ist bei dieser Vergleichung nur auf den
Anfang und das Ende der Periode gesehen, auf die Zeit
von 1795/1803 und auf die von 1831. Dazwischen
hat der Handwerkerstand wohl stärker geschwankt. Im
Jahre 1811 waren in Preußen noch 286000 Gewerbe-
patente ertheilt worden; diese Zahl sinkt bis 1814 auf
242700, ist also in diesem Jahre um 151/2 % niedriger;
dann steigt die jährliche Zahl wieder; im Jahre 1820

1 Nach den Zahlen bei Ferber, Beiträge zur Kenntniß
der gewerblichen und kommerziellen Zustände der preußischen
Monarchie. Aus amtlichen Quellen. Berlin, Trautwein 1829.
Tabelle zu S. 329. Neue Beiträge S. 160.

Die preußiſchen Aufnahmen.
ſo leicht ändernden Bedürfniſſen; — ſondern nux in der
größern Zahl Maurer, Tiſchler, Drechsler; d. h. man
baut 1831 wieder mehr, man richtet die Wohnungen
beſſer ein, aber man ißt, man kleidet und beſchuht ſich
auf alte Weiſe.

Man mag allerdings daran erinnern, daß dieſelbe
Meiſterzahl nicht nothwendig dieſelbe Technik, denſelben
Wohlſtand, dieſelbe Geſellen- und Lehrlingszahl andeutet.
Aber ſehr viel hat ſich darin gerade bis 1831 nicht
geändert; was die Gehülfenzahl betrifft, ſo führe ich
als Beweis dafür an, daß die Meiſter- und Gehülfen-
zahl von 1819 bis 1828 ſich in ziemlich gleicher Pro-
portion ändert; 1 gerade die Gewerbefreiheit mußte dahin
wirken, daß zunächſt die Tendenz zur Bildung größerer
Geſchäfte mit mehr Gehülfen eher etwas aufgehalten
wurde.

Freilich iſt bei dieſer Vergleichung nur auf den
Anfang und das Ende der Periode geſehen, auf die Zeit
von 1795/1803 und auf die von 1831. Dazwiſchen
hat der Handwerkerſtand wohl ſtärker geſchwankt. Im
Jahre 1811 waren in Preußen noch 286000 Gewerbe-
patente ertheilt worden; dieſe Zahl ſinkt bis 1814 auf
242700, iſt alſo in dieſem Jahre um 15½ % niedriger;
dann ſteigt die jährliche Zahl wieder; im Jahre 1820

1 Nach den Zahlen bei Ferber, Beiträge zur Kenntniß
der gewerblichen und kommerziellen Zuſtände der preußiſchen
Monarchie. Aus amtlichen Quellen. Berlin, Trautwein 1829.
Tabelle zu S. 329. Neue Beiträge S. 160.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="56"/><fw place="top" type="header">Die preußi&#x017F;chen Aufnahmen.</fw><lb/>
&#x017F;o leicht ändernden Bedürfni&#x017F;&#x017F;en; &#x2014; &#x017F;ondern nux in der<lb/>
größern Zahl Maurer, Ti&#x017F;chler, Drechsler; d. h. man<lb/>
baut 1831 wieder mehr, man richtet die Wohnungen<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er ein, aber man ißt, man kleidet und be&#x017F;chuht &#x017F;ich<lb/>
auf alte Wei&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Man mag allerdings daran erinnern, daß die&#x017F;elbe<lb/>
Mei&#x017F;terzahl nicht nothwendig die&#x017F;elbe Technik, den&#x017F;elben<lb/>
Wohl&#x017F;tand, die&#x017F;elbe Ge&#x017F;ellen- und Lehrlingszahl andeutet.<lb/>
Aber &#x017F;ehr viel hat &#x017F;ich darin gerade bis 1831 nicht<lb/>
geändert; was die Gehülfenzahl betrifft, &#x017F;o führe ich<lb/>
als Beweis dafür an, daß die Mei&#x017F;ter- und Gehülfen-<lb/>
zahl von 1819 bis 1828 &#x017F;ich in ziemlich gleicher Pro-<lb/>
portion ändert; <note place="foot" n="1">Nach den Zahlen bei Ferber, Beiträge zur Kenntniß<lb/>
der gewerblichen und kommerziellen Zu&#x017F;tände der preußi&#x017F;chen<lb/>
Monarchie. Aus amtlichen Quellen. Berlin, Trautwein 1829.<lb/>
Tabelle zu S. 329. Neue Beiträge S. 160.</note> gerade die Gewerbefreiheit mußte dahin<lb/>
wirken, daß zunäch&#x017F;t die Tendenz zur Bildung größerer<lb/>
Ge&#x017F;chäfte mit mehr Gehülfen eher etwas aufgehalten<lb/>
wurde.</p><lb/>
          <p>Freilich i&#x017F;t bei die&#x017F;er Vergleichung nur auf den<lb/>
Anfang und das Ende der Periode ge&#x017F;ehen, auf die Zeit<lb/>
von 1795/1803 und auf die von 1831. Dazwi&#x017F;chen<lb/>
hat der Handwerker&#x017F;tand wohl &#x017F;tärker ge&#x017F;chwankt. Im<lb/>
Jahre 1811 waren in Preußen noch 286000 Gewerbe-<lb/>
patente ertheilt worden; die&#x017F;e Zahl &#x017F;inkt bis 1814 auf<lb/>
242700, i&#x017F;t al&#x017F;o in die&#x017F;em Jahre um 15½ % niedriger;<lb/>
dann &#x017F;teigt die jährliche Zahl wieder; im Jahre 1820<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0078] Die preußiſchen Aufnahmen. ſo leicht ändernden Bedürfniſſen; — ſondern nux in der größern Zahl Maurer, Tiſchler, Drechsler; d. h. man baut 1831 wieder mehr, man richtet die Wohnungen beſſer ein, aber man ißt, man kleidet und beſchuht ſich auf alte Weiſe. Man mag allerdings daran erinnern, daß dieſelbe Meiſterzahl nicht nothwendig dieſelbe Technik, denſelben Wohlſtand, dieſelbe Geſellen- und Lehrlingszahl andeutet. Aber ſehr viel hat ſich darin gerade bis 1831 nicht geändert; was die Gehülfenzahl betrifft, ſo führe ich als Beweis dafür an, daß die Meiſter- und Gehülfen- zahl von 1819 bis 1828 ſich in ziemlich gleicher Pro- portion ändert; 1 gerade die Gewerbefreiheit mußte dahin wirken, daß zunächſt die Tendenz zur Bildung größerer Geſchäfte mit mehr Gehülfen eher etwas aufgehalten wurde. Freilich iſt bei dieſer Vergleichung nur auf den Anfang und das Ende der Periode geſehen, auf die Zeit von 1795/1803 und auf die von 1831. Dazwiſchen hat der Handwerkerſtand wohl ſtärker geſchwankt. Im Jahre 1811 waren in Preußen noch 286000 Gewerbe- patente ertheilt worden; dieſe Zahl ſinkt bis 1814 auf 242700, iſt alſo in dieſem Jahre um 15½ % niedriger; dann ſteigt die jährliche Zahl wieder; im Jahre 1820 1 Nach den Zahlen bei Ferber, Beiträge zur Kenntniß der gewerblichen und kommerziellen Zuſtände der preußiſchen Monarchie. Aus amtlichen Quellen. Berlin, Trautwein 1829. Tabelle zu S. 329. Neue Beiträge S. 160.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/78
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/78>, abgerufen am 04.05.2024.