weberei für einfache Sorten nur unter besondern Verhält- nissen noch erhalten; z. B. da, wo die Männer an Tritt- und Jacquardstühlen arbeiten, Frau und Kinder da- neben an ein oder zwei gewöhnlichen Stühlen, die so viel weniger Kraft erfordern, oder wo die Weberei zur bloßen Nebenbeschäftigung geworden ist. "Viele, in einigen Gegenden die meisten Weber" -- sagt Jakobi1 von Niederschlesien -- "haben vom Frühjahr bis Herbst mancherlei in eigener Garten- und Feldwirthschaft zu thun, oder sind selbst als Maurer, Zimmerleute, Eisen- bahnarbeiter, Feldarbeiter, Holzhauer außer dem Hause beschäftigt und betreiben daher in Sommerszeiten die Weberei nur bei ungünstiger Witterung, oder beim Fehlen von sonstiger Arbeit."
Abgesehen von solchen Verhältnissen, kann sich die Handarbeit und damit die Hausindustrie auf die Dauer nur für ganz feine und gemusterte Artikel halten. Ein rascher entschlossener Uebergang zum Fabriksystem kann nur erwünscht sein. Zeitweise und lokal nimmt die Noth der Handweber dadurch nochmals zu.2 Aber im Ganzen trifft die Maschinenkonkurrenz den Handweber jetzt nicht so schwer, weil die Löhne fast überall steigen. Das Verschwinden der Hausindustrie, welche beseitigt wird, ist nicht zu beklagen; es verschwindet eine ärm- liche, schlecht bezahlte Art der Beschäftigung, es ver- schwinden korrupte, betrügerische Geschäftsverhältnisse.
1 Zeitschrift des preuß. stat. Bureaus VIII, 328.
2 Jahrbuch für die amtl. Stat. II, 303 (Bolkenhain 1863): "durch die Maschinenweberei werden die Löhne der Handweber immer mehr gedrückt."
Die Konkurrenz der Maſchinenweberei.
weberei für einfache Sorten nur unter beſondern Verhält- niſſen noch erhalten; z. B. da, wo die Männer an Tritt- und Jacquardſtühlen arbeiten, Frau und Kinder da- neben an ein oder zwei gewöhnlichen Stühlen, die ſo viel weniger Kraft erfordern, oder wo die Weberei zur bloßen Nebenbeſchäftigung geworden iſt. „Viele, in einigen Gegenden die meiſten Weber“ — ſagt Jakobi1 von Niederſchleſien — „haben vom Frühjahr bis Herbſt mancherlei in eigener Garten- und Feldwirthſchaft zu thun, oder ſind ſelbſt als Maurer, Zimmerleute, Eiſen- bahnarbeiter, Feldarbeiter, Holzhauer außer dem Hauſe beſchäftigt und betreiben daher in Sommerszeiten die Weberei nur bei ungünſtiger Witterung, oder beim Fehlen von ſonſtiger Arbeit.“
Abgeſehen von ſolchen Verhältniſſen, kann ſich die Handarbeit und damit die Hausinduſtrie auf die Dauer nur für ganz feine und gemuſterte Artikel halten. Ein raſcher entſchloſſener Uebergang zum Fabrikſyſtem kann nur erwünſcht ſein. Zeitweiſe und lokal nimmt die Noth der Handweber dadurch nochmals zu.2 Aber im Ganzen trifft die Maſchinenkonkurrenz den Handweber jetzt nicht ſo ſchwer, weil die Löhne faſt überall ſteigen. Das Verſchwinden der Hausinduſtrie, welche beſeitigt wird, iſt nicht zu beklagen; es verſchwindet eine ärm- liche, ſchlecht bezahlte Art der Beſchäftigung, es ver- ſchwinden korrupte, betrügeriſche Geſchäftsverhältniſſe.
1 Zeitſchrift des preuß. ſtat. Bureaus VIII, 328.
2 Jahrbuch für die amtl. Stat. II, 303 (Bolkenhain 1863): „durch die Maſchinenweberei werden die Löhne der Handweber immer mehr gedrückt.“
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Die Konkurrenz der Maſchinenweberei.
weberei für einfache Sorten nur unter beſondern Verhält-
niſſen noch erhalten; z. B. da, wo die Männer an Tritt-
und Jacquardſtühlen arbeiten, Frau und Kinder da-
neben an ein oder zwei gewöhnlichen Stühlen, die ſo
viel weniger Kraft erfordern, oder wo die Weberei zur
bloßen Nebenbeſchäftigung geworden iſt. „Viele, in
einigen Gegenden die meiſten Weber“ — ſagt Jakobi 1
von Niederſchleſien — „haben vom Frühjahr bis Herbſt
mancherlei in eigener Garten- und Feldwirthſchaft zu
thun, oder ſind ſelbſt als Maurer, Zimmerleute, Eiſen-
bahnarbeiter, Feldarbeiter, Holzhauer außer dem Hauſe
beſchäftigt und betreiben daher in Sommerszeiten die
Weberei nur bei ungünſtiger Witterung, oder beim
Fehlen von ſonſtiger Arbeit.“
Abgeſehen von ſolchen Verhältniſſen, kann ſich die
Handarbeit und damit die Hausinduſtrie auf die Dauer
nur für ganz feine und gemuſterte Artikel halten. Ein
raſcher entſchloſſener Uebergang zum Fabrikſyſtem kann
nur erwünſcht ſein. Zeitweiſe und lokal nimmt die
Noth der Handweber dadurch nochmals zu. 2 Aber im
Ganzen trifft die Maſchinenkonkurrenz den Handweber
jetzt nicht ſo ſchwer, weil die Löhne faſt überall ſteigen.
Das Verſchwinden der Hausinduſtrie, welche beſeitigt
wird, iſt nicht zu beklagen; es verſchwindet eine ärm-
liche, ſchlecht bezahlte Art der Beſchäftigung, es ver-
ſchwinden korrupte, betrügeriſche Geſchäftsverhältniſſe.
1 Zeitſchrift des preuß. ſtat. Bureaus VIII, 328.
2 Jahrbuch für die amtl. Stat. II, 303 (Bolkenhain
1863): „durch die Maſchinenweberei werden die Löhne der
Handweber immer mehr gedrückt.“
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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