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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Niederländer so bedeutend zunahm, lebten die märkischen
Städte fast ausschließlich von der Wollweberei.1

Es war eine Massenindustrie, aber keine Groß-
industrie. Die einzelnen Weber waren theilweise reiche
Leute und traten als solche in die höhern Klassen der
Gesellschaft über, aber in der Hauptsache blieben sie,
so lange sie das Geschäft betrieben, Handwerker, Meister,
die selbst Hand anlegten. Ob diese glückliche soziale
Organisation der mittelalterlichen Gewebeindustrie mehr
Folge der allgemeinen damaligen wirthschaftlichen Zu-
stände, der einfachen Technik, der mäßigen Kapitalvor-
räthe war oder vielmehr Folge einer naiven sozialisti-
schen Gesetzgebung, die im Einklang mit den Sitten
und den moralischen Anschauungen jener Zeit absichtlich
eine gewisse soziale und wirthschaftliche Gleichheit unter
sämmtlichen Produzenten erhalten wollte,2 will ich hier
nicht entscheiden. Es würde zu weit abführen, wollte
ich hier das Entstehen, die Voraussetzungen, die Ursachen
der Blüthe jener Gewebeindustrie schildern. Nur das
möchte ich betonen, daß auch damals, wie bei einer

1 Vergl. über die ältere Geschichte der deutschen Gewebe-
industrie: (Hildebrand), zur Geschichte der deutschen Woll-
industrie in seinen Jahrbüchern VI, 186 -- 254, VII, 81 -- 153;
Werner, Urkundliche Geschichte der Iglauer Tuchmacherzunft,
Leipzig 1861; Historische Nachricht von den Hauptmanufakturen
der Tücher etc. in der Churmark, in den "historischen Beiträgen
die kgl. preuß. Staaten betreffend," Dessau 1781; ferner Mone,
Zeitschrift d. Gesch. des Oberrheins passim und die erwähnte
Geschichte der Linnenindustrie von Volz.
2 Das behauptet hauptsächlich Schönberg in seinen Unter-
suchungen über das Zunftwesen.

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Niederländer ſo bedeutend zunahm, lebten die märkiſchen
Städte faſt ausſchließlich von der Wollweberei.1

Es war eine Maſſeninduſtrie, aber keine Groß-
induſtrie. Die einzelnen Weber waren theilweiſe reiche
Leute und traten als ſolche in die höhern Klaſſen der
Geſellſchaft über, aber in der Hauptſache blieben ſie,
ſo lange ſie das Geſchäft betrieben, Handwerker, Meiſter,
die ſelbſt Hand anlegten. Ob dieſe glückliche ſoziale
Organiſation der mittelalterlichen Gewebeinduſtrie mehr
Folge der allgemeinen damaligen wirthſchaftlichen Zu-
ſtände, der einfachen Technik, der mäßigen Kapitalvor-
räthe war oder vielmehr Folge einer naiven ſozialiſti-
ſchen Geſetzgebung, die im Einklang mit den Sitten
und den moraliſchen Anſchauungen jener Zeit abſichtlich
eine gewiſſe ſoziale und wirthſchaftliche Gleichheit unter
ſämmtlichen Produzenten erhalten wollte,2 will ich hier
nicht entſcheiden. Es würde zu weit abführen, wollte
ich hier das Entſtehen, die Vorausſetzungen, die Urſachen
der Blüthe jener Gewebeinduſtrie ſchildern. Nur das
möchte ich betonen, daß auch damals, wie bei einer

1 Vergl. über die ältere Geſchichte der deutſchen Gewebe-
induſtrie: (Hildebrand), zur Geſchichte der deutſchen Woll-
induſtrie in ſeinen Jahrbüchern VI, 186 — 254, VII, 81 — 153;
Werner, Urkundliche Geſchichte der Iglauer Tuchmacherzunft,
Leipzig 1861; Hiſtoriſche Nachricht von den Hauptmanufakturen
der Tücher ꝛc. in der Churmark, in den „hiſtoriſchen Beiträgen
die kgl. preuß. Staaten betreffend,“ Deſſau 1781; ferner Mone,
Zeitſchrift d. Geſch. des Oberrheins passim und die erwähnte
Geſchichte der Linneninduſtrie von Volz.
2 Das behauptet hauptſächlich Schönberg in ſeinen Unter-
ſuchungen über das Zunftweſen.
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[536/0558] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. Niederländer ſo bedeutend zunahm, lebten die märkiſchen Städte faſt ausſchließlich von der Wollweberei. 1 Es war eine Maſſeninduſtrie, aber keine Groß- induſtrie. Die einzelnen Weber waren theilweiſe reiche Leute und traten als ſolche in die höhern Klaſſen der Geſellſchaft über, aber in der Hauptſache blieben ſie, ſo lange ſie das Geſchäft betrieben, Handwerker, Meiſter, die ſelbſt Hand anlegten. Ob dieſe glückliche ſoziale Organiſation der mittelalterlichen Gewebeinduſtrie mehr Folge der allgemeinen damaligen wirthſchaftlichen Zu- ſtände, der einfachen Technik, der mäßigen Kapitalvor- räthe war oder vielmehr Folge einer naiven ſozialiſti- ſchen Geſetzgebung, die im Einklang mit den Sitten und den moraliſchen Anſchauungen jener Zeit abſichtlich eine gewiſſe ſoziale und wirthſchaftliche Gleichheit unter ſämmtlichen Produzenten erhalten wollte, 2 will ich hier nicht entſcheiden. Es würde zu weit abführen, wollte ich hier das Entſtehen, die Vorausſetzungen, die Urſachen der Blüthe jener Gewebeinduſtrie ſchildern. Nur das möchte ich betonen, daß auch damals, wie bei einer 1 Vergl. über die ältere Geſchichte der deutſchen Gewebe- induſtrie: (Hildebrand), zur Geſchichte der deutſchen Woll- induſtrie in ſeinen Jahrbüchern VI, 186 — 254, VII, 81 — 153; Werner, Urkundliche Geſchichte der Iglauer Tuchmacherzunft, Leipzig 1861; Hiſtoriſche Nachricht von den Hauptmanufakturen der Tücher ꝛc. in der Churmark, in den „hiſtoriſchen Beiträgen die kgl. preuß. Staaten betreffend,“ Deſſau 1781; ferner Mone, Zeitſchrift d. Geſch. des Oberrheins passim und die erwähnte Geſchichte der Linneninduſtrie von Volz. 2 Das behauptet hauptſächlich Schönberg in ſeinen Unter- ſuchungen über das Zunftweſen.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/558>, abgerufen am 22.11.2024.