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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Friedrich II.
übergesiedelt (1776).1 In Schlesien allein sollen
1763--77 nicht weniger als 30000 Gewerbtreibende
eingewandert sein.

Die positiven Beförderungen der Industrie waren
schroff merkantilistische, die eben, weil sie schroff ein-
greifen, manche Interessen verletzten, oft geändert,
modifizirt werden mußten, wie z. B. die Wollausfuhr-
verbote. Aber überallhin kam durch seine Anregungen
gewerbliche Thätigkeit. Der schlesische Bergbau ist auf
ihn zurückzuführen; eine große Eisenwaaren-Fabrik wurde
in Neustadteberswalde ins Leben gerufen; die Berliner
Staats-Eisengießerei, die Mutter der ganzen Berliner
Maschinenindustrie, ist sein Werk. Die Krefelder Seiden-
industrie erblühte unter ihm; die Elberfelder und Bar-
mer Industrie2 erwuchs unter ihm aus bloßer Bleicherei
und Färberei zur großartigsten Weberei. Die Bielefel-
der Linnenindustrie wurde durch Einrichtung holländischer
Bleichanstalten, durch ein Handels- und Bleichgericht,
durch Beförderung des Absatzes auf diplomatischem
Wege unterstützt. Am meisten vielleicht geschah für die
Gewebeindustrie Schlesiens und der Mark, besonders
Berlins. Technische Reglements, wie z. B. 1754 für
die neumärkischen Tuchmacher, auch einzelne Spezial-
befehle ordneten die gesammte Spinnerei und Weberei.
Die Garnausfuhr wurde verboten, das Spinnen in
jeder Weise befördert, selbst den Soldaten wurde es

1 Lippe-Weißenfeld S. 75 und 115.
2 Siehe darüber: Hocker, die Großindustrie Rheinlandes
und Westfalens, ihre Geographie, Geschichte, Produktion und
Statistik. Leipzig 1867. S. 180--188.

Friedrich II.
übergeſiedelt (1776).1 In Schleſien allein ſollen
1763—77 nicht weniger als 30000 Gewerbtreibende
eingewandert ſein.

Die poſitiven Beförderungen der Induſtrie waren
ſchroff merkantiliſtiſche, die eben, weil ſie ſchroff ein-
greifen, manche Intereſſen verletzten, oft geändert,
modifizirt werden mußten, wie z. B. die Wollausfuhr-
verbote. Aber überallhin kam durch ſeine Anregungen
gewerbliche Thätigkeit. Der ſchleſiſche Bergbau iſt auf
ihn zurückzuführen; eine große Eiſenwaaren-Fabrik wurde
in Neuſtadteberswalde ins Leben gerufen; die Berliner
Staats-Eiſengießerei, die Mutter der ganzen Berliner
Maſchineninduſtrie, iſt ſein Werk. Die Krefelder Seiden-
induſtrie erblühte unter ihm; die Elberfelder und Bar-
mer Induſtrie2 erwuchs unter ihm aus bloßer Bleicherei
und Färberei zur großartigſten Weberei. Die Bielefel-
der Linneninduſtrie wurde durch Einrichtung holländiſcher
Bleichanſtalten, durch ein Handels- und Bleichgericht,
durch Beförderung des Abſatzes auf diplomatiſchem
Wege unterſtützt. Am meiſten vielleicht geſchah für die
Gewebeinduſtrie Schleſiens und der Mark, beſonders
Berlins. Techniſche Reglements, wie z. B. 1754 für
die neumärkiſchen Tuchmacher, auch einzelne Spezial-
befehle ordneten die geſammte Spinnerei und Weberei.
Die Garnausfuhr wurde verboten, das Spinnen in
jeder Weiſe befördert, ſelbſt den Soldaten wurde es

1 Lippe-Weißenfeld S. 75 und 115.
2 Siehe darüber: Hocker, die Großinduſtrie Rheinlandes
und Weſtfalens, ihre Geographie, Geſchichte, Produktion und
Statiſtik. Leipzig 1867. S. 180—188.
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[29/0051] Friedrich II. übergeſiedelt (1776). 1 In Schleſien allein ſollen 1763—77 nicht weniger als 30000 Gewerbtreibende eingewandert ſein. Die poſitiven Beförderungen der Induſtrie waren ſchroff merkantiliſtiſche, die eben, weil ſie ſchroff ein- greifen, manche Intereſſen verletzten, oft geändert, modifizirt werden mußten, wie z. B. die Wollausfuhr- verbote. Aber überallhin kam durch ſeine Anregungen gewerbliche Thätigkeit. Der ſchleſiſche Bergbau iſt auf ihn zurückzuführen; eine große Eiſenwaaren-Fabrik wurde in Neuſtadteberswalde ins Leben gerufen; die Berliner Staats-Eiſengießerei, die Mutter der ganzen Berliner Maſchineninduſtrie, iſt ſein Werk. Die Krefelder Seiden- induſtrie erblühte unter ihm; die Elberfelder und Bar- mer Induſtrie 2 erwuchs unter ihm aus bloßer Bleicherei und Färberei zur großartigſten Weberei. Die Bielefel- der Linneninduſtrie wurde durch Einrichtung holländiſcher Bleichanſtalten, durch ein Handels- und Bleichgericht, durch Beförderung des Abſatzes auf diplomatiſchem Wege unterſtützt. Am meiſten vielleicht geſchah für die Gewebeinduſtrie Schleſiens und der Mark, beſonders Berlins. Techniſche Reglements, wie z. B. 1754 für die neumärkiſchen Tuchmacher, auch einzelne Spezial- befehle ordneten die geſammte Spinnerei und Weberei. Die Garnausfuhr wurde verboten, das Spinnen in jeder Weiſe befördert, ſelbſt den Soldaten wurde es 1 Lippe-Weißenfeld S. 75 und 115. 2 Siehe darüber: Hocker, die Großinduſtrie Rheinlandes und Weſtfalens, ihre Geographie, Geſchichte, Produktion und Statiſtik. Leipzig 1867. S. 180—188.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/51>, abgerufen am 27.11.2024.