viele als 1624 Handwerksstellen da waren. Genaue Verzeichnisse über die Zahl der alten Stellen werden publicirt. Jede Gutsherrschaft kann für sie selbst arbei- tende Handwerker ansetzen, so viel sie will. Die Land- meister dürfen beliebig Gesellen halten und Jungen lehren, nur sie nicht lossprechen.1 Den Dorfküstern und Schulmeistern soll wegen ihres schlechten Gehalts fort erlaubt werden, eine Profession zu treiben.
Mehrmals (1718 und 1721)2 werden Verzeich- nisse der in einzelnen Städten fehlenden Handwerker veröffentlicht, um Einwanderer gegen freies Bürger- und Meisterrecht, Bauholz und mehrjährige Abgaben- freiheit dahin zu ziehen. Alle theuren Meisterstücke werden 1723 verboten.3 Waisen und Soldatenkindern soll das Vorwärtskommen in der Zunft in jeder Weise erleichtert werden.
Hauptsächlich aber wurde das Reichsgesetz gegen die Zunftmißbräuche mit Nachdruck durchgeführt. Ein beson- derer Anhang in Mylius von 618 Spalten enthält die sämmtlichen hienach revidirten Zunftstatuten aus den Jahren 1734--37. Mit polizeilicher Gewalt durch die beaufsichtigenden Altmeister, durch die Steuerräthe und Fabrikinspektoren wird versucht, in alle Gewerbe Ord- nung, Fortschritt, tüchtige Arbeit zu bringen; viel Kleinliches und Veraltetes wird in hausväterlichem Sinne beibehalten, aber die eigentlich monopolistischen Mißbräuche werden schonungslos verfolgt.
1Eod. S. 735, Anno 1724.
2 Mylius V. Abth. I. 411. Abth. II. S. 674.
3 Mylius V. Abth. II. 734.
Friedrich Wilhelm I.
viele als 1624 Handwerksſtellen da waren. Genaue Verzeichniſſe über die Zahl der alten Stellen werden publicirt. Jede Gutsherrſchaft kann für ſie ſelbſt arbei- tende Handwerker anſetzen, ſo viel ſie will. Die Land- meiſter dürfen beliebig Geſellen halten und Jungen lehren, nur ſie nicht losſprechen.1 Den Dorfküſtern und Schulmeiſtern ſoll wegen ihres ſchlechten Gehalts fort erlaubt werden, eine Profeſſion zu treiben.
Mehrmals (1718 und 1721)2 werden Verzeich- niſſe der in einzelnen Städten fehlenden Handwerker veröffentlicht, um Einwanderer gegen freies Bürger- und Meiſterrecht, Bauholz und mehrjährige Abgaben- freiheit dahin zu ziehen. Alle theuren Meiſterſtücke werden 1723 verboten.3 Waiſen und Soldatenkindern ſoll das Vorwärtskommen in der Zunft in jeder Weiſe erleichtert werden.
Hauptſächlich aber wurde das Reichsgeſetz gegen die Zunftmißbräuche mit Nachdruck durchgeführt. Ein beſon- derer Anhang in Mylius von 618 Spalten enthält die ſämmtlichen hienach revidirten Zunftſtatuten aus den Jahren 1734—37. Mit polizeilicher Gewalt durch die beaufſichtigenden Altmeiſter, durch die Steuerräthe und Fabrikinſpektoren wird verſucht, in alle Gewerbe Ord- nung, Fortſchritt, tüchtige Arbeit zu bringen; viel Kleinliches und Veraltetes wird in hausväterlichem Sinne beibehalten, aber die eigentlich monopoliſtiſchen Mißbräuche werden ſchonungslos verfolgt.
1Eod. S. 735, Anno 1724.
2 Mylius V. Abth. I. 411. Abth. II. S. 674.
3 Mylius V. Abth. II. 734.
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Friedrich Wilhelm I.
viele als 1624 Handwerksſtellen da waren. Genaue
Verzeichniſſe über die Zahl der alten Stellen werden
publicirt. Jede Gutsherrſchaft kann für ſie ſelbſt arbei-
tende Handwerker anſetzen, ſo viel ſie will. Die Land-
meiſter dürfen beliebig Geſellen halten und Jungen
lehren, nur ſie nicht losſprechen. 1 Den Dorfküſtern
und Schulmeiſtern ſoll wegen ihres ſchlechten Gehalts fort
erlaubt werden, eine Profeſſion zu treiben.
Mehrmals (1718 und 1721) 2 werden Verzeich-
niſſe der in einzelnen Städten fehlenden Handwerker
veröffentlicht, um Einwanderer gegen freies Bürger-
und Meiſterrecht, Bauholz und mehrjährige Abgaben-
freiheit dahin zu ziehen. Alle theuren Meiſterſtücke
werden 1723 verboten. 3 Waiſen und Soldatenkindern
ſoll das Vorwärtskommen in der Zunft in jeder Weiſe
erleichtert werden.
Hauptſächlich aber wurde das Reichsgeſetz gegen die
Zunftmißbräuche mit Nachdruck durchgeführt. Ein beſon-
derer Anhang in Mylius von 618 Spalten enthält die
ſämmtlichen hienach revidirten Zunftſtatuten aus den
Jahren 1734—37. Mit polizeilicher Gewalt durch die
beaufſichtigenden Altmeiſter, durch die Steuerräthe und
Fabrikinſpektoren wird verſucht, in alle Gewerbe Ord-
nung, Fortſchritt, tüchtige Arbeit zu bringen; viel
Kleinliches und Veraltetes wird in hausväterlichem
Sinne beibehalten, aber die eigentlich monopoliſtiſchen
Mißbräuche werden ſchonungslos verfolgt.
1 Eod. S. 735, Anno 1724.
2 Mylius V. Abth. I. 411. Abth. II. S. 674.
3 Mylius V. Abth. II. 734.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/49>, abgerufen am 18.12.2024.
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