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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
Gewerbsleute ins Land zu ziehen. Durch die Edikte
von 1667, 1669 und 1683 sollte in jeder Weise die
Wiederbebauung wüster Stellen in Städten und Dör-
fern befördert werden. An Stelle des höchst ungleich
auf einzelnen Häusern haftenden alten Schosses setzte er
die später vielgeschmähte Accise in den Städten durch,
die zunächst sehr zur Hebung der städtischen Gewerbe
beitrug, Handwerker, Krämer und Kaufleute von ander-
wärts anzog. "Es wurde ein Gedränge verspürt, um
Häuser zu kaufen." Die Edikte vom 3. November 1686,
7. Mai 1688 und 13. Juli 1688 sollten die ganze
Gewerbeverfassung bessern. Theure Meisterstücke wur-
den verboten; alle Geschlossenheit der Zünfte auf eine
bestimmte Anzahl Meisterstellen ward verpönt. Alle Ein-
wanderer erhielten freies Meister- und Bürgerrecht. Wo
es nothwendig war, wurden die Zunftschranken durch
Personalprivilegien durchbrochen. Die Linnenindustrie
der Grafschaft Ravensberg, früher durch niederländische
Flüchtlinge begründet, wurde durch die Leggeordnung von
1652 wieder wesentlich gehoben.1 Die Maße, die
Qualität, die Namen bestimmter Gewebe wurden fest-
gesetzt, die Leinwand nachgemessen, mit herrschaftlichem
Stempel versehen, das Verhältniß von Stadt und Land
geordnet. Er begann damit, das Privilegium der Städte
in Bezug auf die Weberei aufzuheben, wie das noch
mehr sein Sohn gethan hat.2

1 Vergl. Mirabeau, de la monarchie prussienne. Lon-
dres
1788. III, 217.
2 Daselbst S. 221--22. Mylius V. Abth. II. S. 428.
Patent vom 25. Juni 1729. eod. S. 754: Spinner und Leine-

Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
Gewerbsleute ins Land zu ziehen. Durch die Edikte
von 1667, 1669 und 1683 ſollte in jeder Weiſe die
Wiederbebauung wüſter Stellen in Städten und Dör-
fern befördert werden. An Stelle des höchſt ungleich
auf einzelnen Häuſern haftenden alten Schoſſes ſetzte er
die ſpäter vielgeſchmähte Acciſe in den Städten durch,
die zunächſt ſehr zur Hebung der ſtädtiſchen Gewerbe
beitrug, Handwerker, Krämer und Kaufleute von ander-
wärts anzog. „Es wurde ein Gedränge verſpürt, um
Häuſer zu kaufen.“ Die Edikte vom 3. November 1686,
7. Mai 1688 und 13. Juli 1688 ſollten die ganze
Gewerbeverfaſſung beſſern. Theure Meiſterſtücke wur-
den verboten; alle Geſchloſſenheit der Zünfte auf eine
beſtimmte Anzahl Meiſterſtellen ward verpönt. Alle Ein-
wanderer erhielten freies Meiſter- und Bürgerrecht. Wo
es nothwendig war, wurden die Zunftſchranken durch
Perſonalprivilegien durchbrochen. Die Linneninduſtrie
der Grafſchaft Ravensberg, früher durch niederländiſche
Flüchtlinge begründet, wurde durch die Leggeordnung von
1652 wieder weſentlich gehoben.1 Die Maße, die
Qualität, die Namen beſtimmter Gewebe wurden feſt-
geſetzt, die Leinwand nachgemeſſen, mit herrſchaftlichem
Stempel verſehen, das Verhältniß von Stadt und Land
geordnet. Er begann damit, das Privilegium der Städte
in Bezug auf die Weberei aufzuheben, wie das noch
mehr ſein Sohn gethan hat.2

1 Vergl. Mirabeau, de la monarchie prussienne. Lon-
dres
1788. III, 217.
2 Daſelbſt S. 221—22. Mylius V. Abth. II. S. 428.
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[24/0046] Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert. Gewerbsleute ins Land zu ziehen. Durch die Edikte von 1667, 1669 und 1683 ſollte in jeder Weiſe die Wiederbebauung wüſter Stellen in Städten und Dör- fern befördert werden. An Stelle des höchſt ungleich auf einzelnen Häuſern haftenden alten Schoſſes ſetzte er die ſpäter vielgeſchmähte Acciſe in den Städten durch, die zunächſt ſehr zur Hebung der ſtädtiſchen Gewerbe beitrug, Handwerker, Krämer und Kaufleute von ander- wärts anzog. „Es wurde ein Gedränge verſpürt, um Häuſer zu kaufen.“ Die Edikte vom 3. November 1686, 7. Mai 1688 und 13. Juli 1688 ſollten die ganze Gewerbeverfaſſung beſſern. Theure Meiſterſtücke wur- den verboten; alle Geſchloſſenheit der Zünfte auf eine beſtimmte Anzahl Meiſterſtellen ward verpönt. Alle Ein- wanderer erhielten freies Meiſter- und Bürgerrecht. Wo es nothwendig war, wurden die Zunftſchranken durch Perſonalprivilegien durchbrochen. Die Linneninduſtrie der Grafſchaft Ravensberg, früher durch niederländiſche Flüchtlinge begründet, wurde durch die Leggeordnung von 1652 wieder weſentlich gehoben. 1 Die Maße, die Qualität, die Namen beſtimmter Gewebe wurden feſt- geſetzt, die Leinwand nachgemeſſen, mit herrſchaftlichem Stempel verſehen, das Verhältniß von Stadt und Land geordnet. Er begann damit, das Privilegium der Städte in Bezug auf die Weberei aufzuheben, wie das noch mehr ſein Sohn gethan hat. 2 1 Vergl. Mirabeau, de la monarchie prussienne. Lon- dres 1788. III, 217. 2 Daſelbſt S. 221—22. Mylius V. Abth. II. S. 428. Patent vom 25. Juni 1729. eod. S. 754: Spinner und Leine-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/46>, abgerufen am 18.04.2024.