Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Das gewerbliche Bildungswesen.
sind 86 in Orten von weniger als 6000 Einwohnern;
die Schulfrequenz ist eine außerordentliche.

Es bezeichnet den Gegensatz zum Norden, daß man
jetzt endlich in Preußen anfängt, von Seiten des Kultus-
ministeriums die großen Städte von gegen 50000 Ein-
wohnern aufzufordern, ähnliche Zeichenschulen zu errichten,
daß der Staat sich bereit erklärt, für diesen Fall einen
Beitrag zu geben, daß das neu gegründete Berliner
Gewerbemuseum daran denkt, nach Art des englischen
Kensington - Museums seine Wirksamkeit auch außer-
halb Berlins auszudehnen.

Es ist dieser Unterricht mit der wichtigste Faktor,
das kleine Handwerk zu erhalten, es produktionsfähig
für den weiteren Absatz zu machen, ihm Bildung, Kennt-
nisse, Unternehmungsgeist zu geben. Denn die kleinen
Geschäfte erhalten sich für direkten Absatz oder als Haus-
industrie organisirt in allen den Branchen, in welchen
die persönliche Arbeitskraft und Geschicklichkeit, der künst-
lerische Geschmack im Vordergrund steht, ohne daß doch
eine Massenproduktion möglich wäre, welche sich des vom
großen Fabrikanten besoldeten Künstlers bedienen könnte.
Das Tischler-, das Drechsler-, das Klempner-, das Stein-
hauer-, Maurer- und Zimmergewerbe und noch viele
Andere haben als Kleingewerbe einen ganz andern Boden,
wo ein tüchtiger gewerblicher Unterricht existirt.

Das gewerbliche Bildungswesen ist vielleicht noch
wichtiger als das ganze Assoziationswesen; blühende Ge-
nossenschaften nützen doch zunächst nur Einzelnen; das
gewerbliche Bildungswesen wendet sich an Alle.


Das gewerbliche Bildungsweſen.
ſind 86 in Orten von weniger als 6000 Einwohnern;
die Schulfrequenz iſt eine außerordentliche.

Es bezeichnet den Gegenſatz zum Norden, daß man
jetzt endlich in Preußen anfängt, von Seiten des Kultus-
miniſteriums die großen Städte von gegen 50000 Ein-
wohnern aufzufordern, ähnliche Zeichenſchulen zu errichten,
daß der Staat ſich bereit erklärt, für dieſen Fall einen
Beitrag zu geben, daß das neu gegründete Berliner
Gewerbemuſeum daran denkt, nach Art des engliſchen
Kensington ‒ Muſeums ſeine Wirkſamkeit auch außer-
halb Berlins auszudehnen.

Es iſt dieſer Unterricht mit der wichtigſte Faktor,
das kleine Handwerk zu erhalten, es produktionsfähig
für den weiteren Abſatz zu machen, ihm Bildung, Kennt-
niſſe, Unternehmungsgeiſt zu geben. Denn die kleinen
Geſchäfte erhalten ſich für direkten Abſatz oder als Haus-
induſtrie organiſirt in allen den Branchen, in welchen
die perſönliche Arbeitskraft und Geſchicklichkeit, der künſt-
leriſche Geſchmack im Vordergrund ſteht, ohne daß doch
eine Maſſenproduktion möglich wäre, welche ſich des vom
großen Fabrikanten beſoldeten Künſtlers bedienen könnte.
Das Tiſchler-, das Drechsler-, das Klempner-, das Stein-
hauer-, Maurer- und Zimmergewerbe und noch viele
Andere haben als Kleingewerbe einen ganz andern Boden,
wo ein tüchtiger gewerblicher Unterricht exiſtirt.

Das gewerbliche Bildungsweſen iſt vielleicht noch
wichtiger als das ganze Aſſoziationsweſen; blühende Ge-
noſſenſchaften nützen doch zunächſt nur Einzelnen; das
gewerbliche Bildungsweſen wendet ſich an Alle.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0347" n="325"/><fw place="top" type="header">Das gewerbliche Bildungswe&#x017F;en.</fw><lb/>
&#x017F;ind 86 in Orten von weniger als 6000 Einwohnern;<lb/>
die Schulfrequenz i&#x017F;t eine außerordentliche.</p><lb/>
          <p>Es bezeichnet den Gegen&#x017F;atz zum Norden, daß man<lb/>
jetzt endlich in Preußen anfängt, von Seiten des Kultus-<lb/>
mini&#x017F;teriums die großen Städte von gegen 50000 Ein-<lb/>
wohnern aufzufordern, ähnliche Zeichen&#x017F;chulen zu errichten,<lb/>
daß der Staat &#x017F;ich bereit erklärt, für die&#x017F;en Fall einen<lb/>
Beitrag zu geben, daß das neu gegründete Berliner<lb/>
Gewerbemu&#x017F;eum daran denkt, nach Art des engli&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">Kensington</hi> &#x2012; Mu&#x017F;eums &#x017F;eine Wirk&#x017F;amkeit auch außer-<lb/>
halb Berlins auszudehnen.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t die&#x017F;er Unterricht mit der wichtig&#x017F;te Faktor,<lb/>
das kleine Handwerk zu erhalten, es produktionsfähig<lb/>
für den weiteren Ab&#x017F;atz zu machen, ihm Bildung, Kennt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e, Unternehmungsgei&#x017F;t zu geben. Denn die kleinen<lb/>
Ge&#x017F;chäfte erhalten &#x017F;ich für direkten Ab&#x017F;atz oder als Haus-<lb/>
indu&#x017F;trie organi&#x017F;irt in allen den Branchen, in welchen<lb/>
die per&#x017F;önliche Arbeitskraft und Ge&#x017F;chicklichkeit, der kün&#x017F;t-<lb/>
leri&#x017F;che Ge&#x017F;chmack im Vordergrund &#x017F;teht, ohne daß doch<lb/>
eine Ma&#x017F;&#x017F;enproduktion möglich wäre, welche &#x017F;ich des vom<lb/>
großen Fabrikanten be&#x017F;oldeten Kün&#x017F;tlers bedienen könnte.<lb/>
Das Ti&#x017F;chler-, das Drechsler-, das Klempner-, das Stein-<lb/>
hauer-, Maurer- und Zimmergewerbe und noch viele<lb/>
Andere haben als Kleingewerbe einen ganz andern Boden,<lb/>
wo ein tüchtiger gewerblicher Unterricht exi&#x017F;tirt.</p><lb/>
          <p>Das gewerbliche Bildungswe&#x017F;en i&#x017F;t vielleicht noch<lb/>
wichtiger als das ganze A&#x017F;&#x017F;oziationswe&#x017F;en; blühende Ge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften nützen doch zunäch&#x017F;t nur Einzelnen; das<lb/>
gewerbliche Bildungswe&#x017F;en wendet &#x017F;ich an Alle.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0347] Das gewerbliche Bildungsweſen. ſind 86 in Orten von weniger als 6000 Einwohnern; die Schulfrequenz iſt eine außerordentliche. Es bezeichnet den Gegenſatz zum Norden, daß man jetzt endlich in Preußen anfängt, von Seiten des Kultus- miniſteriums die großen Städte von gegen 50000 Ein- wohnern aufzufordern, ähnliche Zeichenſchulen zu errichten, daß der Staat ſich bereit erklärt, für dieſen Fall einen Beitrag zu geben, daß das neu gegründete Berliner Gewerbemuſeum daran denkt, nach Art des engliſchen Kensington ‒ Muſeums ſeine Wirkſamkeit auch außer- halb Berlins auszudehnen. Es iſt dieſer Unterricht mit der wichtigſte Faktor, das kleine Handwerk zu erhalten, es produktionsfähig für den weiteren Abſatz zu machen, ihm Bildung, Kennt- niſſe, Unternehmungsgeiſt zu geben. Denn die kleinen Geſchäfte erhalten ſich für direkten Abſatz oder als Haus- induſtrie organiſirt in allen den Branchen, in welchen die perſönliche Arbeitskraft und Geſchicklichkeit, der künſt- leriſche Geſchmack im Vordergrund ſteht, ohne daß doch eine Maſſenproduktion möglich wäre, welche ſich des vom großen Fabrikanten beſoldeten Künſtlers bedienen könnte. Das Tiſchler-, das Drechsler-, das Klempner-, das Stein- hauer-, Maurer- und Zimmergewerbe und noch viele Andere haben als Kleingewerbe einen ganz andern Boden, wo ein tüchtiger gewerblicher Unterricht exiſtirt. Das gewerbliche Bildungsweſen iſt vielleicht noch wichtiger als das ganze Aſſoziationsweſen; blühende Ge- noſſenſchaften nützen doch zunächſt nur Einzelnen; das gewerbliche Bildungsweſen wendet ſich an Alle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/347
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/347>, abgerufen am 23.11.2024.