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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Bevölkerungsdichtigkeit und die Großindustrie.

Also weder der Wohlstand im Allgemeinen, noch
die Dichtigkeit der Bevölkerung beherrschen allein die
Handwerkerziffer.

Aber die Richtung der Produktion, wird man ent-
gegnen; in den rein agrarischen Gegenden können nicht
so viele Handwerker sein, wie in den industriellen.
Wenn Posen 3,6 %, die Provinz Sachsen 7,2 % Hand-
werker hat, so ist daran schuld, daß die eine Provinz
eine landwirthschaftliche, die andere eine industrielle ist.
Aber wieder lassen sich andere Länder resp. Provinzen
neben einander stellen, bei denen die Gleichheit oder die
Differenz daraus nicht zu erklären ist. Das industrie-
reiche Schlesien hat 5,6 %, das rein landwirthschaftliche
Hannover hat 6,2 %; das vorwiegend agrarische Baiern
hat 6,9 % Handwerker, das gewerbsame Baden zählt
6,2 %, die fast nur aus Bauerngemeinden bestehende
Provinz Kurhessen hat ebenfalls 6,0 % Gewerbetreibende.
Und es ist natürlich. Auch das platte Land und die
kleinen Ackerstädte können zahlreiche Handwerker haben.
Der industrielle Charakter eines Landes als solcher
steigert nicht überall das kleine Handwerk.

Ich habe dafür schon oben die Belege mitgetheilt,
wo ich die Prozentzahlen der Handwerker- und der
Fabriktabelle verglich. Es gibt allerdings Gegenden,
wo mit der Großindustrie nicht sowohl die Kleingewerbe
zunehmen, wo sie aber von früher her zahlreich, später
leidend und abnehmend, durch den Aufschwung der
Großindustrie eher wieder in bessere Tage kamen.
Württemberg, einzelne Theile Sachsens und der Rhein-
provinz beweisen das. Aber ganz falsch ist es, das all-

Die Bevölkerungsdichtigkeit und die Großinduſtrie.

Alſo weder der Wohlſtand im Allgemeinen, noch
die Dichtigkeit der Bevölkerung beherrſchen allein die
Handwerkerziffer.

Aber die Richtung der Produktion, wird man ent-
gegnen; in den rein agrariſchen Gegenden können nicht
ſo viele Handwerker ſein, wie in den induſtriellen.
Wenn Poſen 3,6 %, die Provinz Sachſen 7,2 % Hand-
werker hat, ſo iſt daran ſchuld, daß die eine Provinz
eine landwirthſchaftliche, die andere eine induſtrielle iſt.
Aber wieder laſſen ſich andere Länder reſp. Provinzen
neben einander ſtellen, bei denen die Gleichheit oder die
Differenz daraus nicht zu erklären iſt. Das induſtrie-
reiche Schleſien hat 5,6 %, das rein landwirthſchaftliche
Hannover hat 6,2 %; das vorwiegend agrariſche Baiern
hat 6,9 % Handwerker, das gewerbſame Baden zählt
6,2 %, die faſt nur aus Bauerngemeinden beſtehende
Provinz Kurheſſen hat ebenfalls 6,0 % Gewerbetreibende.
Und es iſt natürlich. Auch das platte Land und die
kleinen Ackerſtädte können zahlreiche Handwerker haben.
Der induſtrielle Charakter eines Landes als ſolcher
ſteigert nicht überall das kleine Handwerk.

Ich habe dafür ſchon oben die Belege mitgetheilt,
wo ich die Prozentzahlen der Handwerker- und der
Fabriktabelle verglich. Es gibt allerdings Gegenden,
wo mit der Großinduſtrie nicht ſowohl die Kleingewerbe
zunehmen, wo ſie aber von früher her zahlreich, ſpäter
leidend und abnehmend, durch den Aufſchwung der
Großinduſtrie eher wieder in beſſere Tage kamen.
Württemberg, einzelne Theile Sachſens und der Rhein-
provinz beweiſen das. Aber ganz falſch iſt es, das all-

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[311/0333] Die Bevölkerungsdichtigkeit und die Großinduſtrie. Alſo weder der Wohlſtand im Allgemeinen, noch die Dichtigkeit der Bevölkerung beherrſchen allein die Handwerkerziffer. Aber die Richtung der Produktion, wird man ent- gegnen; in den rein agrariſchen Gegenden können nicht ſo viele Handwerker ſein, wie in den induſtriellen. Wenn Poſen 3,6 %, die Provinz Sachſen 7,2 % Hand- werker hat, ſo iſt daran ſchuld, daß die eine Provinz eine landwirthſchaftliche, die andere eine induſtrielle iſt. Aber wieder laſſen ſich andere Länder reſp. Provinzen neben einander ſtellen, bei denen die Gleichheit oder die Differenz daraus nicht zu erklären iſt. Das induſtrie- reiche Schleſien hat 5,6 %, das rein landwirthſchaftliche Hannover hat 6,2 %; das vorwiegend agrariſche Baiern hat 6,9 % Handwerker, das gewerbſame Baden zählt 6,2 %, die faſt nur aus Bauerngemeinden beſtehende Provinz Kurheſſen hat ebenfalls 6,0 % Gewerbetreibende. Und es iſt natürlich. Auch das platte Land und die kleinen Ackerſtädte können zahlreiche Handwerker haben. Der induſtrielle Charakter eines Landes als ſolcher ſteigert nicht überall das kleine Handwerk. Ich habe dafür ſchon oben die Belege mitgetheilt, wo ich die Prozentzahlen der Handwerker- und der Fabriktabelle verglich. Es gibt allerdings Gegenden, wo mit der Großinduſtrie nicht ſowohl die Kleingewerbe zunehmen, wo ſie aber von früher her zahlreich, ſpäter leidend und abnehmend, durch den Aufſchwung der Großinduſtrie eher wieder in beſſere Tage kamen. Württemberg, einzelne Theile Sachſens und der Rhein- provinz beweiſen das. Aber ganz falſch iſt es, das all-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/333>, abgerufen am 19.05.2024.