Die Wirkung der städtischen Magazine beschränkt sich nicht auf die Städte; die ganze Umgegend der Stadt fängt an, bei ihnen zu kaufen; der schöne Laden beginnt auch dem Bauern zu imponiren, der staunend vor den gro- ßen Spiegelfenstern und ihrer Schaustellung stehen bleibt. Die Eitelkeit spielt mit: mancher will hinter der Mode nicht zurückbleiben; die neueste Mode, die neueste Facon findet man in den großen schönen Läden. Die Eisenbahn erleichtert den Besuch selbst für den ferner Wohnenden. Wie der Bauer gern in die Stadt, so geht der Be- wohner des Städtchens gerne auf einen Tag in die Hauptstadt der Provinz; der wohlhabende Bewohner der Provinzialhauptstadt aber würde es unter seiner Würde finden, wenn er nicht Möbel und Kleider von Berlin bezöge; die vornehme Berlinerin hat ihre Putzmacherin in Paris, nur dort kann sie die neuen seidenen Roben einkaufen und erträglich machen lassen. Berliner Möbel sind nächstens in den Magazinen aller deutschen Städte; es ist dasselbe Holz, dieselbe Arbeit, dieselben Modelle; aber der "Gebildete" reist doch nach Berlin, um dort einzukaufen, und sicher findet er auch da eine noch größere Auswahl, die schönsten Stücke, die billigsten Engros-Preise, oftmals freilich auch noch mehr Täuschung und Betrug, als zu Hause.
Aber auch für Denjenigen, der nicht die Reisen nach der Provinzial- oder Landeshauptstadt machen kann, hat die wachsende Spekulation Gelegenheit geschaffen, die Magazinwaaren zu kaufen, durch die wandernden Maga- zine, welche den Uebergang zu dem eigentlichen Hausir- handel bilden.
Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Die Wirkung der ſtädtiſchen Magazine beſchränkt ſich nicht auf die Städte; die ganze Umgegend der Stadt fängt an, bei ihnen zu kaufen; der ſchöne Laden beginnt auch dem Bauern zu imponiren, der ſtaunend vor den gro- ßen Spiegelfenſtern und ihrer Schauſtellung ſtehen bleibt. Die Eitelkeit ſpielt mit: mancher will hinter der Mode nicht zurückbleiben; die neueſte Mode, die neueſte Façon findet man in den großen ſchönen Läden. Die Eiſenbahn erleichtert den Beſuch ſelbſt für den ferner Wohnenden. Wie der Bauer gern in die Stadt, ſo geht der Be- wohner des Städtchens gerne auf einen Tag in die Hauptſtadt der Provinz; der wohlhabende Bewohner der Provinzialhauptſtadt aber würde es unter ſeiner Würde finden, wenn er nicht Möbel und Kleider von Berlin bezöge; die vornehme Berlinerin hat ihre Putzmacherin in Paris, nur dort kann ſie die neuen ſeidenen Roben einkaufen und erträglich machen laſſen. Berliner Möbel ſind nächſtens in den Magazinen aller deutſchen Städte; es iſt daſſelbe Holz, dieſelbe Arbeit, dieſelben Modelle; aber der „Gebildete“ reist doch nach Berlin, um dort einzukaufen, und ſicher findet er auch da eine noch größere Auswahl, die ſchönſten Stücke, die billigſten Engros-Preiſe, oftmals freilich auch noch mehr Täuſchung und Betrug, als zu Hauſe.
Aber auch für Denjenigen, der nicht die Reiſen nach der Provinzial- oder Landeshauptſtadt machen kann, hat die wachſende Spekulation Gelegenheit geſchaffen, die Magazinwaaren zu kaufen, durch die wandernden Maga- zine, welche den Uebergang zu dem eigentlichen Hauſir- handel bilden.
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Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Die Wirkung der ſtädtiſchen Magazine beſchränkt
ſich nicht auf die Städte; die ganze Umgegend der Stadt
fängt an, bei ihnen zu kaufen; der ſchöne Laden beginnt
auch dem Bauern zu imponiren, der ſtaunend vor den gro-
ßen Spiegelfenſtern und ihrer Schauſtellung ſtehen bleibt.
Die Eitelkeit ſpielt mit: mancher will hinter der Mode
nicht zurückbleiben; die neueſte Mode, die neueſte Façon
findet man in den großen ſchönen Läden. Die Eiſenbahn
erleichtert den Beſuch ſelbſt für den ferner Wohnenden.
Wie der Bauer gern in die Stadt, ſo geht der Be-
wohner des Städtchens gerne auf einen Tag in die
Hauptſtadt der Provinz; der wohlhabende Bewohner der
Provinzialhauptſtadt aber würde es unter ſeiner Würde
finden, wenn er nicht Möbel und Kleider von Berlin
bezöge; die vornehme Berlinerin hat ihre Putzmacherin
in Paris, nur dort kann ſie die neuen ſeidenen Roben
einkaufen und erträglich machen laſſen. Berliner Möbel
ſind nächſtens in den Magazinen aller deutſchen Städte;
es iſt daſſelbe Holz, dieſelbe Arbeit, dieſelben Modelle;
aber der „Gebildete“ reist doch nach Berlin, um dort
einzukaufen, und ſicher findet er auch da eine noch
größere Auswahl, die ſchönſten Stücke, die billigſten
Engros-Preiſe, oftmals freilich auch noch mehr
Täuſchung und Betrug, als zu Hauſe.
Aber auch für Denjenigen, der nicht die Reiſen nach
der Provinzial- oder Landeshauptſtadt machen kann, hat
die wachſende Spekulation Gelegenheit geſchaffen, die
Magazinwaaren zu kaufen, durch die wandernden Maga-
zine, welche den Uebergang zu dem eigentlichen Hauſir-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/258>, abgerufen am 24.11.2024.
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