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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die frühere Wirthschaft der Familie.
der Provinz Preußen auf 765 gewerbsmäßige Linnen-
webstühle 114550, die in den Bauerhäusern stehen und
dort wesentlich mit für den eigenen Bedarf arbeiten.
Hoffmann berichtet 1837, daß die Landbevölkerung
Preußens meist das selbstgewebte sogenannte Wand, ein
tuchartiges starkes wollenes Gewebe, zu Oberröcken und
Mänteln trägt. Noch schlachtet in vielen Gegenden der
Bauer zu Anfang des Winters seine Kuh und ein oder
zwei Schweine für den Winter, von dem eigenen Backen
des Brotes gar nicht zu reden. Noch soll in Oberbaiern
in manchen Dörfern, wenn ein Haus gebaut wird, die
ganze Gemeinde zusammen helfen. "Am mittleren Inn"
-- heißt es in der Bavaria1 -- "besteht noch die Sitte,
daß die Bauern mit ihren Leuten unter Beihilfe weniger
Handwerker die Häuser selbst bauen; sogar die Ziegel
zu den Mauern werden nicht selten von den Landleuten
selbst bereitet; alle Arbeiten der Handwerker, selbst der
Tischler und Maler, werden auf der sogenannten "Stör"
besorgt; der Bauherr liefert die Rohstoffe, beköstigt die
Arbeiter und zahlt gewöhnlich noch einen Tagelohn."
Noch ist es der Polizei nicht ganz gelungen, die Spinn-
stuben Oberbaierns zu schließen, wo die Frauen und
Mädchen spinnen, die Burschen Späne schneiden und
allerhand Schnitzwerk fertigen.

So wie es auf dem Lande noch heute zugeht, so
und ähnlich ging es im städtischen Bürger- oder Beamten-
hause noch vor 60, noch vor 30 Jahren zu. Wessen
Erinnerung zurückreicht in das großelterliche Haus, das

1 I, erste Abtheilung S. 283.
Schmoller; Geschichte d. Kleingewerbe. 12

Die frühere Wirthſchaft der Familie.
der Provinz Preußen auf 765 gewerbsmäßige Linnen-
webſtühle 114550, die in den Bauerhäuſern ſtehen und
dort weſentlich mit für den eigenen Bedarf arbeiten.
Hoffmann berichtet 1837, daß die Landbevölkerung
Preußens meiſt das ſelbſtgewebte ſogenannte Wand, ein
tuchartiges ſtarkes wollenes Gewebe, zu Oberröcken und
Mänteln trägt. Noch ſchlachtet in vielen Gegenden der
Bauer zu Anfang des Winters ſeine Kuh und ein oder
zwei Schweine für den Winter, von dem eigenen Backen
des Brotes gar nicht zu reden. Noch ſoll in Oberbaiern
in manchen Dörfern, wenn ein Haus gebaut wird, die
ganze Gemeinde zuſammen helfen. „Am mittleren Inn“
— heißt es in der Bavaria1 — „beſteht noch die Sitte,
daß die Bauern mit ihren Leuten unter Beihilfe weniger
Handwerker die Häuſer ſelbſt bauen; ſogar die Ziegel
zu den Mauern werden nicht ſelten von den Landleuten
ſelbſt bereitet; alle Arbeiten der Handwerker, ſelbſt der
Tiſchler und Maler, werden auf der ſogenannten „Stör“
beſorgt; der Bauherr liefert die Rohſtoffe, beköſtigt die
Arbeiter und zahlt gewöhnlich noch einen Tagelohn.“
Noch iſt es der Polizei nicht ganz gelungen, die Spinn-
ſtuben Oberbaierns zu ſchließen, wo die Frauen und
Mädchen ſpinnen, die Burſchen Späne ſchneiden und
allerhand Schnitzwerk fertigen.

So wie es auf dem Lande noch heute zugeht, ſo
und ähnlich ging es im ſtädtiſchen Bürger- oder Beamten-
hauſe noch vor 60, noch vor 30 Jahren zu. Weſſen
Erinnerung zurückreicht in das großelterliche Haus, das

1 I, erſte Abtheilung S. 283.
Schmoller; Geſchichte d. Kleingewerbe. 12
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[177/0199] Die frühere Wirthſchaft der Familie. der Provinz Preußen auf 765 gewerbsmäßige Linnen- webſtühle 114550, die in den Bauerhäuſern ſtehen und dort weſentlich mit für den eigenen Bedarf arbeiten. Hoffmann berichtet 1837, daß die Landbevölkerung Preußens meiſt das ſelbſtgewebte ſogenannte Wand, ein tuchartiges ſtarkes wollenes Gewebe, zu Oberröcken und Mänteln trägt. Noch ſchlachtet in vielen Gegenden der Bauer zu Anfang des Winters ſeine Kuh und ein oder zwei Schweine für den Winter, von dem eigenen Backen des Brotes gar nicht zu reden. Noch ſoll in Oberbaiern in manchen Dörfern, wenn ein Haus gebaut wird, die ganze Gemeinde zuſammen helfen. „Am mittleren Inn“ — heißt es in der Bavaria 1 — „beſteht noch die Sitte, daß die Bauern mit ihren Leuten unter Beihilfe weniger Handwerker die Häuſer ſelbſt bauen; ſogar die Ziegel zu den Mauern werden nicht ſelten von den Landleuten ſelbſt bereitet; alle Arbeiten der Handwerker, ſelbſt der Tiſchler und Maler, werden auf der ſogenannten „Stör“ beſorgt; der Bauherr liefert die Rohſtoffe, beköſtigt die Arbeiter und zahlt gewöhnlich noch einen Tagelohn.“ Noch iſt es der Polizei nicht ganz gelungen, die Spinn- ſtuben Oberbaierns zu ſchließen, wo die Frauen und Mädchen ſpinnen, die Burſchen Späne ſchneiden und allerhand Schnitzwerk fertigen. So wie es auf dem Lande noch heute zugeht, ſo und ähnlich ging es im ſtädtiſchen Bürger- oder Beamten- hauſe noch vor 60, noch vor 30 Jahren zu. Weſſen Erinnerung zurückreicht in das großelterliche Haus, das 1 I, erſte Abtheilung S. 283. Schmoller; Geſchichte d. Kleingewerbe. 12

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/199>, abgerufen am 24.11.2024.