Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
jener Klasse, oft gar einzelner Personen verfolgen,
doch immer sich den Anschein geben, als sei ihre
egoistische Interessentenpolemik ein Ergebniß der Wissen-
schaft oder wenigstens durchaus im Einklang mit der
allgemeinen Wohlfahrt, mit dem Staatsinteresse.

Eine unbefangene Forschung, welche sich bemüht,
frei von allen Schultheorien und Interessen, nur von
den Dingen selbst auszugehen, wird das Meiste unter
anderem Gesichtswinkel sehen, als der Parteimann und
als der Klasseninteressent; sie wird Irrthümer einer-
seits, berechtigte Momente andererseits auf beiden
Seiten sehen und muß dieß, will sie anders ehrlich
verfahren, offen aussprechen. Die politischen Parteien
und die wirthschaftlichen Klassen als solche werden da-
durch nicht befriedigt werden; ja man läuft Gefahr,
alle vor den Kopf zu stoßen, ohne eine zu befriedigen.
Die Wissenschaft kann sich darüber nicht grämen.
Sie hat nicht den Parteien zu dienen, sondern über
ihnen zu stehen, sie hat nur einen Zweck, den -- ehrlich
und mit Anstrengung aller ihrer Mittel nach Wahr-
heit zu streben.

Auch nur auf einem solchen Standpunkt wird es
gelingen, was man so oft verlangt hat, so oft an-
strebt, über die Theorien Adam Smith's wahrhaft
hinauszukommen -- hinauszukommen nicht durch all-
gemeine Deklamationen, durch unwahre Anpreisungen
vergangener Zeiten und überlebter Institutionen, son-
dern durch die exakte Forschung, welche, die einzelnen
Gebiete nach einander durch emsige Arbeit klarlegend,
den großen Gedanken des Zusammenhangs aller

Vorrede.
jener Klaſſe, oft gar einzelner Perſonen verfolgen,
doch immer ſich den Anſchein geben, als ſei ihre
egoiſtiſche Intereſſentenpolemik ein Ergebniß der Wiſſen-
ſchaft oder wenigſtens durchaus im Einklang mit der
allgemeinen Wohlfahrt, mit dem Staatsintereſſe.

Eine unbefangene Forſchung, welche ſich bemüht,
frei von allen Schultheorien und Intereſſen, nur von
den Dingen ſelbſt auszugehen, wird das Meiſte unter
anderem Geſichtswinkel ſehen, als der Parteimann und
als der Klaſſenintereſſent; ſie wird Irrthümer einer-
ſeits, berechtigte Momente andererſeits auf beiden
Seiten ſehen und muß dieß, will ſie anders ehrlich
verfahren, offen ausſprechen. Die politiſchen Parteien
und die wirthſchaftlichen Klaſſen als ſolche werden da-
durch nicht befriedigt werden; ja man läuft Gefahr,
alle vor den Kopf zu ſtoßen, ohne eine zu befriedigen.
Die Wiſſenſchaft kann ſich darüber nicht grämen.
Sie hat nicht den Parteien zu dienen, ſondern über
ihnen zu ſtehen, ſie hat nur einen Zweck, den — ehrlich
und mit Anſtrengung aller ihrer Mittel nach Wahr-
heit zu ſtreben.

Auch nur auf einem ſolchen Standpunkt wird es
gelingen, was man ſo oft verlangt hat, ſo oft an-
ſtrebt, über die Theorien Adam Smith’s wahrhaft
hinauszukommen — hinauszukommen nicht durch all-
gemeine Deklamationen, durch unwahre Anpreiſungen
vergangener Zeiten und überlebter Inſtitutionen, ſon-
dern durch die exakte Forſchung, welche, die einzelnen
Gebiete nach einander durch emſige Arbeit klarlegend,
den großen Gedanken des Zuſammenhangs aller

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="XII"/><fw place="top" type="header">Vorrede.</fw><lb/>
jener Kla&#x017F;&#x017F;e, oft gar einzelner Per&#x017F;onen verfolgen,<lb/>
doch immer &#x017F;ich den An&#x017F;chein geben, als &#x017F;ei ihre<lb/>
egoi&#x017F;ti&#x017F;che Intere&#x017F;&#x017F;entenpolemik ein Ergebniß der Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft oder wenig&#x017F;tens durchaus im Einklang mit der<lb/>
allgemeinen Wohlfahrt, mit dem Staatsintere&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Eine unbefangene For&#x017F;chung, welche &#x017F;ich bemüht,<lb/>
frei von allen Schultheorien und Intere&#x017F;&#x017F;en, nur von<lb/>
den Dingen &#x017F;elb&#x017F;t auszugehen, wird das Mei&#x017F;te unter<lb/>
anderem Ge&#x017F;ichtswinkel &#x017F;ehen, als der Parteimann und<lb/>
als der Kla&#x017F;&#x017F;enintere&#x017F;&#x017F;ent; &#x017F;ie wird Irrthümer einer-<lb/>
&#x017F;eits, berechtigte Momente anderer&#x017F;eits auf beiden<lb/>
Seiten &#x017F;ehen und muß dieß, will &#x017F;ie anders ehrlich<lb/>
verfahren, offen aus&#x017F;prechen. Die politi&#x017F;chen Parteien<lb/>
und die wirth&#x017F;chaftlichen Kla&#x017F;&#x017F;en als &#x017F;olche werden da-<lb/>
durch nicht befriedigt werden; ja man läuft Gefahr,<lb/>
alle vor den Kopf zu &#x017F;toßen, ohne eine zu befriedigen.<lb/>
Die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft kann &#x017F;ich darüber nicht grämen.<lb/>
Sie hat nicht den Parteien zu dienen, &#x017F;ondern über<lb/>
ihnen zu &#x017F;tehen, &#x017F;ie hat nur einen Zweck, den &#x2014; ehrlich<lb/>
und mit An&#x017F;trengung aller ihrer Mittel nach Wahr-<lb/>
heit zu &#x017F;treben.</p><lb/>
        <p>Auch nur auf einem &#x017F;olchen Standpunkt wird es<lb/>
gelingen, was man &#x017F;o oft verlangt hat, &#x017F;o oft an-<lb/>
&#x017F;trebt, über die Theorien Adam Smith&#x2019;s wahrhaft<lb/>
hinauszukommen &#x2014; hinauszukommen nicht durch all-<lb/>
gemeine Deklamationen, durch unwahre Anprei&#x017F;ungen<lb/>
vergangener Zeiten und überlebter In&#x017F;titutionen, &#x017F;on-<lb/>
dern durch die exakte For&#x017F;chung, welche, die einzelnen<lb/>
Gebiete nach einander durch em&#x017F;ige Arbeit klarlegend,<lb/>
den großen Gedanken des Zu&#x017F;ammenhangs aller<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XII/0018] Vorrede. jener Klaſſe, oft gar einzelner Perſonen verfolgen, doch immer ſich den Anſchein geben, als ſei ihre egoiſtiſche Intereſſentenpolemik ein Ergebniß der Wiſſen- ſchaft oder wenigſtens durchaus im Einklang mit der allgemeinen Wohlfahrt, mit dem Staatsintereſſe. Eine unbefangene Forſchung, welche ſich bemüht, frei von allen Schultheorien und Intereſſen, nur von den Dingen ſelbſt auszugehen, wird das Meiſte unter anderem Geſichtswinkel ſehen, als der Parteimann und als der Klaſſenintereſſent; ſie wird Irrthümer einer- ſeits, berechtigte Momente andererſeits auf beiden Seiten ſehen und muß dieß, will ſie anders ehrlich verfahren, offen ausſprechen. Die politiſchen Parteien und die wirthſchaftlichen Klaſſen als ſolche werden da- durch nicht befriedigt werden; ja man läuft Gefahr, alle vor den Kopf zu ſtoßen, ohne eine zu befriedigen. Die Wiſſenſchaft kann ſich darüber nicht grämen. Sie hat nicht den Parteien zu dienen, ſondern über ihnen zu ſtehen, ſie hat nur einen Zweck, den — ehrlich und mit Anſtrengung aller ihrer Mittel nach Wahr- heit zu ſtreben. Auch nur auf einem ſolchen Standpunkt wird es gelingen, was man ſo oft verlangt hat, ſo oft an- ſtrebt, über die Theorien Adam Smith’s wahrhaft hinauszukommen — hinauszukommen nicht durch all- gemeine Deklamationen, durch unwahre Anpreiſungen vergangener Zeiten und überlebter Inſtitutionen, ſon- dern durch die exakte Forſchung, welche, die einzelnen Gebiete nach einander durch emſige Arbeit klarlegend, den großen Gedanken des Zuſammenhangs aller

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/18
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/18>, abgerufen am 23.11.2024.