kammer der doch schon vielfach wieder veralteten Partei- schriften geholt (hier aus Adam Müller, Haller, Sismondi, dort aus Adam Smith und Bastiat), auf die im Augenblick streitigen Objekte oft kaum paßten. Besonders die extremen Flügel beider großen politischen Parteien haben intolerant, wie die Extreme immer sind, sich gerade auch für volkswirthschaftliche Dinge ein Parteidogma zurecht gemacht, an dessen Unfehlbar- keit und Unantastbarkeit sie mit der ganzen Leiden- schaftlichkeit einer pfäffischen Orthodoxie festhalten. Dieser Vorwurf trifft nicht bloß unsere konservativen, er trifft besonders auch die radikalen Volkswirthe.
Man kann mit den Hauptzielen der volkswirth- schaftlichen liberalen Agitation des letzten Jahrzehntes, mit den Hauptzielen des volkswirthschaftlichen Kon- gresses vollständig einverstanden sein, man kann das Verdienst jener volkswirthschaftlichen Agitation um die praktische Durchführung wichtiger, allerdings über- wiegend negativer Reformen, man kann das positive Verdienst Schulze-Delitzsch's sehr hoch stellen, ohne darum die ganz einseitigen theoretischen Grundlagen jener volkswirthschaftlichen Partei zu theilen -- jenes abstrakte Schuldogma, das die unbedingte Harmonie aller Privatinteressen, das die unbedingte Berechtigung jedes wirthschaftlichen Egoismus predigt, das, die psychologischen, sozialen und sittlichen Vorbedingungen jedes konkreten volkswirthschaftlichen Zustandes ver- kennend, das wirthschaftliche Leben aus abstrakten Motiven ableitet. Man kann die Grenzen einer über- mächtigen Bureaukratie eingeengt, den Polizeistaat in
Vorrede.
kammer der doch ſchon vielfach wieder veralteten Partei- ſchriften geholt (hier aus Adam Müller, Haller, Sismondi, dort aus Adam Smith und Baſtiat), auf die im Augenblick ſtreitigen Objekte oft kaum paßten. Beſonders die extremen Flügel beider großen politiſchen Parteien haben intolerant, wie die Extreme immer ſind, ſich gerade auch für volkswirthſchaftliche Dinge ein Parteidogma zurecht gemacht, an deſſen Unfehlbar- keit und Unantaſtbarkeit ſie mit der ganzen Leiden- ſchaftlichkeit einer pfäffiſchen Orthodoxie feſthalten. Dieſer Vorwurf trifft nicht bloß unſere konſervativen, er trifft beſonders auch die radikalen Volkswirthe.
Man kann mit den Hauptzielen der volkswirth- ſchaftlichen liberalen Agitation des letzten Jahrzehntes, mit den Hauptzielen des volkswirthſchaftlichen Kon- greſſes vollſtändig einverſtanden ſein, man kann das Verdienſt jener volkswirthſchaftlichen Agitation um die praktiſche Durchführung wichtiger, allerdings über- wiegend negativer Reformen, man kann das poſitive Verdienſt Schulze-Delitzſch’s ſehr hoch ſtellen, ohne darum die ganz einſeitigen theoretiſchen Grundlagen jener volkswirthſchaftlichen Partei zu theilen — jenes abſtrakte Schuldogma, das die unbedingte Harmonie aller Privatintereſſen, das die unbedingte Berechtigung jedes wirthſchaftlichen Egoismus predigt, das, die pſychologiſchen, ſozialen und ſittlichen Vorbedingungen jedes konkreten volkswirthſchaftlichen Zuſtandes ver- kennend, das wirthſchaftliche Leben aus abſtrakten Motiven ableitet. Man kann die Grenzen einer über- mächtigen Bureaukratie eingeengt, den Polizeiſtaat in
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[X/0016]
Vorrede.
kammer der doch ſchon vielfach wieder veralteten Partei-
ſchriften geholt (hier aus Adam Müller, Haller,
Sismondi, dort aus Adam Smith und Baſtiat), auf
die im Augenblick ſtreitigen Objekte oft kaum paßten.
Beſonders die extremen Flügel beider großen politiſchen
Parteien haben intolerant, wie die Extreme immer
ſind, ſich gerade auch für volkswirthſchaftliche Dinge
ein Parteidogma zurecht gemacht, an deſſen Unfehlbar-
keit und Unantaſtbarkeit ſie mit der ganzen Leiden-
ſchaftlichkeit einer pfäffiſchen Orthodoxie feſthalten.
Dieſer Vorwurf trifft nicht bloß unſere konſervativen,
er trifft beſonders auch die radikalen Volkswirthe.
Man kann mit den Hauptzielen der volkswirth-
ſchaftlichen liberalen Agitation des letzten Jahrzehntes,
mit den Hauptzielen des volkswirthſchaftlichen Kon-
greſſes vollſtändig einverſtanden ſein, man kann das
Verdienſt jener volkswirthſchaftlichen Agitation um die
praktiſche Durchführung wichtiger, allerdings über-
wiegend negativer Reformen, man kann das poſitive
Verdienſt Schulze-Delitzſch’s ſehr hoch ſtellen, ohne
darum die ganz einſeitigen theoretiſchen Grundlagen
jener volkswirthſchaftlichen Partei zu theilen — jenes
abſtrakte Schuldogma, das die unbedingte Harmonie
aller Privatintereſſen, das die unbedingte Berechtigung
jedes wirthſchaftlichen Egoismus predigt, das, die
pſychologiſchen, ſozialen und ſittlichen Vorbedingungen
jedes konkreten volkswirthſchaftlichen Zuſtandes ver-
kennend, das wirthſchaftliche Leben aus abſtrakten
Motiven ableitet. Man kann die Grenzen einer über-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/16>, abgerufen am 23.11.2024.
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