Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die landwirtschaftliche Unternehmung. Das Handwerk. wirtschaftlichen Betriebe an Familienwirtschaften angelehnt, so gilt im gewerblichen LebenÄhnliches, solange es die Stufe des Handwerks nicht überschreitet. Wir verstehen unter einem Handwerksbetrieb das kleine, mit der Familien- Der Handwerker ist ein Mann, der durch bestimmte, eigentümliche, technische Freilich das Geschäft ist klein und beschränkt; es kennt keine wesentliche Arbeits- Man könnte hinzufügen, es habe da geblüht, wo es richtig eingefügt war in den 27*
Die landwirtſchaftliche Unternehmung. Das Handwerk. wirtſchaftlichen Betriebe an Familienwirtſchaften angelehnt, ſo gilt im gewerblichen LebenÄhnliches, ſolange es die Stufe des Handwerks nicht überſchreitet. Wir verſtehen unter einem Handwerksbetrieb das kleine, mit der Familien- Der Handwerker iſt ein Mann, der durch beſtimmte, eigentümliche, techniſche Freilich das Geſchäft iſt klein und beſchränkt; es kennt keine weſentliche Arbeits- Man könnte hinzufügen, es habe da geblüht, wo es richtig eingefügt war in den 27*
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Wir haben oben (S. 349—350) die Entſtehung des Handwerks auf<lb/> dem Boden der Arbeitsteilung, die ſociale Stellung der Handwerker, die Zeit ihrer<lb/> Hauptblüte kennen gelernt; hier haben wir von dem Handwerk als einer Betriebs-<lb/> und Unternehmungsform, als dem Anſatz und Keim der ſpäteren vollen gewerblichen<lb/> Unternehmung zu ſprechen; es verſteht ſich, daß wir dabei weſentlich das Handwerk in<lb/> der Epoche ſeiner vollen Ausbildung im Auge haben; es handelt ſich hauptſächlich um<lb/> das ſtädtiſche Handwerk, wie es nach Ausbildung der Geldwirtſchaft ſich entwickelte,<lb/> ſpäter auch auf das platte Land ſich ausdehnte.</p><lb/> <p>Der Handwerker iſt ein Mann, der durch beſtimmte, eigentümliche, techniſche<lb/> Kunſtfertigkeit ſich von ſeinen Stammes- und Gemeindegenoſſen unterſcheidet, von ſeiner<lb/> Arbeit und Kunſt zu leben ſucht. Er thut es, indem er hauſierend oder am Ort und in<lb/> der Umgebung ſeine Dienſte anbietet, in der Hauswirtſchaft anderer Familien als techniſcher<lb/> Hülfsarbeiter, als Schneider, Schlächter, Küfer gegen Koſt und Bezahlung mithilft, dann<lb/> aber, indem er mit ſeinem einfachen Handwerkszeug zu Hauſe in ſeiner kleinen Werkſtatt<lb/> für Kunden auf Beſtellung arbeitet oder einige Waren auf Vorrat für den örtlichen<lb/> Markt und die nächſtliegenden Jahrmärkte herſtellt und zu verkaufen ſucht. Wo er<lb/> ſeßhaft geworden iſt, läßt er ſich bei ſeiner Arbeit von Frau und Kindern, iſt ſie etwas<lb/> umfangreicher, von Lehrling und Geſellen helfen. Sein Geſchäft bleibt meiſt in engſter<lb/> Verbindung mit der Familienwirtſchaft; Wohnung und Werkſtatt fallen nicht immer,<lb/> aber ſehr häufig zuſammen; Lehrling und Geſelle werden als Familienglieder behandelt.<lb/> Anderes Kapital als die Werkzeuge und etwas Rohſtoffe ſind nicht vorhanden; glücklich,<lb/> wenn der Meiſter noch Häuschen und Gartenſtück beſitzt; oft wohnt er zur Miete; die<lb/> Werkſtatt oder Bude gehört teilweiſe der Stadt, der Zunft oder einem anderen Herrn.<lb/> Mag er vielfach nebenher durch Beſitz und Eigenwirtſchaft eine wirtſchaftliche Sicherung<lb/> der Exiſtenz haben, im ganzen will er von ſeiner Arbeit, ſeinem Gewerbe leben; und<lb/> er kann es, wenn er eine genügende Kundenzahl findet; ſeine Stellung als Geſchäfts-<lb/> mann beruht weſentlich darauf, daß er direkt für die ihm bekannten, oftmals befreundeten<lb/> Kunden arbeitet, direkt ohne kaufmänniſche Zwiſchenglieder an die Kunden verkauft. Die<lb/> perſönlichen direkten Beziehungen des Meiſters als Produzenten zu den Konſumenten<lb/> auf dem Markt der Stadt und in der nächſten Umgebung unterſcheidet die Betriebs-<lb/> form des Handwerks von der Hausinduſtrie und der Großinduſtrie. Daß er viel mehr<lb/> als der Bauer von dem Markte lebt, unterſcheidet ihn von dieſem. Der Handwerks-<lb/> meiſter hat ein Geſchäft, der Bauer einen Haushalt.</p><lb/> <p>Freilich das Geſchäft iſt klein und beſchränkt; es kennt keine weſentliche Arbeits-<lb/> teilung, kein großes Riſiko. Der Meiſter, der ſich zu Wohlſtand und Hausbeſitz auf-<lb/> arbeitet, dankt es mehr ſeiner Geſchicklichkeit und Zuverläſſigkeit, als dem wagenden Mut,<lb/> der Fähigkeit, den Abſatz zu organiſieren, wie Kaufmann und Fabrikant. Deshalb will<lb/> Sombart das Handwerk nicht als Unternehmung gelten laſſen. Aber immer muß der Meiſter<lb/> Werkzeuge und Rohſtoff anſchaffen, er muß ein- und verkaufen, Gehülfen und Kunden<lb/> behandeln können. Das Handwerk hat nur da geblüht, wo ein gewiſſer Unternehmer-<lb/> geiſt ſich mit techniſchem Geſchick, mit Klugheit und ſittlicher Tüchtigkeit verband; ohne<lb/> Gewinnabſicht kann es nicht exiſtieren, wenn es auch nicht kaufmänniſch ſpekuliert.</p><lb/> <p>Man könnte hinzufügen, es habe da geblüht, wo es richtig eingefügt war in den<lb/> Zuſammenhang einer Zunft- und Stadtorganiſation, die ihm das gab, was der ſpätere<lb/> Großunternehmer ſich ſelbſt verſchaffte: geſicherten Abſatz. Aus bruderſchaftlichen Ver-<lb/> einigungen der das gleiche Handwerk treibenden Genoſſen und aus Markteinrichtungen<lb/> war die Inſtitution der Zünfte hervorgegangen (ſ. oben S. 404). Das Wohnen oder<lb/> Feilbieten der Handwerker gleichen Berufes neben einander auf beſtimmten Teilen des<lb/> <fw place="bottom" type="sig">27*</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [419/0435]
Die landwirtſchaftliche Unternehmung. Das Handwerk.
wirtſchaftlichen Betriebe an Familienwirtſchaften angelehnt, ſo gilt im gewerblichen Leben
Ähnliches, ſolange es die Stufe des Handwerks nicht überſchreitet.
Wir verſtehen unter einem Handwerksbetrieb das kleine, mit der Familien-
wirtſchaft des Inhabers verbundene Geſchäft eines durch irgend eine beſondere techniſch-
gewerbliche Geſchicklichkeit ſich auszeichnenden Meiſters, der allein oder mit ſeiner
Familie oder wenigen Gehülfen für Kunden arbeitet, an ſie ſeine Arbeit oder ſeine
Produkte verkauft. Wir haben oben (S. 349—350) die Entſtehung des Handwerks auf
dem Boden der Arbeitsteilung, die ſociale Stellung der Handwerker, die Zeit ihrer
Hauptblüte kennen gelernt; hier haben wir von dem Handwerk als einer Betriebs-
und Unternehmungsform, als dem Anſatz und Keim der ſpäteren vollen gewerblichen
Unternehmung zu ſprechen; es verſteht ſich, daß wir dabei weſentlich das Handwerk in
der Epoche ſeiner vollen Ausbildung im Auge haben; es handelt ſich hauptſächlich um
das ſtädtiſche Handwerk, wie es nach Ausbildung der Geldwirtſchaft ſich entwickelte,
ſpäter auch auf das platte Land ſich ausdehnte.
Der Handwerker iſt ein Mann, der durch beſtimmte, eigentümliche, techniſche
Kunſtfertigkeit ſich von ſeinen Stammes- und Gemeindegenoſſen unterſcheidet, von ſeiner
Arbeit und Kunſt zu leben ſucht. Er thut es, indem er hauſierend oder am Ort und in
der Umgebung ſeine Dienſte anbietet, in der Hauswirtſchaft anderer Familien als techniſcher
Hülfsarbeiter, als Schneider, Schlächter, Küfer gegen Koſt und Bezahlung mithilft, dann
aber, indem er mit ſeinem einfachen Handwerkszeug zu Hauſe in ſeiner kleinen Werkſtatt
für Kunden auf Beſtellung arbeitet oder einige Waren auf Vorrat für den örtlichen
Markt und die nächſtliegenden Jahrmärkte herſtellt und zu verkaufen ſucht. Wo er
ſeßhaft geworden iſt, läßt er ſich bei ſeiner Arbeit von Frau und Kindern, iſt ſie etwas
umfangreicher, von Lehrling und Geſellen helfen. Sein Geſchäft bleibt meiſt in engſter
Verbindung mit der Familienwirtſchaft; Wohnung und Werkſtatt fallen nicht immer,
aber ſehr häufig zuſammen; Lehrling und Geſelle werden als Familienglieder behandelt.
Anderes Kapital als die Werkzeuge und etwas Rohſtoffe ſind nicht vorhanden; glücklich,
wenn der Meiſter noch Häuschen und Gartenſtück beſitzt; oft wohnt er zur Miete; die
Werkſtatt oder Bude gehört teilweiſe der Stadt, der Zunft oder einem anderen Herrn.
Mag er vielfach nebenher durch Beſitz und Eigenwirtſchaft eine wirtſchaftliche Sicherung
der Exiſtenz haben, im ganzen will er von ſeiner Arbeit, ſeinem Gewerbe leben; und
er kann es, wenn er eine genügende Kundenzahl findet; ſeine Stellung als Geſchäfts-
mann beruht weſentlich darauf, daß er direkt für die ihm bekannten, oftmals befreundeten
Kunden arbeitet, direkt ohne kaufmänniſche Zwiſchenglieder an die Kunden verkauft. Die
perſönlichen direkten Beziehungen des Meiſters als Produzenten zu den Konſumenten
auf dem Markt der Stadt und in der nächſten Umgebung unterſcheidet die Betriebs-
form des Handwerks von der Hausinduſtrie und der Großinduſtrie. Daß er viel mehr
als der Bauer von dem Markte lebt, unterſcheidet ihn von dieſem. Der Handwerks-
meiſter hat ein Geſchäft, der Bauer einen Haushalt.
Freilich das Geſchäft iſt klein und beſchränkt; es kennt keine weſentliche Arbeits-
teilung, kein großes Riſiko. Der Meiſter, der ſich zu Wohlſtand und Hausbeſitz auf-
arbeitet, dankt es mehr ſeiner Geſchicklichkeit und Zuverläſſigkeit, als dem wagenden Mut,
der Fähigkeit, den Abſatz zu organiſieren, wie Kaufmann und Fabrikant. Deshalb will
Sombart das Handwerk nicht als Unternehmung gelten laſſen. Aber immer muß der Meiſter
Werkzeuge und Rohſtoff anſchaffen, er muß ein- und verkaufen, Gehülfen und Kunden
behandeln können. Das Handwerk hat nur da geblüht, wo ein gewiſſer Unternehmer-
geiſt ſich mit techniſchem Geſchick, mit Klugheit und ſittlicher Tüchtigkeit verband; ohne
Gewinnabſicht kann es nicht exiſtieren, wenn es auch nicht kaufmänniſch ſpekuliert.
Man könnte hinzufügen, es habe da geblüht, wo es richtig eingefügt war in den
Zuſammenhang einer Zunft- und Stadtorganiſation, die ihm das gab, was der ſpätere
Großunternehmer ſich ſelbſt verſchaffte: geſicherten Abſatz. Aus bruderſchaftlichen Ver-
einigungen der das gleiche Handwerk treibenden Genoſſen und aus Markteinrichtungen
war die Inſtitution der Zünfte hervorgegangen (ſ. oben S. 404). Das Wohnen oder
Feilbieten der Handwerker gleichen Berufes neben einander auf beſtimmten Teilen des
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