Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die Geschichte der Kriegsverfassung. Die Händler. Die reinen Soldheere, die im Altertume schon etwa 400 v. Chr. beginnen, auch Daher ist die neuere Zeit zu einem gemischten System zurückgekehrt: lebenslängliche 115. Die Händler. Ein gewisser Handel und Tauschverkehr hat sich sehr Der erste Handel und Tauschverkehr war nun aber lange ein solcher ohne Händler. Nur bei solchen Stämmen, die, entweder am Meere lebend, Fischfang und Schiffahrt Die Geſchichte der Kriegsverfaſſung. Die Händler. Die reinen Soldheere, die im Altertume ſchon etwa 400 v. Chr. beginnen, auch Daher iſt die neuere Zeit zu einem gemiſchten Syſtem zurückgekehrt: lebenslängliche 115. Die Händler. Ein gewiſſer Handel und Tauſchverkehr hat ſich ſehr Der erſte Handel und Tauſchverkehr war nun aber lange ein ſolcher ohne Händler. Nur bei ſolchen Stämmen, die, entweder am Meere lebend, Fiſchfang und Schiffahrt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0349" n="333"/> <fw place="top" type="header">Die Geſchichte der Kriegsverfaſſung. Die Händler.</fw><lb/> <p>Die reinen Soldheere, die im Altertume ſchon etwa 400 v. Chr. beginnen, auch<lb/> in Rom unter Marius die alten Bauernſoldaten verdrängen, in der neueren Zeit vom<lb/> 13.—18. Jahrhundert vorherrſchen, am früheſten und ausſchließlichſten reichen Handels-<lb/> ſtaaten eigen ſind, führen aber zuletzt zu den größten politiſchen und ſocialen Mißſtänden.<lb/> Während das übrige Volk in Feigheit und Genußſucht verweichlicht, ſetzt ſich der Soldaten-<lb/> ſtand mehr und mehr aus den roheſten Elementen, barbariſchen Fremden, Soldaten-<lb/> kindern, Thunichtguten, Verbrechern zuſammen; ohne ſittlichen Zuſammenhang mit den<lb/> Volks- und Staatsintereſſen, die er verteidigen ſoll, ergiebt er ſich Uſurpationen, erhebt<lb/> ſeine Führer zur Diktatur, fordert unerſchwingliche Summen für ſeinen Unterhalt oder<lb/> ſeine Beſtechung und ſchützt zuletzt ſo wenig vor innerer Auflöſung wie vor äußeren<lb/> Feinden. Die zu weit getriebene Arbeitsteilung macht bankerott.</p><lb/> <p>Daher iſt die neuere Zeit zu einem gemiſchten Syſtem zurückgekehrt: lebenslängliche<lb/> Offiziere ſowie Unteroffiziere, die 8—15 Jahre dienen und dann in eine Civilſtellung<lb/> übergehen, geben den Rahmen für ein ſtehendes Heer, für das die Männer vom 17. bis<lb/> 42. Jahre (18 % der Bevölkerung) kriegspflichtig ſind, in dem die körperlich tüchtigen<lb/> Männer der ganzen Nation in einer Übungszeit von einigen Monaten oder Jahren<lb/> kriegeriſch ausgebildet werden, um dann ihrem anderen, dauernden Berufe zurückgegeben,<lb/> nur im Kriegsfalle je nach Bedarf bis zu 7, 8 und 9 % der Bevölkerung zur Fahne<lb/> gezogen zu werden. Im Offiziersdienſte verjüngt ſich der alte Grundbeſitzadel, indem<lb/> er neue Pflichten auf ſich nimmt; er kann es aber nur, indem er ſelbſt zugleich die<lb/> höhere geiſtige Bildung der liberalen Berufe erwirbt und ſich mit dieſen gleichſam ver-<lb/> ſchwiſtert. Die allgemeine Wehrpflicht der übrigen Klaſſen iſt die ſtärkſte Korrektur der<lb/> ſonſtigen ſo weitgehenden, teilweiſe übertriebenen Arbeitsteilung überhaupt, ein Erziehungs-<lb/> mittel für die ganze Nation, ſowie ein ſicheres Gegenmittel gegen die Mißbräuche der<lb/> Klaſſenherrſchaft.</p><lb/> <p>115. <hi rendition="#g">Die Händler</hi>. Ein gewiſſer Handel und Tauſchverkehr hat ſich ſehr<lb/> frühe entwickelt. Wir kennen kaum Stämme und Völker, die nicht irgendwie durch ihn<lb/> berührt würden. Die verſchiedene techniſche und kulturelle Entwickelung ſchuf in der<lb/> allerfrüheſten Zeit bei einzelnen Stämmen beſſere Waren und Werkzeuge; die Natur<lb/> gab verſchiedene Produkte, welche bei den Nachbarn bekannt und begehrt wurden. Und<lb/> überall hat ſich die Thatſache wiederholt, daß der Wunſch nach ſolchen Waren und<lb/> Produkten Jahrhunderte, oft Jahrtauſende früher lebendig wurde als die Kunſt, ſie<lb/> herzuſtellen; für viele war dies ja an ſich durch die Natur ausgeſchloſſen.</p><lb/> <p>Der erſte Handel und Tauſchverkehr war nun aber lange ein ſolcher ohne Händler.<lb/> Schon in der Epoche der durchbohrten Steine gelangen Werkzeuge und Schmuckſachen<lb/> von Stamm zu Stamm auf Tauſende von Meilen. Ein ſprachloſer, ſtummer Handel<lb/> beſteht noch heute am Niger; auf den Stammgrenzen kommt man zuſammen, legt ein-<lb/> zelnes zum Austauſch hin, zieht ſich zurück, um die Fremden eine Gegengabe hinlegen<lb/> zu laſſen, und holt dann letztere. Innerhalb desſelben Stammes hindert lange die<lb/> Gleichheit der perſönlichen Eigenſchaften und des Beſitzes jedes Bedürfnis des Tauſches.<lb/> Auch auf viel höherer Kulturſtufe finden wir noch einen Handel ohne Händler, wie<lb/> z. B. zwiſchen dem Bauer des platten Landes und dem Handwerker der mittelalterlichen<lb/> Stadt lange ein ſolcher Austauſch der Erzeugniſſe ſtattfindet, ein Handel zwiſchen<lb/> Produzent und Konſument. Zwiſchen verſchiedenen Stämmen gaben die Häuptlinge und<lb/> Fürſten am eheſten die Möglichkeit und den Anlaß zum Tauſch. Daher ſind lange dieſe<lb/> Spitzen der Geſellſchaft die weſentlich Handeltreibenden. In Mikroneſien iſt heute noch<lb/> dem Adel Schiffahrt und Handel allein vorbehalten; die kleinen Negerkönige Afrikas<lb/> ſuchen noch möglichſt den Handel für ſich zu monopoliſieren. Ähnliches wird von den<lb/> älteren ruſſiſchen Teilfürſten berichtet; die Haupthändler in Tyrus, Sidon und Israel<lb/> waren die Häuptlinge und Könige.</p><lb/> <p>Nur bei ſolchen Stämmen, die, entweder am Meere lebend, Fiſchfang und Schiffahrt<lb/> frühe erlernten, oder als Hirten mit ihren Herden zwiſchen verſchiedenen Gegenden und<lb/> Stämmen hin und her fuhren, wie bei den Phönikern und den arabiſch-ſyriſchen Hirten-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [333/0349]
Die Geſchichte der Kriegsverfaſſung. Die Händler.
Die reinen Soldheere, die im Altertume ſchon etwa 400 v. Chr. beginnen, auch
in Rom unter Marius die alten Bauernſoldaten verdrängen, in der neueren Zeit vom
13.—18. Jahrhundert vorherrſchen, am früheſten und ausſchließlichſten reichen Handels-
ſtaaten eigen ſind, führen aber zuletzt zu den größten politiſchen und ſocialen Mißſtänden.
Während das übrige Volk in Feigheit und Genußſucht verweichlicht, ſetzt ſich der Soldaten-
ſtand mehr und mehr aus den roheſten Elementen, barbariſchen Fremden, Soldaten-
kindern, Thunichtguten, Verbrechern zuſammen; ohne ſittlichen Zuſammenhang mit den
Volks- und Staatsintereſſen, die er verteidigen ſoll, ergiebt er ſich Uſurpationen, erhebt
ſeine Führer zur Diktatur, fordert unerſchwingliche Summen für ſeinen Unterhalt oder
ſeine Beſtechung und ſchützt zuletzt ſo wenig vor innerer Auflöſung wie vor äußeren
Feinden. Die zu weit getriebene Arbeitsteilung macht bankerott.
Daher iſt die neuere Zeit zu einem gemiſchten Syſtem zurückgekehrt: lebenslängliche
Offiziere ſowie Unteroffiziere, die 8—15 Jahre dienen und dann in eine Civilſtellung
übergehen, geben den Rahmen für ein ſtehendes Heer, für das die Männer vom 17. bis
42. Jahre (18 % der Bevölkerung) kriegspflichtig ſind, in dem die körperlich tüchtigen
Männer der ganzen Nation in einer Übungszeit von einigen Monaten oder Jahren
kriegeriſch ausgebildet werden, um dann ihrem anderen, dauernden Berufe zurückgegeben,
nur im Kriegsfalle je nach Bedarf bis zu 7, 8 und 9 % der Bevölkerung zur Fahne
gezogen zu werden. Im Offiziersdienſte verjüngt ſich der alte Grundbeſitzadel, indem
er neue Pflichten auf ſich nimmt; er kann es aber nur, indem er ſelbſt zugleich die
höhere geiſtige Bildung der liberalen Berufe erwirbt und ſich mit dieſen gleichſam ver-
ſchwiſtert. Die allgemeine Wehrpflicht der übrigen Klaſſen iſt die ſtärkſte Korrektur der
ſonſtigen ſo weitgehenden, teilweiſe übertriebenen Arbeitsteilung überhaupt, ein Erziehungs-
mittel für die ganze Nation, ſowie ein ſicheres Gegenmittel gegen die Mißbräuche der
Klaſſenherrſchaft.
115. Die Händler. Ein gewiſſer Handel und Tauſchverkehr hat ſich ſehr
frühe entwickelt. Wir kennen kaum Stämme und Völker, die nicht irgendwie durch ihn
berührt würden. Die verſchiedene techniſche und kulturelle Entwickelung ſchuf in der
allerfrüheſten Zeit bei einzelnen Stämmen beſſere Waren und Werkzeuge; die Natur
gab verſchiedene Produkte, welche bei den Nachbarn bekannt und begehrt wurden. Und
überall hat ſich die Thatſache wiederholt, daß der Wunſch nach ſolchen Waren und
Produkten Jahrhunderte, oft Jahrtauſende früher lebendig wurde als die Kunſt, ſie
herzuſtellen; für viele war dies ja an ſich durch die Natur ausgeſchloſſen.
Der erſte Handel und Tauſchverkehr war nun aber lange ein ſolcher ohne Händler.
Schon in der Epoche der durchbohrten Steine gelangen Werkzeuge und Schmuckſachen
von Stamm zu Stamm auf Tauſende von Meilen. Ein ſprachloſer, ſtummer Handel
beſteht noch heute am Niger; auf den Stammgrenzen kommt man zuſammen, legt ein-
zelnes zum Austauſch hin, zieht ſich zurück, um die Fremden eine Gegengabe hinlegen
zu laſſen, und holt dann letztere. Innerhalb desſelben Stammes hindert lange die
Gleichheit der perſönlichen Eigenſchaften und des Beſitzes jedes Bedürfnis des Tauſches.
Auch auf viel höherer Kulturſtufe finden wir noch einen Handel ohne Händler, wie
z. B. zwiſchen dem Bauer des platten Landes und dem Handwerker der mittelalterlichen
Stadt lange ein ſolcher Austauſch der Erzeugniſſe ſtattfindet, ein Handel zwiſchen
Produzent und Konſument. Zwiſchen verſchiedenen Stämmen gaben die Häuptlinge und
Fürſten am eheſten die Möglichkeit und den Anlaß zum Tauſch. Daher ſind lange dieſe
Spitzen der Geſellſchaft die weſentlich Handeltreibenden. In Mikroneſien iſt heute noch
dem Adel Schiffahrt und Handel allein vorbehalten; die kleinen Negerkönige Afrikas
ſuchen noch möglichſt den Handel für ſich zu monopoliſieren. Ähnliches wird von den
älteren ruſſiſchen Teilfürſten berichtet; die Haupthändler in Tyrus, Sidon und Israel
waren die Häuptlinge und Könige.
Nur bei ſolchen Stämmen, die, entweder am Meere lebend, Fiſchfang und Schiffahrt
frühe erlernten, oder als Hirten mit ihren Herden zwiſchen verſchiedenen Gegenden und
Stämmen hin und her fuhren, wie bei den Phönikern und den arabiſch-ſyriſchen Hirten-
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