Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die Einnahmen der Gemeinde. den Staatsaufgaben näher stehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinenLeistungsfähigkeit nicht zu entbehren. Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, besonders die Städte, bei Ausreichen mit den Gemeindesteuern wird man trotzdem nicht, zumal in den 112. Gesamtergebnisse. Das neuere Anwachsen der wirtschaft- Wir sahen, daß aus genossenschaftlichen herrschaftliche Wirtschaftsgebilde, gebiets- Die Einnahmen der Gemeinde. den Staatsaufgaben näher ſtehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinenLeiſtungsfähigkeit nicht zu entbehren. Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, beſonders die Städte, bei Ausreichen mit den Gemeindeſteuern wird man trotzdem nicht, zumal in den 112. Geſamtergebniſſe. Das neuere Anwachſen der wirtſchaft- Wir ſahen, daß aus genoſſenſchaftlichen herrſchaftliche Wirtſchaftsgebilde, gebiets- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0333" n="317"/><fw place="top" type="header">Die Einnahmen der Gemeinde.</fw><lb/> den Staatsaufgaben näher ſtehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinen<lb/> Leiſtungsfähigkeit nicht zu entbehren.</p><lb/> <p>Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, beſonders die Städte, bei<lb/> ſich ausgebildet hatten, hat der Staat ihnen vielfach genommen, weil ſie die Handhabe<lb/> einer lokalen, egoiſtiſchen, wirtſchaftlichen Sonderpolitik waren, und die Staatsbeamten<lb/> techniſch zur Verwaltung der indirekten Steuern viel fähiger ſind. Auch die ſelbſtändigen<lb/> direkten Kommunalſteuern gingen auf dem Kontinente meiſt von 1600—1850 in<lb/> Staatsſteuern über, während England ſein beſonderes Lokalſteuerſyſtem auf Grund des<lb/> ſichtbaren äußeren Vermögensbeſitzes beibehielt. So ſind die Kommunen heute auf dem<lb/> Kontinente überwiegend auf Zuſchläge zu den direkten Staatsſteuern angewieſen, was<lb/> die Gemeinden in vieler Beziehung lähmt und hindert. Es iſt daher ein glücklicher<lb/> Gedanke, daß man in Preußen den Ertrag der Grund-, Gebäude- und Gewerbeſteuer<lb/> ganz den Gemeinden überlaſſen hat.</p><lb/> <p>Ausreichen mit den Gemeindeſteuern wird man trotzdem nicht, zumal in den<lb/> kleineren und ärmeren Gemeinden und gegenüber den zunehmenden Staatsaufträgen und<lb/> vom Staate geforderten Zwangsausgaben. Nie ſollte der vom Staate auf die Gemeinden<lb/> in dieſer Richtung geübte, in gewiſſem Umfange freilich notwendige Druck ſo weit gehen,<lb/> daß die Gemeinde zur bloßen Abwehrverbindung gegen ſtaatliche Zumutungen wird.<lb/> Im übrigen iſt zu helfen durch Schaffung größerer, leiſtungsfähigerer Gemeinden,<lb/> durch Übertragung einzelner Aufgaben von den Gemeinden auf das Amt, den Kreis, den<lb/> Bezirk, ferner dadurch, daß die Gemeinden vom Staate oder den größeren Verbänden<lb/> mit Kapital oder jährlichen Zuſchüſſen dotiert werden oder ſchließlich, was die beſte<lb/> Form iſt, dadurch, daß ſie für beſtimmte Zwangsaufgaben, die ſie nach dem Geſetz erfüllen<lb/> müſſen, durch ſtaatliche Vorſchüſſe und Zuſchüſſe ſubventioniert werden, die ſich einer-<lb/> ſeits nach ihrer Bedürftigkeit, andererſeits nach ihrer eigenen Aufwendung richten. Indem<lb/> in ſteigendem Umfange komplizierte, gerechte Maßſtäbe für ſolche Subventionen gefunden<lb/> werden, erhält man die Selbſtthätigkeit und das Selbſtintereſſe der Gemeinden und<lb/> kommt zugleich zu einem paſſenden Zuſammenwirken von Staat und Kommune. —</p><lb/> <p>112. <hi rendition="#g">Geſamtergebniſſe. Das neuere Anwachſen der wirtſchaft-<lb/> lichen Staats- und Gemeindethätigkeit, ihre Grenze und Verſchieden-<lb/> heit</hi>. Der vorſtehende Überblick über die Geſchichte und den gegenwärtigen Beſtand<lb/> der gebietskörperſchaftlichen Wirtſchaften und öffentlichen Haushalte konnte und ſollte<lb/> den Gegenſtand nicht erſchöpfen, ſondern nur die Hauptpunkte hervorheben; zumal auf die<lb/> Wirtſchaften der Kirchen, der Stiftungen, der humanitären Korporationen und Vereine,<lb/> welche A. Wagner der Volkswirtſchaft als ein beſonderes caritatives Syſtem neben Gemein-<lb/> wirtſchaft und Privatwirtſchaft einfügen will, iſt dabei gar nicht eingegangen; zunächſt<lb/> des Raumes und ihrer geringeren Bedeutung wegen, dann aber auch, weil die wirtſchaft-<lb/> lichen Aufgaben und die finanziellen Mittel, ebenſo die Licht- und Schattenſeiten aller<lb/> dieſer Organe doch im Grunde mit denen von Staat und Gemeinde identiſch oder nahe<lb/> verwandt ſind, nur eigentümliche Abarten derſelben darſtellen. Wir haben hier zum<lb/> Schluß nur noch ein zuſammenfaſſendes Wort über das Reſultat unſerer Unterſuchung<lb/> und über die neueſte Entwickelung beizufügen.</p><lb/> <p>Wir ſahen, daß aus genoſſenſchaftlichen herrſchaftliche Wirtſchaftsgebilde, gebiets-<lb/> körperſchaftliche Organiſationen entſtehen, daß an ihrer Spitze öffentliche Haushalte<lb/> ſich bilden, die über allen anderen Wirtſchaftsorganen des Gebietes ſtehen, daß an<lb/> die herrſchaftliche Spitze von Staat und Gemeinde ſich wirtſchaftliche Inſtitutionen an-<lb/> ſchließen, welche das ganze Wirtſchaftsleben beeinfluſſen oder beherrſchen. Wir ſahen,<lb/> daß die Ausbildung der Volkswirtſchaft, der öffentlichen Haushalte und der ſtaatlichen<lb/> Wirtſchaftsinſtitutionen nur Glieder eines und desſelben großen Prozeſſes ſind. Die<lb/> öffentlichen Haushalte bilden den Kern der Staats-, Macht- und Rechtsorganiſation,<lb/> den Mittelpunkt der Volkswirtſchaft, den ernährenden Quell für alle Staatsverwaltung<lb/> und alle ſtaatlichen Wirtſchaftseinrichtungen. Die geſamte Verwaltung von Staat und<lb/> Gemeinde iſt ſo beſtimmend für alle volkswirtſchaftlichen Zuſtände, daß ohne ihre<lb/> Kenntnis nur über wenige Gebiete der Volkswirtſchaft ein begründetes Urteil möglich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0333]
Die Einnahmen der Gemeinde.
den Staatsaufgaben näher ſtehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinen
Leiſtungsfähigkeit nicht zu entbehren.
Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, beſonders die Städte, bei
ſich ausgebildet hatten, hat der Staat ihnen vielfach genommen, weil ſie die Handhabe
einer lokalen, egoiſtiſchen, wirtſchaftlichen Sonderpolitik waren, und die Staatsbeamten
techniſch zur Verwaltung der indirekten Steuern viel fähiger ſind. Auch die ſelbſtändigen
direkten Kommunalſteuern gingen auf dem Kontinente meiſt von 1600—1850 in
Staatsſteuern über, während England ſein beſonderes Lokalſteuerſyſtem auf Grund des
ſichtbaren äußeren Vermögensbeſitzes beibehielt. So ſind die Kommunen heute auf dem
Kontinente überwiegend auf Zuſchläge zu den direkten Staatsſteuern angewieſen, was
die Gemeinden in vieler Beziehung lähmt und hindert. Es iſt daher ein glücklicher
Gedanke, daß man in Preußen den Ertrag der Grund-, Gebäude- und Gewerbeſteuer
ganz den Gemeinden überlaſſen hat.
Ausreichen mit den Gemeindeſteuern wird man trotzdem nicht, zumal in den
kleineren und ärmeren Gemeinden und gegenüber den zunehmenden Staatsaufträgen und
vom Staate geforderten Zwangsausgaben. Nie ſollte der vom Staate auf die Gemeinden
in dieſer Richtung geübte, in gewiſſem Umfange freilich notwendige Druck ſo weit gehen,
daß die Gemeinde zur bloßen Abwehrverbindung gegen ſtaatliche Zumutungen wird.
Im übrigen iſt zu helfen durch Schaffung größerer, leiſtungsfähigerer Gemeinden,
durch Übertragung einzelner Aufgaben von den Gemeinden auf das Amt, den Kreis, den
Bezirk, ferner dadurch, daß die Gemeinden vom Staate oder den größeren Verbänden
mit Kapital oder jährlichen Zuſchüſſen dotiert werden oder ſchließlich, was die beſte
Form iſt, dadurch, daß ſie für beſtimmte Zwangsaufgaben, die ſie nach dem Geſetz erfüllen
müſſen, durch ſtaatliche Vorſchüſſe und Zuſchüſſe ſubventioniert werden, die ſich einer-
ſeits nach ihrer Bedürftigkeit, andererſeits nach ihrer eigenen Aufwendung richten. Indem
in ſteigendem Umfange komplizierte, gerechte Maßſtäbe für ſolche Subventionen gefunden
werden, erhält man die Selbſtthätigkeit und das Selbſtintereſſe der Gemeinden und
kommt zugleich zu einem paſſenden Zuſammenwirken von Staat und Kommune. —
112. Geſamtergebniſſe. Das neuere Anwachſen der wirtſchaft-
lichen Staats- und Gemeindethätigkeit, ihre Grenze und Verſchieden-
heit. Der vorſtehende Überblick über die Geſchichte und den gegenwärtigen Beſtand
der gebietskörperſchaftlichen Wirtſchaften und öffentlichen Haushalte konnte und ſollte
den Gegenſtand nicht erſchöpfen, ſondern nur die Hauptpunkte hervorheben; zumal auf die
Wirtſchaften der Kirchen, der Stiftungen, der humanitären Korporationen und Vereine,
welche A. Wagner der Volkswirtſchaft als ein beſonderes caritatives Syſtem neben Gemein-
wirtſchaft und Privatwirtſchaft einfügen will, iſt dabei gar nicht eingegangen; zunächſt
des Raumes und ihrer geringeren Bedeutung wegen, dann aber auch, weil die wirtſchaft-
lichen Aufgaben und die finanziellen Mittel, ebenſo die Licht- und Schattenſeiten aller
dieſer Organe doch im Grunde mit denen von Staat und Gemeinde identiſch oder nahe
verwandt ſind, nur eigentümliche Abarten derſelben darſtellen. Wir haben hier zum
Schluß nur noch ein zuſammenfaſſendes Wort über das Reſultat unſerer Unterſuchung
und über die neueſte Entwickelung beizufügen.
Wir ſahen, daß aus genoſſenſchaftlichen herrſchaftliche Wirtſchaftsgebilde, gebiets-
körperſchaftliche Organiſationen entſtehen, daß an ihrer Spitze öffentliche Haushalte
ſich bilden, die über allen anderen Wirtſchaftsorganen des Gebietes ſtehen, daß an
die herrſchaftliche Spitze von Staat und Gemeinde ſich wirtſchaftliche Inſtitutionen an-
ſchließen, welche das ganze Wirtſchaftsleben beeinfluſſen oder beherrſchen. Wir ſahen,
daß die Ausbildung der Volkswirtſchaft, der öffentlichen Haushalte und der ſtaatlichen
Wirtſchaftsinſtitutionen nur Glieder eines und desſelben großen Prozeſſes ſind. Die
öffentlichen Haushalte bilden den Kern der Staats-, Macht- und Rechtsorganiſation,
den Mittelpunkt der Volkswirtſchaft, den ernährenden Quell für alle Staatsverwaltung
und alle ſtaatlichen Wirtſchaftseinrichtungen. Die geſamte Verwaltung von Staat und
Gemeinde iſt ſo beſtimmend für alle volkswirtſchaftlichen Zuſtände, daß ohne ihre
Kenntnis nur über wenige Gebiete der Volkswirtſchaft ein begründetes Urteil möglich
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