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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Erstes Buch. Land, Leute und Technik.
eisen verwandelten. Die Eisenproduktion in Preußen war etwa 1750 2850, 1800
15000 Tonnen (a 2000 Pfd. oder 1000 kg), also 1800 etwa 1,5 kg auf den Kopf; im
Zollverein 1834 110000 Tonnen, also 4--5 kg. In Großbritannien war die Produktion
1740 17000, 1784 40000 (bei 50000 Tonnen Einfuhr), 1800 aber 158000 und
1840 1396000 engl. Tonnen (a 2240 Pfd.), also 1800 auch erst etwa 19 kg auf den
Kopf. Die älteren Holzkohlenöfen hatten einen Umfang von 6 Kubikmeter. Sie mit
Steinkohlen zu heizen hatte man im 17. Jahrhundert wegen des Holzmangels in
England wenig glückliche Versuche gemacht; 1709 gelang die Feuerung mit Coaks, die
aber auch in England Jahrzehnte lang auf einen Ofen sich beschränkte; auf dem Kontinent
wurde der erste Coaksofen in Schlesien 1796, in Belgien 1821 erblasen. Der Sieg der
Coaks- über die Holzöfen auf dem Kontinent fällt erst in die Mitte unseres Jahrhunderts;
die englischen Hochöfen lieferten durchschnittlich jährlich 1740 288, 1805 1785, 1840
3480 Tonnen Eisen; ihre Höhe war von 18 auf 40 Fuß, ihre Fassungskraft von 6
auf 250 Kubikmeter gestiegen. Im übrigen waren die Verbesserung der Gebläse, ihr
Betrieb mit Dampf und die Erhitzung der eingeblasenen Luft die wichtigsten technischen
Verbesserungen (1760--1840); erst seit Bunsen die dem Hochofen entsteigenden Gichtgase
zu analysieren verstanden und zu verwenden gelehrt hatte, konnte der Hochofen als
technisch vollendet gelten. Und die Verbesserung des Frischprozesses, seine Umwandlung
in den Puddelprozeß (d. h. die Entkohlung in geschlossenen Flammöfen mit mechanischer
Umrührung) beginnt wohl 1784, wird aber erst 1824--36 recht durchführbar, vollzieht
sich auf dem Kontinent erst 1846--70. An den Fortschritt des Puddelprozesses schloß
sich der des Hämmerns durch den Dampfhammer, der 1842 durch Nasmyth erfunden
wurde, und des Walzens mit mechanischer Kraft, die sich auch erst 1840--70 recht
durchsetzten.

Der Eisenbahnbau, die entstehende Maschinenindustrie und die Ausrüstung der
Bergwerke mit einem großen maschinellen Apparate waren das Ergebnis der geschilderten
Fortschritte in Westeuropa von 1840--70. Die Produktion stieg gewaltig; in Groß-
britannien von 1840--70 von 1,3 auf 6 Mill., in Deutschland von 0,17 auf 1,3 Mill.,
auf der ganzen Erde von 2,9 auf 12 Mill. Tonnen. Aber das erreichte Ziel war
gegenüber den nun einsetzenden Verbesserungen doch noch ein unvollkommenes: aus
dem Eisen- sollte erst das Stahlzeitalter werden; viel größere technische Erfindungen
wurden 1850--80 gemacht, gestalteten die Eisentechnik teilweise von 1860 an, noch mehr
von 1880 an wieder gänzlich um und erlaubten Produktionssteigerungen, die man
1850--60 noch nicht geahnt hatte.

Es handelt sich um die neuen Methoden, direkt Stahl herzustellen, um die Ersetzung
oder Zurückdrängung des im Puddelofen entkohlten und geschweißten Schmiedeeisens
durch das sogenannte Flußeisen, d. h. um die direkte Herstellung von Stahl und
Eisen aus dem Schmelzprozeß, wodurch ein viel besseres Material mit geringeren Kosten
erzielt wurde.

Stahl hatte man bis gegen 1800 wesentlich direkt in kleinen Quantitäten aus
den feinsten Erzen hergestellt; dann hatte man Schmiedeeisen durch Kohlenzusatz in Stahl
verwandelt (cementiert), endlich ihn auch durch Puddelverfahren hergestellt. Aber das Ziel
blieb, bessere Methoden direkter und umfangreicher Stahlgewinnung zu finden, wie es
Siemens 1852, dann Bessemer und endlich Martin 1858 gelang. Das bedeutete eine Um-
wälzung in der ganzen Eisenindustrie und Eisenverwendung. Die Stahlproduktion und
Stahlanwendung nahm schon 1860--75 einen enormen Aufschwung, der Stahl ersetzte
in den zahlreichsten Verwendungen das viel weniger haltbare Schmiedeeisen. Und nun
gelang es von 1879--80 an, phosphorhaltige Erze durch das Thomas-Gilchristsche Ver-
fahren direkt in Stahl und Flußeisen zu verwandeln, was zumal für Länder mit
überwiegend derartigen Erzen, wie Deutschland, einen ungeheuren Fortschritt bedeutete.
Alle Eisenwerke mußten freilich 1860--90 auf Grund dieser neuen Technik umgebaut
werden. Die auf Roheisen reduzierte Produktion der Erde (einschließlich des Stahls)
stieg 1870--90 von 12 auf 27 Mill. Tonnen (Großbritannien 1890 8, 1897
8,7 Mill., Deutschland 1890 4, 1898 7,4 Mill., die Vereinigten Staaten 1870

Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.
eiſen verwandelten. Die Eiſenproduktion in Preußen war etwa 1750 2850, 1800
15000 Tonnen (à 2000 Pfd. oder 1000 kg), alſo 1800 etwa 1,5 kg auf den Kopf; im
Zollverein 1834 110000 Tonnen, alſo 4—5 kg. In Großbritannien war die Produktion
1740 17000, 1784 40000 (bei 50000 Tonnen Einfuhr), 1800 aber 158000 und
1840 1396000 engl. Tonnen (à 2240 Pfd.), alſo 1800 auch erſt etwa 19 kg auf den
Kopf. Die älteren Holzkohlenöfen hatten einen Umfang von 6 Kubikmeter. Sie mit
Steinkohlen zu heizen hatte man im 17. Jahrhundert wegen des Holzmangels in
England wenig glückliche Verſuche gemacht; 1709 gelang die Feuerung mit Coaks, die
aber auch in England Jahrzehnte lang auf einen Ofen ſich beſchränkte; auf dem Kontinent
wurde der erſte Coaksofen in Schleſien 1796, in Belgien 1821 erblaſen. Der Sieg der
Coaks- über die Holzöfen auf dem Kontinent fällt erſt in die Mitte unſeres Jahrhunderts;
die engliſchen Hochöfen lieferten durchſchnittlich jährlich 1740 288, 1805 1785, 1840
3480 Tonnen Eiſen; ihre Höhe war von 18 auf 40 Fuß, ihre Faſſungskraft von 6
auf 250 Kubikmeter geſtiegen. Im übrigen waren die Verbeſſerung der Gebläſe, ihr
Betrieb mit Dampf und die Erhitzung der eingeblaſenen Luft die wichtigſten techniſchen
Verbeſſerungen (1760—1840); erſt ſeit Bunſen die dem Hochofen entſteigenden Gichtgaſe
zu analyſieren verſtanden und zu verwenden gelehrt hatte, konnte der Hochofen als
techniſch vollendet gelten. Und die Verbeſſerung des Friſchprozeſſes, ſeine Umwandlung
in den Puddelprozeß (d. h. die Entkohlung in geſchloſſenen Flammöfen mit mechaniſcher
Umrührung) beginnt wohl 1784, wird aber erſt 1824—36 recht durchführbar, vollzieht
ſich auf dem Kontinent erſt 1846—70. An den Fortſchritt des Puddelprozeſſes ſchloß
ſich der des Hämmerns durch den Dampfhammer, der 1842 durch Nasmyth erfunden
wurde, und des Walzens mit mechaniſcher Kraft, die ſich auch erſt 1840—70 recht
durchſetzten.

Der Eiſenbahnbau, die entſtehende Maſchineninduſtrie und die Ausrüſtung der
Bergwerke mit einem großen maſchinellen Apparate waren das Ergebnis der geſchilderten
Fortſchritte in Weſteuropa von 1840—70. Die Produktion ſtieg gewaltig; in Groß-
britannien von 1840—70 von 1,3 auf 6 Mill., in Deutſchland von 0,17 auf 1,3 Mill.,
auf der ganzen Erde von 2,9 auf 12 Mill. Tonnen. Aber das erreichte Ziel war
gegenüber den nun einſetzenden Verbeſſerungen doch noch ein unvollkommenes: aus
dem Eiſen- ſollte erſt das Stahlzeitalter werden; viel größere techniſche Erfindungen
wurden 1850—80 gemacht, geſtalteten die Eiſentechnik teilweiſe von 1860 an, noch mehr
von 1880 an wieder gänzlich um und erlaubten Produktionsſteigerungen, die man
1850—60 noch nicht geahnt hatte.

Es handelt ſich um die neuen Methoden, direkt Stahl herzuſtellen, um die Erſetzung
oder Zurückdrängung des im Puddelofen entkohlten und geſchweißten Schmiedeeiſens
durch das ſogenannte Flußeiſen, d. h. um die direkte Herſtellung von Stahl und
Eiſen aus dem Schmelzprozeß, wodurch ein viel beſſeres Material mit geringeren Koſten
erzielt wurde.

Stahl hatte man bis gegen 1800 weſentlich direkt in kleinen Quantitäten aus
den feinſten Erzen hergeſtellt; dann hatte man Schmiedeeiſen durch Kohlenzuſatz in Stahl
verwandelt (cementiert), endlich ihn auch durch Puddelverfahren hergeſtellt. Aber das Ziel
blieb, beſſere Methoden direkter und umfangreicher Stahlgewinnung zu finden, wie es
Siemens 1852, dann Beſſemer und endlich Martin 1858 gelang. Das bedeutete eine Um-
wälzung in der ganzen Eiſeninduſtrie und Eiſenverwendung. Die Stahlproduktion und
Stahlanwendung nahm ſchon 1860—75 einen enormen Aufſchwung, der Stahl erſetzte
in den zahlreichſten Verwendungen das viel weniger haltbare Schmiedeeiſen. Und nun
gelang es von 1879—80 an, phosphorhaltige Erze durch das Thomas-Gilchriſtſche Ver-
fahren direkt in Stahl und Flußeiſen zu verwandeln, was zumal für Länder mit
überwiegend derartigen Erzen, wie Deutſchland, einen ungeheuren Fortſchritt bedeutete.
Alle Eiſenwerke mußten freilich 1860—90 auf Grund dieſer neuen Technik umgebaut
werden. Die auf Roheiſen reduzierte Produktion der Erde (einſchließlich des Stahls)
ſtieg 1870—90 von 12 auf 27 Mill. Tonnen (Großbritannien 1890 8, 1897
8,7 Mill., Deutſchland 1890 4, 1898 7,4 Mill., die Vereinigten Staaten 1870

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[216/0232] Erſtes Buch. Land, Leute und Technik. eiſen verwandelten. Die Eiſenproduktion in Preußen war etwa 1750 2850, 1800 15000 Tonnen (à 2000 Pfd. oder 1000 kg), alſo 1800 etwa 1,5 kg auf den Kopf; im Zollverein 1834 110000 Tonnen, alſo 4—5 kg. In Großbritannien war die Produktion 1740 17000, 1784 40000 (bei 50000 Tonnen Einfuhr), 1800 aber 158000 und 1840 1396000 engl. Tonnen (à 2240 Pfd.), alſo 1800 auch erſt etwa 19 kg auf den Kopf. Die älteren Holzkohlenöfen hatten einen Umfang von 6 Kubikmeter. Sie mit Steinkohlen zu heizen hatte man im 17. Jahrhundert wegen des Holzmangels in England wenig glückliche Verſuche gemacht; 1709 gelang die Feuerung mit Coaks, die aber auch in England Jahrzehnte lang auf einen Ofen ſich beſchränkte; auf dem Kontinent wurde der erſte Coaksofen in Schleſien 1796, in Belgien 1821 erblaſen. Der Sieg der Coaks- über die Holzöfen auf dem Kontinent fällt erſt in die Mitte unſeres Jahrhunderts; die engliſchen Hochöfen lieferten durchſchnittlich jährlich 1740 288, 1805 1785, 1840 3480 Tonnen Eiſen; ihre Höhe war von 18 auf 40 Fuß, ihre Faſſungskraft von 6 auf 250 Kubikmeter geſtiegen. Im übrigen waren die Verbeſſerung der Gebläſe, ihr Betrieb mit Dampf und die Erhitzung der eingeblaſenen Luft die wichtigſten techniſchen Verbeſſerungen (1760—1840); erſt ſeit Bunſen die dem Hochofen entſteigenden Gichtgaſe zu analyſieren verſtanden und zu verwenden gelehrt hatte, konnte der Hochofen als techniſch vollendet gelten. Und die Verbeſſerung des Friſchprozeſſes, ſeine Umwandlung in den Puddelprozeß (d. h. die Entkohlung in geſchloſſenen Flammöfen mit mechaniſcher Umrührung) beginnt wohl 1784, wird aber erſt 1824—36 recht durchführbar, vollzieht ſich auf dem Kontinent erſt 1846—70. An den Fortſchritt des Puddelprozeſſes ſchloß ſich der des Hämmerns durch den Dampfhammer, der 1842 durch Nasmyth erfunden wurde, und des Walzens mit mechaniſcher Kraft, die ſich auch erſt 1840—70 recht durchſetzten. Der Eiſenbahnbau, die entſtehende Maſchineninduſtrie und die Ausrüſtung der Bergwerke mit einem großen maſchinellen Apparate waren das Ergebnis der geſchilderten Fortſchritte in Weſteuropa von 1840—70. Die Produktion ſtieg gewaltig; in Groß- britannien von 1840—70 von 1,3 auf 6 Mill., in Deutſchland von 0,17 auf 1,3 Mill., auf der ganzen Erde von 2,9 auf 12 Mill. Tonnen. Aber das erreichte Ziel war gegenüber den nun einſetzenden Verbeſſerungen doch noch ein unvollkommenes: aus dem Eiſen- ſollte erſt das Stahlzeitalter werden; viel größere techniſche Erfindungen wurden 1850—80 gemacht, geſtalteten die Eiſentechnik teilweiſe von 1860 an, noch mehr von 1880 an wieder gänzlich um und erlaubten Produktionsſteigerungen, die man 1850—60 noch nicht geahnt hatte. Es handelt ſich um die neuen Methoden, direkt Stahl herzuſtellen, um die Erſetzung oder Zurückdrängung des im Puddelofen entkohlten und geſchweißten Schmiedeeiſens durch das ſogenannte Flußeiſen, d. h. um die direkte Herſtellung von Stahl und Eiſen aus dem Schmelzprozeß, wodurch ein viel beſſeres Material mit geringeren Koſten erzielt wurde. Stahl hatte man bis gegen 1800 weſentlich direkt in kleinen Quantitäten aus den feinſten Erzen hergeſtellt; dann hatte man Schmiedeeiſen durch Kohlenzuſatz in Stahl verwandelt (cementiert), endlich ihn auch durch Puddelverfahren hergeſtellt. Aber das Ziel blieb, beſſere Methoden direkter und umfangreicher Stahlgewinnung zu finden, wie es Siemens 1852, dann Beſſemer und endlich Martin 1858 gelang. Das bedeutete eine Um- wälzung in der ganzen Eiſeninduſtrie und Eiſenverwendung. Die Stahlproduktion und Stahlanwendung nahm ſchon 1860—75 einen enormen Aufſchwung, der Stahl erſetzte in den zahlreichſten Verwendungen das viel weniger haltbare Schmiedeeiſen. Und nun gelang es von 1879—80 an, phosphorhaltige Erze durch das Thomas-Gilchriſtſche Ver- fahren direkt in Stahl und Flußeiſen zu verwandeln, was zumal für Länder mit überwiegend derartigen Erzen, wie Deutſchland, einen ungeheuren Fortſchritt bedeutete. Alle Eiſenwerke mußten freilich 1860—90 auf Grund dieſer neuen Technik umgebaut werden. Die auf Roheiſen reduzierte Produktion der Erde (einſchließlich des Stahls) ſtieg 1870—90 von 12 auf 27 Mill. Tonnen (Großbritannien 1890 8, 1897 8,7 Mill., Deutſchland 1890 4, 1898 7,4 Mill., die Vereinigten Staaten 1870

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/232>, abgerufen am 05.05.2024.