Die Technik des 13.--17. Jahrhunderts. Mühlenwesen und Eisenbereitung.
mühlen scheinen ebenfalls in diese Epochen zu fallen. Anschaulich schildert uns W. Arnold, wie Klöster und Städte für den Wassermühlenbau damals thätig waren. Die Erfindung der Holzsägemühlen setzt Beck in den Anfang des 14. Jahrhunderts, ihre Verbreitung ins folgende.
Ebenso wichtig war aber die Verwendung der Wasserkraft im 14. und 15. Jahrhundert für den Bergbau; sie mußte ihn wie die ganze Metallurgie nach und nach umgestalten. Die Entstehung der durch Wasser getriebenen Pochwerke zum Zerkleinern der Erze an Stelle des Zerstoßens in Mörsern, die Bewegung des Blase- balges am Erzschmelzherde, der nun eine ganz andere Hitze erzeugte, die Hebung des überflüssigen Wassers im Bergwerke und die Bewegung der viel größer werdenden Hämmer durch die Kraft des Wasserrades, das waren die großen technischen Errungen- schaften, welche hauptsächlich dem 15. und 16. Jahrhunderte und Deutschland angehörten. Die Blüte des deutschen Bergbaues und der deutschen Eisengewerbe war ebenso die Folge wie die gleich zu besprechende Arbeitsteilung und Betriebsvergrößerung der Berg- und Hüttenwerke. Das Ausziehen des Drahtes an Stelle des Hämmerns gehört dem 14. Jahrhundert an und führt bald auch zur Benutzung der Wasserkraft; die Papier- und die Ölmühlen folgten demnächst. Da mehr und mehr alle erheblichen gewerblichen Anstalten die Wasserkraft benutzten, so konnte dann in England der Gebrauch entstehen, sie alle als "Mühlen" zu bezeichnen.
Die älteste, unvollkommenste Eisenherstellung durch Schmelzen der Erze, welche je nach der Güte 20--75 % Eisengehalt haben, und durch nachträgliches Häm- mern und Ausschweißen in weiteren Feuern haben wir oben kennen gelernt. Die Öfen des Altertums und älteren Mittelalters haben wir uns als offene Herdfeuer, 1--2 Fuß tief, 2--3 Fuß im Quadrat, zu denken; noch Ende des vorigen Jahrhunderts traf man solche in Spanien, im Meiningschen, in der Oberpfalz; sie gaben je in ein paar Stunden Eisenluppen von einigen bis 15--20 Kilogramm. Dem gegenüber waren gemauerte sogenannte Stücköfen 6--8 Fuß hoch, welche in 8--10 Stunden Luppen von einigen Centnern mit erheblicher Kohlenersparung und einer viel höheren Ausbringung des Eisen- gehaltes aus den Erzen lieferten, ein erheblicher Fortschritt. Sie sollen in Steiermark schon im frühen Mittelalter bestanden haben, verbreiteten sich im späteren und erhielten sich bis über 1800 in manchen europäischen Kulturländern (z. B. in Schmalkalden bis 1847). Aus der Vergrößerung der Stücköfen gingen im 15. und 16. Jahrhundert in Steiermark und anderen deutschen Gegenden die ersten sogenannten Hochöfen, 12--18 Fuß hoch, am Boden 21/2', dann am sogenannten Kohlensack 4' 2" und oben an der Gicht 11/2' weit, hervor. Die nun statt von Menschen und Tieren mit Wasser bewegten ver- größerten Blasebälge gaben eine größere Hitze, das festere Mauerwerk hielt sie besser zusammen: man erhielt viel größere Luppen und daneben zum erstenmale flüssiges Roh- eisen, was bisher überhaupt nicht herzustellen war. Es ist spröder und härter, hat mehr Kohlenbeimischung (1,8--5 %) als das Schmiedeeisen und der Stahl. Einzelne der großen Öfen stellten bald nur noch Roheisen her, das dann auf Lösch- und Frischherden entkohlt, d. h. in Stahl- und Schmiedeeisen umgewandelt wurde; andere erzeugten ab- laufendes Roheisen und Luppen nebeneinander; die erstere Methode führte schon im 16. Jahrhundert zu unterbrochenen Prozessen von 8--25 Wochen. Das indirekt aus Gußeisen durch den Frischprozeß hergestellte Schmiedeeisen war gleichmäßiger und besser als das alte, aus den Luppen der Stücköfen erhämmerte. Andererseits taugten für bestimmte Zwecke die Gußwaren besser: für Öfen, Ambosse, Kugeln, Kanonen, Kochtöpfe fand das Gußeisen eine steigende Anwendung.
Die Eisenverwendung nahm zu, und die Eisenschmelz- und Verarbeitungsgewerbe veränderten ihren Standort, ihre Organisation; die Teilung der Arbeitsprozesse wurde eine andere. Die älteste Einheit des kleinen, irgendwo im Walde angesiedelten Eisenerz- schmelzers, der zugleich als Schmied sein Rohprodukt verarbeitete, war zwar längst auf- gelöst, aber noch waren die meisten Schmelzhütten klein und im Walde -- der Holz- kohlen wegen -- zerstreut. Mit der Möglichkeit, durch Wasserkraft mehr und billigeres Eisen herzustellen, entstanden größere Schmelzen an den Wassergefällen und Thalrändern.
Schmoller, Grundriß der Volkswirtschaftslehre. I. 14
Die Technik des 13.—17. Jahrhunderts. Mühlenweſen und Eiſenbereitung.
mühlen ſcheinen ebenfalls in dieſe Epochen zu fallen. Anſchaulich ſchildert uns W. Arnold, wie Klöſter und Städte für den Waſſermühlenbau damals thätig waren. Die Erfindung der Holzſägemühlen ſetzt Beck in den Anfang des 14. Jahrhunderts, ihre Verbreitung ins folgende.
Ebenſo wichtig war aber die Verwendung der Waſſerkraft im 14. und 15. Jahrhundert für den Bergbau; ſie mußte ihn wie die ganze Metallurgie nach und nach umgeſtalten. Die Entſtehung der durch Waſſer getriebenen Pochwerke zum Zerkleinern der Erze an Stelle des Zerſtoßens in Mörſern, die Bewegung des Blaſe- balges am Erzſchmelzherde, der nun eine ganz andere Hitze erzeugte, die Hebung des überflüſſigen Waſſers im Bergwerke und die Bewegung der viel größer werdenden Hämmer durch die Kraft des Waſſerrades, das waren die großen techniſchen Errungen- ſchaften, welche hauptſächlich dem 15. und 16. Jahrhunderte und Deutſchland angehörten. Die Blüte des deutſchen Bergbaues und der deutſchen Eiſengewerbe war ebenſo die Folge wie die gleich zu beſprechende Arbeitsteilung und Betriebsvergrößerung der Berg- und Hüttenwerke. Das Ausziehen des Drahtes an Stelle des Hämmerns gehört dem 14. Jahrhundert an und führt bald auch zur Benutzung der Waſſerkraft; die Papier- und die Ölmühlen folgten demnächſt. Da mehr und mehr alle erheblichen gewerblichen Anſtalten die Waſſerkraft benutzten, ſo konnte dann in England der Gebrauch entſtehen, ſie alle als „Mühlen“ zu bezeichnen.
Die älteſte, unvollkommenſte Eiſenherſtellung durch Schmelzen der Erze, welche je nach der Güte 20—75 % Eiſengehalt haben, und durch nachträgliches Häm- mern und Ausſchweißen in weiteren Feuern haben wir oben kennen gelernt. Die Öfen des Altertums und älteren Mittelalters haben wir uns als offene Herdfeuer, 1—2 Fuß tief, 2—3 Fuß im Quadrat, zu denken; noch Ende des vorigen Jahrhunderts traf man ſolche in Spanien, im Meiningſchen, in der Oberpfalz; ſie gaben je in ein paar Stunden Eiſenluppen von einigen bis 15—20 Kilogramm. Dem gegenüber waren gemauerte ſogenannte Stücköfen 6—8 Fuß hoch, welche in 8—10 Stunden Luppen von einigen Centnern mit erheblicher Kohlenerſparung und einer viel höheren Ausbringung des Eiſen- gehaltes aus den Erzen lieferten, ein erheblicher Fortſchritt. Sie ſollen in Steiermark ſchon im frühen Mittelalter beſtanden haben, verbreiteten ſich im ſpäteren und erhielten ſich bis über 1800 in manchen europäiſchen Kulturländern (z. B. in Schmalkalden bis 1847). Aus der Vergrößerung der Stücköfen gingen im 15. und 16. Jahrhundert in Steiermark und anderen deutſchen Gegenden die erſten ſogenannten Hochöfen, 12—18 Fuß hoch, am Boden 2½′, dann am ſogenannten Kohlenſack 4′ 2″ und oben an der Gicht 1½′ weit, hervor. Die nun ſtatt von Menſchen und Tieren mit Waſſer bewegten ver- größerten Blaſebälge gaben eine größere Hitze, das feſtere Mauerwerk hielt ſie beſſer zuſammen: man erhielt viel größere Luppen und daneben zum erſtenmale flüſſiges Roh- eiſen, was bisher überhaupt nicht herzuſtellen war. Es iſt ſpröder und härter, hat mehr Kohlenbeimiſchung (1,8—5 %) als das Schmiedeeiſen und der Stahl. Einzelne der großen Öfen ſtellten bald nur noch Roheiſen her, das dann auf Löſch- und Friſchherden entkohlt, d. h. in Stahl- und Schmiedeeiſen umgewandelt wurde; andere erzeugten ab- laufendes Roheiſen und Luppen nebeneinander; die erſtere Methode führte ſchon im 16. Jahrhundert zu unterbrochenen Prozeſſen von 8—25 Wochen. Das indirekt aus Gußeiſen durch den Friſchprozeß hergeſtellte Schmiedeeiſen war gleichmäßiger und beſſer als das alte, aus den Luppen der Stücköfen erhämmerte. Andererſeits taugten für beſtimmte Zwecke die Gußwaren beſſer: für Öfen, Amboſſe, Kugeln, Kanonen, Kochtöpfe fand das Gußeiſen eine ſteigende Anwendung.
Die Eiſenverwendung nahm zu, und die Eiſenſchmelz- und Verarbeitungsgewerbe veränderten ihren Standort, ihre Organiſation; die Teilung der Arbeitsprozeſſe wurde eine andere. Die älteſte Einheit des kleinen, irgendwo im Walde angeſiedelten Eiſenerz- ſchmelzers, der zugleich als Schmied ſein Rohprodukt verarbeitete, war zwar längſt auf- gelöſt, aber noch waren die meiſten Schmelzhütten klein und im Walde — der Holz- kohlen wegen — zerſtreut. Mit der Möglichkeit, durch Waſſerkraft mehr und billigeres Eiſen herzuſtellen, entſtanden größere Schmelzen an den Waſſergefällen und Thalrändern.
Schmoller, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. I. 14
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0225"n="209"/><fwplace="top"type="header">Die Technik des 13.—17. Jahrhunderts. Mühlenweſen und Eiſenbereitung.</fw><lb/>
mühlen ſcheinen ebenfalls in dieſe Epochen zu fallen. Anſchaulich ſchildert uns W. Arnold,<lb/>
wie Klöſter und Städte für den Waſſermühlenbau damals thätig waren. Die Erfindung<lb/>
der Holzſägemühlen ſetzt Beck in den Anfang des 14. Jahrhunderts, ihre Verbreitung<lb/>
ins folgende.</p><lb/><p>Ebenſo wichtig war aber die Verwendung der <hirendition="#g">Waſſerkraft</hi> im 14. und<lb/>
15. Jahrhundert für den <hirendition="#g">Bergbau</hi>; ſie mußte ihn wie die ganze Metallurgie nach<lb/>
und nach umgeſtalten. Die Entſtehung der durch Waſſer getriebenen Pochwerke zum<lb/>
Zerkleinern der Erze an Stelle des Zerſtoßens in Mörſern, die Bewegung des Blaſe-<lb/>
balges am Erzſchmelzherde, der nun eine ganz andere Hitze erzeugte, die Hebung des<lb/>
überflüſſigen Waſſers im Bergwerke und die Bewegung der viel größer werdenden<lb/>
Hämmer durch die Kraft des Waſſerrades, das waren die großen techniſchen Errungen-<lb/>ſchaften, welche hauptſächlich dem 15. und 16. Jahrhunderte und Deutſchland angehörten.<lb/>
Die Blüte des deutſchen Bergbaues und der deutſchen Eiſengewerbe war ebenſo die<lb/>
Folge wie die gleich zu beſprechende Arbeitsteilung und Betriebsvergrößerung der Berg-<lb/>
und Hüttenwerke. Das Ausziehen des Drahtes an Stelle des Hämmerns gehört dem<lb/>
14. Jahrhundert an und führt bald auch zur Benutzung der Waſſerkraft; die Papier-<lb/>
und die Ölmühlen folgten demnächſt. Da mehr und mehr alle erheblichen gewerblichen<lb/>
Anſtalten die Waſſerkraft benutzten, ſo konnte dann in England der Gebrauch entſtehen,<lb/>ſie alle als „Mühlen“ zu bezeichnen.</p><lb/><p>Die älteſte, unvollkommenſte <hirendition="#g">Eiſenherſtellung</hi> durch Schmelzen der Erze,<lb/>
welche je nach der Güte 20—75 % Eiſengehalt haben, und durch nachträgliches Häm-<lb/>
mern und Ausſchweißen in weiteren Feuern haben wir oben kennen gelernt. Die Öfen<lb/>
des Altertums und älteren Mittelalters haben wir uns als offene Herdfeuer, 1—2 Fuß<lb/>
tief, 2—3 Fuß im Quadrat, zu denken; noch Ende des vorigen Jahrhunderts traf man<lb/>ſolche in Spanien, im Meiningſchen, in der Oberpfalz; ſie gaben je in ein paar Stunden<lb/>
Eiſenluppen von einigen bis 15—20 Kilogramm. Dem gegenüber waren gemauerte<lb/>ſogenannte Stücköfen 6—8 Fuß hoch, welche in 8—10 Stunden Luppen von einigen<lb/>
Centnern mit erheblicher Kohlenerſparung und einer viel höheren Ausbringung des Eiſen-<lb/>
gehaltes aus den Erzen lieferten, ein erheblicher Fortſchritt. Sie ſollen in Steiermark ſchon<lb/>
im frühen Mittelalter beſtanden haben, verbreiteten ſich im ſpäteren und erhielten ſich<lb/>
bis über 1800 in manchen europäiſchen Kulturländern (z. B. in Schmalkalden bis<lb/>
1847). Aus der Vergrößerung der Stücköfen gingen im 15. und 16. Jahrhundert in<lb/>
Steiermark und anderen deutſchen Gegenden die erſten ſogenannten Hochöfen, 12—18 Fuß<lb/>
hoch, am Boden 2½′, dann am ſogenannten Kohlenſack 4′ 2″ und oben an der Gicht<lb/>
1½′ weit, hervor. Die nun ſtatt von Menſchen und Tieren mit Waſſer bewegten ver-<lb/>
größerten Blaſebälge gaben eine größere Hitze, das feſtere Mauerwerk hielt ſie beſſer<lb/>
zuſammen: man erhielt viel größere Luppen und daneben zum erſtenmale flüſſiges Roh-<lb/>
eiſen, was bisher überhaupt nicht herzuſtellen war. Es iſt ſpröder und härter, hat mehr<lb/>
Kohlenbeimiſchung (1,8—5 %) als das Schmiedeeiſen und der Stahl. Einzelne der<lb/>
großen Öfen ſtellten bald nur noch Roheiſen her, das dann auf Löſch- und Friſchherden<lb/>
entkohlt, d. h. in Stahl- und Schmiedeeiſen umgewandelt wurde; andere erzeugten ab-<lb/>
laufendes Roheiſen und Luppen nebeneinander; die erſtere Methode führte ſchon im<lb/>
16. Jahrhundert zu unterbrochenen Prozeſſen von 8—25 Wochen. Das indirekt aus<lb/>
Gußeiſen durch den Friſchprozeß hergeſtellte Schmiedeeiſen war gleichmäßiger und beſſer<lb/>
als das alte, aus den Luppen der Stücköfen erhämmerte. Andererſeits taugten für<lb/>
beſtimmte Zwecke die Gußwaren beſſer: für Öfen, Amboſſe, Kugeln, Kanonen, Kochtöpfe<lb/>
fand das Gußeiſen eine ſteigende Anwendung.</p><lb/><p>Die Eiſenverwendung nahm zu, und die Eiſenſchmelz- und Verarbeitungsgewerbe<lb/>
veränderten ihren Standort, ihre Organiſation; die Teilung der Arbeitsprozeſſe wurde<lb/>
eine andere. Die älteſte Einheit des kleinen, irgendwo im Walde angeſiedelten Eiſenerz-<lb/>ſchmelzers, der zugleich als Schmied ſein Rohprodukt verarbeitete, war zwar längſt auf-<lb/>
gelöſt, aber noch waren die meiſten Schmelzhütten klein und im Walde — der Holz-<lb/>
kohlen wegen — zerſtreut. Mit der Möglichkeit, durch Waſſerkraft mehr und billigeres<lb/>
Eiſen herzuſtellen, entſtanden größere Schmelzen an den Waſſergefällen und Thalrändern.<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Schmoller</hi>, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. <hirendition="#aq">I.</hi> 14</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[209/0225]
Die Technik des 13.—17. Jahrhunderts. Mühlenweſen und Eiſenbereitung.
mühlen ſcheinen ebenfalls in dieſe Epochen zu fallen. Anſchaulich ſchildert uns W. Arnold,
wie Klöſter und Städte für den Waſſermühlenbau damals thätig waren. Die Erfindung
der Holzſägemühlen ſetzt Beck in den Anfang des 14. Jahrhunderts, ihre Verbreitung
ins folgende.
Ebenſo wichtig war aber die Verwendung der Waſſerkraft im 14. und
15. Jahrhundert für den Bergbau; ſie mußte ihn wie die ganze Metallurgie nach
und nach umgeſtalten. Die Entſtehung der durch Waſſer getriebenen Pochwerke zum
Zerkleinern der Erze an Stelle des Zerſtoßens in Mörſern, die Bewegung des Blaſe-
balges am Erzſchmelzherde, der nun eine ganz andere Hitze erzeugte, die Hebung des
überflüſſigen Waſſers im Bergwerke und die Bewegung der viel größer werdenden
Hämmer durch die Kraft des Waſſerrades, das waren die großen techniſchen Errungen-
ſchaften, welche hauptſächlich dem 15. und 16. Jahrhunderte und Deutſchland angehörten.
Die Blüte des deutſchen Bergbaues und der deutſchen Eiſengewerbe war ebenſo die
Folge wie die gleich zu beſprechende Arbeitsteilung und Betriebsvergrößerung der Berg-
und Hüttenwerke. Das Ausziehen des Drahtes an Stelle des Hämmerns gehört dem
14. Jahrhundert an und führt bald auch zur Benutzung der Waſſerkraft; die Papier-
und die Ölmühlen folgten demnächſt. Da mehr und mehr alle erheblichen gewerblichen
Anſtalten die Waſſerkraft benutzten, ſo konnte dann in England der Gebrauch entſtehen,
ſie alle als „Mühlen“ zu bezeichnen.
Die älteſte, unvollkommenſte Eiſenherſtellung durch Schmelzen der Erze,
welche je nach der Güte 20—75 % Eiſengehalt haben, und durch nachträgliches Häm-
mern und Ausſchweißen in weiteren Feuern haben wir oben kennen gelernt. Die Öfen
des Altertums und älteren Mittelalters haben wir uns als offene Herdfeuer, 1—2 Fuß
tief, 2—3 Fuß im Quadrat, zu denken; noch Ende des vorigen Jahrhunderts traf man
ſolche in Spanien, im Meiningſchen, in der Oberpfalz; ſie gaben je in ein paar Stunden
Eiſenluppen von einigen bis 15—20 Kilogramm. Dem gegenüber waren gemauerte
ſogenannte Stücköfen 6—8 Fuß hoch, welche in 8—10 Stunden Luppen von einigen
Centnern mit erheblicher Kohlenerſparung und einer viel höheren Ausbringung des Eiſen-
gehaltes aus den Erzen lieferten, ein erheblicher Fortſchritt. Sie ſollen in Steiermark ſchon
im frühen Mittelalter beſtanden haben, verbreiteten ſich im ſpäteren und erhielten ſich
bis über 1800 in manchen europäiſchen Kulturländern (z. B. in Schmalkalden bis
1847). Aus der Vergrößerung der Stücköfen gingen im 15. und 16. Jahrhundert in
Steiermark und anderen deutſchen Gegenden die erſten ſogenannten Hochöfen, 12—18 Fuß
hoch, am Boden 2½′, dann am ſogenannten Kohlenſack 4′ 2″ und oben an der Gicht
1½′ weit, hervor. Die nun ſtatt von Menſchen und Tieren mit Waſſer bewegten ver-
größerten Blaſebälge gaben eine größere Hitze, das feſtere Mauerwerk hielt ſie beſſer
zuſammen: man erhielt viel größere Luppen und daneben zum erſtenmale flüſſiges Roh-
eiſen, was bisher überhaupt nicht herzuſtellen war. Es iſt ſpröder und härter, hat mehr
Kohlenbeimiſchung (1,8—5 %) als das Schmiedeeiſen und der Stahl. Einzelne der
großen Öfen ſtellten bald nur noch Roheiſen her, das dann auf Löſch- und Friſchherden
entkohlt, d. h. in Stahl- und Schmiedeeiſen umgewandelt wurde; andere erzeugten ab-
laufendes Roheiſen und Luppen nebeneinander; die erſtere Methode führte ſchon im
16. Jahrhundert zu unterbrochenen Prozeſſen von 8—25 Wochen. Das indirekt aus
Gußeiſen durch den Friſchprozeß hergeſtellte Schmiedeeiſen war gleichmäßiger und beſſer
als das alte, aus den Luppen der Stücköfen erhämmerte. Andererſeits taugten für
beſtimmte Zwecke die Gußwaren beſſer: für Öfen, Amboſſe, Kugeln, Kanonen, Kochtöpfe
fand das Gußeiſen eine ſteigende Anwendung.
Die Eiſenverwendung nahm zu, und die Eiſenſchmelz- und Verarbeitungsgewerbe
veränderten ihren Standort, ihre Organiſation; die Teilung der Arbeitsprozeſſe wurde
eine andere. Die älteſte Einheit des kleinen, irgendwo im Walde angeſiedelten Eiſenerz-
ſchmelzers, der zugleich als Schmied ſein Rohprodukt verarbeitete, war zwar längſt auf-
gelöſt, aber noch waren die meiſten Schmelzhütten klein und im Walde — der Holz-
kohlen wegen — zerſtreut. Mit der Möglichkeit, durch Waſſerkraft mehr und billigeres
Eiſen herzuſtellen, entſtanden größere Schmelzen an den Waſſergefällen und Thalrändern.
Schmoller, Grundriß der Volkswirtſchaftslehre. I. 14
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/225>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.