Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Hausbau und Hauswirtschaft. Älteste Großtechnik. Gesamttendenz der geschlossenen Hauswirtschaft auf gute Versorgung ihrer Glieder, aufEigenwirtschaft, welche an andere Familien, an Gemeinde und Staat nur einige wenige Überschüsse abgeben wollte und konnte. Neben dieser auf sich gestellten Hauswirtschaft hat sich freilich frühe in den Aber doch nicht in Gewerbe und Handel tritt der größte technische Fortschritt Wir werden so sagen können: die Grundformen der Familien- und Hauswirtschaft, 83. Die griechisch-römische, die arabische und die mittelalterlich- Hausbau und Hauswirtſchaft. Älteſte Großtechnik. Geſamttendenz der geſchloſſenen Hauswirtſchaft auf gute Verſorgung ihrer Glieder, aufEigenwirtſchaft, welche an andere Familien, an Gemeinde und Staat nur einige wenige Überſchüſſe abgeben wollte und konnte. Neben dieſer auf ſich geſtellten Hauswirtſchaft hat ſich freilich frühe in den Aber doch nicht in Gewerbe und Handel tritt der größte techniſche Fortſchritt Wir werden ſo ſagen können: die Grundformen der Familien- und Hauswirtſchaft, 83. Die griechiſch-römiſche, die arabiſche und die mittelalterlich- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0221" n="205"/><fw place="top" type="header">Hausbau und Hauswirtſchaft. Älteſte Großtechnik.</fw><lb/> Geſamttendenz der geſchloſſenen Hauswirtſchaft auf gute Verſorgung ihrer Glieder, auf<lb/> Eigenwirtſchaft, welche an andere Familien, an Gemeinde und Staat nur einige wenige<lb/> Überſchüſſe abgeben wollte und konnte.</p><lb/> <p>Neben dieſer auf ſich geſtellten Hauswirtſchaft hat ſich freilich frühe in den<lb/> Mittelpunkten der aſiatiſchen Reiche, zumal in den Küſtenſtädten eine gewiſſe Berufs-<lb/> und Arbeitsteilung entwickelt. Wir treffen ſpecialiſierte Handwerker nicht bloß als<lb/> untere Glieder der Hauswirtſchaft, ſondern auch als zeitweiſe herangezogene Hülfsperſonen<lb/> derſelben und Warenverkäufer; wir wiſſen, daß Verkehr und Handel in Phönikien und<lb/> anderwärts ſich ausgebildet hatten. Wir hören von phönikiſchen Schiffen mit 20—50<lb/> Ruderern, mit Segeln, mit einer Faſſungskraft für 500 Menſchen, mit einer Bewegungs-<lb/> kraft von 24—30 Meilen in 24 Stunden. Die Griechen bewunderten die ſtrenge und<lb/> pünktliche Ordnung an Bord, die nur eine Folge hoher und vollendeter Technik ſein<lb/> konnte.</p><lb/> <p>Aber doch nicht in Gewerbe und Handel tritt der größte techniſche Fortſchritt<lb/> jener vorderaſiatiſchen Reiche zu Tage, ſondern in den Gebieten, wo die Orts-, die<lb/> Stammes-, die Staatsgenoſſen zuſammenwirkten oder durch ſtarke Gewalten zum<lb/> Zuſammenwirken gezwungen wurden; hier erſt feierten die mathematiſchen und natur-<lb/> wiſſenſchaftlichen Fortſchritte jener Tage im Verteidigungs- und Kriegsweſen, im Mauer-,<lb/> Burgen-, Brücken-, Graben-, Gemeindehaus-, Markt-, Palaſt- und Tempelbau, in<lb/> Ciſternen, Brunnen und Waſſerleitungen, im Kanal-, Wege- und Hafenbau ihre größten<lb/> Triumphe. Hier ſpielte der Stein- und Gewölbebau ſowie die ausgebildete Metall-<lb/> technik eine ganz andere Rolle als in der Hauswirtſchaft. Was Gemeinden und engere<lb/> Verbände damals an Brunnenbau, Schutzbauten, gemeinſamem Ackerbau, Gemeindehäuſern,<lb/> Schiffsbau, der in älterer Zeit überall als Bezirks- und Genoſſenſchaftsſache erſcheint,<lb/> geleiſtet haben, können wir meiſt nicht mehr genau erkennen. Aber die Pyramiden und<lb/> die Nilregulierung, der Babyloniſche Mauerbau, die Tempelbauten aller dieſer Reiche,<lb/> ihre Schatzhäuſer, Arſenale und Königsbauten laſſen uns heute noch eine bis auf die<lb/> Neuzeit nach der Größe der Leiſtung kaum übertroffene Großtechnik erkennen, die um ſo<lb/> bewundernswerter erſcheint, je einfacher die techniſch angewandten Hülfsmittel waren.<lb/> Sie verdanken nicht privatem Unternehmungsgeiſt und Gewinnabſichten ihren Urſprung.<lb/> Kleine prieſterliche und kriegeriſche Ariſtokratien und despotiſche Königsgewalten haben<lb/> ſie geſchaffen, konnten ſie nur ſchaffen als die auserleſenen Träger und Führer des<lb/> techniſchen Fortſchrittes und als die uneingeſchränkten Gebieter über große beherrſchte<lb/> Maſſen von Sklaven, unterworfenen fremden Völkern und zu harter Fronarbeit gezwungenen<lb/> Volksgenoſſen. Kirchliche, militäriſche, techniſche Schulung durch lange Zeiträume<lb/> hindurch, ſtabile Geſellſchaftsordnungen für Jahrhunderte einerſeits, furchtbare Knechtung<lb/> und Mißhandlung der Menſchen andererſeits waren die Vorausſetzungen.</p><lb/> <p>Wir werden ſo ſagen können: die Grundformen der Familien- und Hauswirtſchaft,<lb/> des kleinen Bauernbetriebes, auch die Anfänge des lokalen Kundenhandwerks, des<lb/> Handels, des Marktverkehrs ſeien im Zuſammenhange dieſer weſtaſiatiſchen Technik ebenſo<lb/> entſtanden, wie die erſten Ergebniſſe einer ſtaatlichen Großtechnik. Dieſe Formen hätten<lb/> ſich auf Grund ähnlicher techniſcher Vorbedingungen und nachbarlicher Berührung in<lb/> dieſen verſchiedenen aſiatiſchen Reichen ähnlich entwickelt. Aber daneben ſeien damals<lb/> wie ſpäter die Reſultate der volkswirtſchaftlichen Geſtaltung doch ſehr weit auseinander-<lb/> gegangen, weil Natur- und Raſſenverhältniſſe, geiſtige und moraliſche Geſittung und<lb/> ſociale Entwickelung die ähnlichen techniſchen Bauſteine zu verſchiedener Verwendung<lb/> brachten.</p><lb/> <p>83. Die <hi rendition="#g">griechiſch-römiſche</hi>, die <hi rendition="#g">arabiſche</hi> und die <hi rendition="#g">mittelalterlich-<lb/> abendländiſche Technik bis in die letzten Jahrhunderte</hi>. Die relativ hoch<lb/> entwickelte kriegeriſche, adminiſtrative und wirtſchaftliche Technik der aſiatiſchen Völker,<lb/> einſchließlich Ägyptens, hat ebenſowenig als die vorangeſchrittene Verkehrs- und Handels-<lb/> technik der Phöniker und ihrer Tochterſtaaten verhindert, daß ihre teilweiſe Jahrtauſende,<lb/> teilweiſe Jahrhunderte währende Blüte zerfiel, und die Führung der Menſchheit auf<lb/> andere, in ihrer Technik zunächſt weit zurückgebliebene Raſſen und Völker überging.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [205/0221]
Hausbau und Hauswirtſchaft. Älteſte Großtechnik.
Geſamttendenz der geſchloſſenen Hauswirtſchaft auf gute Verſorgung ihrer Glieder, auf
Eigenwirtſchaft, welche an andere Familien, an Gemeinde und Staat nur einige wenige
Überſchüſſe abgeben wollte und konnte.
Neben dieſer auf ſich geſtellten Hauswirtſchaft hat ſich freilich frühe in den
Mittelpunkten der aſiatiſchen Reiche, zumal in den Küſtenſtädten eine gewiſſe Berufs-
und Arbeitsteilung entwickelt. Wir treffen ſpecialiſierte Handwerker nicht bloß als
untere Glieder der Hauswirtſchaft, ſondern auch als zeitweiſe herangezogene Hülfsperſonen
derſelben und Warenverkäufer; wir wiſſen, daß Verkehr und Handel in Phönikien und
anderwärts ſich ausgebildet hatten. Wir hören von phönikiſchen Schiffen mit 20—50
Ruderern, mit Segeln, mit einer Faſſungskraft für 500 Menſchen, mit einer Bewegungs-
kraft von 24—30 Meilen in 24 Stunden. Die Griechen bewunderten die ſtrenge und
pünktliche Ordnung an Bord, die nur eine Folge hoher und vollendeter Technik ſein
konnte.
Aber doch nicht in Gewerbe und Handel tritt der größte techniſche Fortſchritt
jener vorderaſiatiſchen Reiche zu Tage, ſondern in den Gebieten, wo die Orts-, die
Stammes-, die Staatsgenoſſen zuſammenwirkten oder durch ſtarke Gewalten zum
Zuſammenwirken gezwungen wurden; hier erſt feierten die mathematiſchen und natur-
wiſſenſchaftlichen Fortſchritte jener Tage im Verteidigungs- und Kriegsweſen, im Mauer-,
Burgen-, Brücken-, Graben-, Gemeindehaus-, Markt-, Palaſt- und Tempelbau, in
Ciſternen, Brunnen und Waſſerleitungen, im Kanal-, Wege- und Hafenbau ihre größten
Triumphe. Hier ſpielte der Stein- und Gewölbebau ſowie die ausgebildete Metall-
technik eine ganz andere Rolle als in der Hauswirtſchaft. Was Gemeinden und engere
Verbände damals an Brunnenbau, Schutzbauten, gemeinſamem Ackerbau, Gemeindehäuſern,
Schiffsbau, der in älterer Zeit überall als Bezirks- und Genoſſenſchaftsſache erſcheint,
geleiſtet haben, können wir meiſt nicht mehr genau erkennen. Aber die Pyramiden und
die Nilregulierung, der Babyloniſche Mauerbau, die Tempelbauten aller dieſer Reiche,
ihre Schatzhäuſer, Arſenale und Königsbauten laſſen uns heute noch eine bis auf die
Neuzeit nach der Größe der Leiſtung kaum übertroffene Großtechnik erkennen, die um ſo
bewundernswerter erſcheint, je einfacher die techniſch angewandten Hülfsmittel waren.
Sie verdanken nicht privatem Unternehmungsgeiſt und Gewinnabſichten ihren Urſprung.
Kleine prieſterliche und kriegeriſche Ariſtokratien und despotiſche Königsgewalten haben
ſie geſchaffen, konnten ſie nur ſchaffen als die auserleſenen Träger und Führer des
techniſchen Fortſchrittes und als die uneingeſchränkten Gebieter über große beherrſchte
Maſſen von Sklaven, unterworfenen fremden Völkern und zu harter Fronarbeit gezwungenen
Volksgenoſſen. Kirchliche, militäriſche, techniſche Schulung durch lange Zeiträume
hindurch, ſtabile Geſellſchaftsordnungen für Jahrhunderte einerſeits, furchtbare Knechtung
und Mißhandlung der Menſchen andererſeits waren die Vorausſetzungen.
Wir werden ſo ſagen können: die Grundformen der Familien- und Hauswirtſchaft,
des kleinen Bauernbetriebes, auch die Anfänge des lokalen Kundenhandwerks, des
Handels, des Marktverkehrs ſeien im Zuſammenhange dieſer weſtaſiatiſchen Technik ebenſo
entſtanden, wie die erſten Ergebniſſe einer ſtaatlichen Großtechnik. Dieſe Formen hätten
ſich auf Grund ähnlicher techniſcher Vorbedingungen und nachbarlicher Berührung in
dieſen verſchiedenen aſiatiſchen Reichen ähnlich entwickelt. Aber daneben ſeien damals
wie ſpäter die Reſultate der volkswirtſchaftlichen Geſtaltung doch ſehr weit auseinander-
gegangen, weil Natur- und Raſſenverhältniſſe, geiſtige und moraliſche Geſittung und
ſociale Entwickelung die ähnlichen techniſchen Bauſteine zu verſchiedener Verwendung
brachten.
83. Die griechiſch-römiſche, die arabiſche und die mittelalterlich-
abendländiſche Technik bis in die letzten Jahrhunderte. Die relativ hoch
entwickelte kriegeriſche, adminiſtrative und wirtſchaftliche Technik der aſiatiſchen Völker,
einſchließlich Ägyptens, hat ebenſowenig als die vorangeſchrittene Verkehrs- und Handels-
technik der Phöniker und ihrer Tochterſtaaten verhindert, daß ihre teilweiſe Jahrtauſende,
teilweiſe Jahrhunderte währende Blüte zerfiel, und die Führung der Menſchheit auf
andere, in ihrer Technik zunächſt weit zurückgebliebene Raſſen und Völker überging.
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