Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Vorrede. Wissenschaft überfallen hatte. Ich spürte, daß ich mir Klarheit in diesen verschaffenmußte, gerade auch um das Detail der archivalischen Forschung zum höchsten Ertrag zu bringen. Meine alte Liebe zu philosophischen und psychologischen Studien war mit neuer Die Gesichtspunkte, welche mich bei meinen Vorlesungen beseelen, sind immer die Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei: Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank- Martinsbrunn bei Meran, Ostern 1900. Gustav Schmoller. Vorrede. Wiſſenſchaft überfallen hatte. Ich ſpürte, daß ich mir Klarheit in dieſen verſchaffenmußte, gerade auch um das Detail der archivaliſchen Forſchung zum höchſten Ertrag zu bringen. Meine alte Liebe zu philoſophiſchen und pſychologiſchen Studien war mit neuer Die Geſichtspunkte, welche mich bei meinen Vorleſungen beſeelen, ſind immer die Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei: Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank- Martinsbrunn bei Meran, Oſtern 1900. Guſtav Schmoller. <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="VI"/><fw place="top" type="header">Vorrede.</fw><lb/> Wiſſenſchaft überfallen hatte. Ich ſpürte, daß ich mir Klarheit in dieſen verſchaffen<lb/> mußte, gerade auch um das Detail der archivaliſchen Forſchung zum höchſten Ertrag<lb/> zu bringen.</p><lb/> <p>Meine alte Liebe zu philoſophiſchen und pſychologiſchen Studien war mit neuer<lb/> Kraft erwacht. Ich fühlte mehr und mehr, daß die Aufgabe nach Charakter, Studien-<lb/> gang und Neigungen doch eine mir angemeſſene ſei, daß vor allem meine Vorleſungen<lb/> dadurch ſehr gewönnen, daß die ſtärkſte Anſpannung der geiſtigen Kräfte doch bei der<lb/> Vorbereitung auf die Vorleſung ſtattfinde, daß meine beſten allgemeinen Gedanken mir<lb/> dabei kämen, und daß deshalb auch der Verſuch, das zu fixieren, was ich den<lb/> Studierenden ſage, berechtigt und heilſam ſei, obwohl er den Autor nötigt, die Bruch-<lb/> ſtücke ſeines Wiſſens unter dem Geſichtspunkte ſeiner geſchloſſenen Weltanſchauung zu<lb/> einem Ganzen zu vereinigen. Man könnte ſagen, gerade deswegen ſei der Verſuch<lb/> berechtigt, denn dieſe Art der Zuſammenfaſſung müſſe ſtets neben der empiriſchen Detail-<lb/> arbeit ihr Recht behaupten.</p><lb/> <p>Die Geſichtspunkte, welche mich bei meinen Vorleſungen beſeelen, ſind immer die<lb/> geweſen: 1. ſo anſchaulich zu ſein, daß der, welcher die Dinge noch nicht kennt, ſie<lb/> einigermaßen ſehen und erfaſſen kann. Die ſogenannte Langeweile der juriſtiſchen und ſtaats-<lb/> wiſſenſchaftlichen Vorleſungen beruht meiſt darauf, daß eine Unſumme von Scharfſinn,<lb/> Definitionen, Detailwiſſen auf den Zuhörer eindringt, ohne daß er eine anſchauliche Vor-<lb/> ſtellung von dem hat, wovon geredet wird. 2. Den Studierenden neben den allgemeinen<lb/> geſicherten Wahrheiten den Gang beizubringen, auf dem ſie gefunden ſind, die Zweifel<lb/> darzulegen, welche ſie eingeben, die empiriſchen Grundlagen ſo im Detail darzulegen,<lb/> daß er ſie ſich ſelbſt ableiten kann. Ich weiß wohl, daß es auch eine andere Methode<lb/> giebt, daß ſie teilweiſe für den Anfänger vorzuziehen iſt. Auch in der Nationalökonomie,<lb/> und gerade auch in der hiſtoriſchen, wird eine konſtruierende Methode von mehreren<lb/> meiner geſchätzteſten Kollegen mit Virtuoſität gehandhabt: man geht von wenigen klaren<lb/> Sätzen und Formeln, von präciſen Definitionen aus und bringt damit Einfachheit und<lb/> Klarheit in alles, ich möchte ſagen, zu viel Einfachheit und oft nur eine ſcheinbare<lb/> Klarheit. Ich fand im Leben immer, daß der Hauptfehler in der praktiſchen Anwendung<lb/> ſtaatswiſſenſchaftlichen Wiſſens der ſei, daß die der Univerſität Entwachſenen die geſell-<lb/> ſchaftlichen Erſcheinungen für viel zu einfach halten; ſie glauben, dieſelben mit wenigen<lb/> Definitionen und Formeln bemeiſtern zu können. Meiner Auffaſſung und Anlage ent-<lb/> ſpricht es, den Anfänger ſtets auf die Kompliziertheit und Schwierigkeit der Erſcheinungen<lb/> und Probleme aufmerkſam zu machen, ihm die verſchiedenen Seiten des Gegenſtandes<lb/> zu zeigen. In den Vorleſungen hat dieſe Eigentümlichkeit mir den Erfolg nicht geraubt.<lb/> Ich laſſe die folgenden Blätter in die Welt mit der Hoffnung gehen, daß ſie auch den<lb/> Leſer nicht zu ſehr abſchrecken möge.</p><lb/> <p>Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei:<lb/> Das ganze Buch ſollte etwa 40 Bogen nicht überſteigen; es ſollte ein lesbarer, nicht allzu<lb/> teurer Grundriß bleiben. Dadurch waren Citate ausgeſchloſſen. Und ebenſo konnte von<lb/> der Litteratur nur das wichtigſte vor jedes Kapitel geſetzt werden, das, was in erſter<lb/> Linie dem zu empfehlen iſt, der ſich von dieſer Einführung aus weiter in das Studium<lb/> der Fragen vertiefen will.</p><lb/> <p>Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank-<lb/> barkeit, daß ich den Abſchluß erleben durfte. Denn in gewiſſer Beziehung ziehe ich hier<lb/> doch die Summe meiner wiſſenſchaftlichen und perſönlichen Überzeugungen. Meinem<lb/> Aſſiſtenten, Herrn A. Spiethoff, und meiner Frau danke ich für die treue Hülfe bei<lb/> der Korrektur und ſonſtiger Fertigſtellung; Herr Spiethoff hat das Regiſter gefertigt,<lb/> das bei Ausgabe der zweiten Hälfte vervollſtändigt fürs ganze Buch erſcheinen wird.<lb/> Daß ich das Bedürfnis hatte, das Buch meiner Frau zu widmen, wird der wenigſtens<lb/> verſtehen, der uns beide und unſer Verhältnis zu einander kennt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Martinsbrunn</hi> bei Meran, Oſtern 1900.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#b">Guſtav Schmoller.</hi> </hi> </p> </div><lb/> </front> </text> </TEI> [VI/0012]
Vorrede.
Wiſſenſchaft überfallen hatte. Ich ſpürte, daß ich mir Klarheit in dieſen verſchaffen
mußte, gerade auch um das Detail der archivaliſchen Forſchung zum höchſten Ertrag
zu bringen.
Meine alte Liebe zu philoſophiſchen und pſychologiſchen Studien war mit neuer
Kraft erwacht. Ich fühlte mehr und mehr, daß die Aufgabe nach Charakter, Studien-
gang und Neigungen doch eine mir angemeſſene ſei, daß vor allem meine Vorleſungen
dadurch ſehr gewönnen, daß die ſtärkſte Anſpannung der geiſtigen Kräfte doch bei der
Vorbereitung auf die Vorleſung ſtattfinde, daß meine beſten allgemeinen Gedanken mir
dabei kämen, und daß deshalb auch der Verſuch, das zu fixieren, was ich den
Studierenden ſage, berechtigt und heilſam ſei, obwohl er den Autor nötigt, die Bruch-
ſtücke ſeines Wiſſens unter dem Geſichtspunkte ſeiner geſchloſſenen Weltanſchauung zu
einem Ganzen zu vereinigen. Man könnte ſagen, gerade deswegen ſei der Verſuch
berechtigt, denn dieſe Art der Zuſammenfaſſung müſſe ſtets neben der empiriſchen Detail-
arbeit ihr Recht behaupten.
Die Geſichtspunkte, welche mich bei meinen Vorleſungen beſeelen, ſind immer die
geweſen: 1. ſo anſchaulich zu ſein, daß der, welcher die Dinge noch nicht kennt, ſie
einigermaßen ſehen und erfaſſen kann. Die ſogenannte Langeweile der juriſtiſchen und ſtaats-
wiſſenſchaftlichen Vorleſungen beruht meiſt darauf, daß eine Unſumme von Scharfſinn,
Definitionen, Detailwiſſen auf den Zuhörer eindringt, ohne daß er eine anſchauliche Vor-
ſtellung von dem hat, wovon geredet wird. 2. Den Studierenden neben den allgemeinen
geſicherten Wahrheiten den Gang beizubringen, auf dem ſie gefunden ſind, die Zweifel
darzulegen, welche ſie eingeben, die empiriſchen Grundlagen ſo im Detail darzulegen,
daß er ſie ſich ſelbſt ableiten kann. Ich weiß wohl, daß es auch eine andere Methode
giebt, daß ſie teilweiſe für den Anfänger vorzuziehen iſt. Auch in der Nationalökonomie,
und gerade auch in der hiſtoriſchen, wird eine konſtruierende Methode von mehreren
meiner geſchätzteſten Kollegen mit Virtuoſität gehandhabt: man geht von wenigen klaren
Sätzen und Formeln, von präciſen Definitionen aus und bringt damit Einfachheit und
Klarheit in alles, ich möchte ſagen, zu viel Einfachheit und oft nur eine ſcheinbare
Klarheit. Ich fand im Leben immer, daß der Hauptfehler in der praktiſchen Anwendung
ſtaatswiſſenſchaftlichen Wiſſens der ſei, daß die der Univerſität Entwachſenen die geſell-
ſchaftlichen Erſcheinungen für viel zu einfach halten; ſie glauben, dieſelben mit wenigen
Definitionen und Formeln bemeiſtern zu können. Meiner Auffaſſung und Anlage ent-
ſpricht es, den Anfänger ſtets auf die Kompliziertheit und Schwierigkeit der Erſcheinungen
und Probleme aufmerkſam zu machen, ihm die verſchiedenen Seiten des Gegenſtandes
zu zeigen. In den Vorleſungen hat dieſe Eigentümlichkeit mir den Erfolg nicht geraubt.
Ich laſſe die folgenden Blätter in die Welt mit der Hoffnung gehen, daß ſie auch den
Leſer nicht zu ſehr abſchrecken möge.
Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei:
Das ganze Buch ſollte etwa 40 Bogen nicht überſteigen; es ſollte ein lesbarer, nicht allzu
teurer Grundriß bleiben. Dadurch waren Citate ausgeſchloſſen. Und ebenſo konnte von
der Litteratur nur das wichtigſte vor jedes Kapitel geſetzt werden, das, was in erſter
Linie dem zu empfehlen iſt, der ſich von dieſer Einführung aus weiter in das Studium
der Fragen vertiefen will.
Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank-
barkeit, daß ich den Abſchluß erleben durfte. Denn in gewiſſer Beziehung ziehe ich hier
doch die Summe meiner wiſſenſchaftlichen und perſönlichen Überzeugungen. Meinem
Aſſiſtenten, Herrn A. Spiethoff, und meiner Frau danke ich für die treue Hülfe bei
der Korrektur und ſonſtiger Fertigſtellung; Herr Spiethoff hat das Regiſter gefertigt,
das bei Ausgabe der zweiten Hälfte vervollſtändigt fürs ganze Buch erſcheinen wird.
Daß ich das Bedürfnis hatte, das Buch meiner Frau zu widmen, wird der wenigſtens
verſtehen, der uns beide und unſer Verhältnis zu einander kennt.
Martinsbrunn bei Meran, Oſtern 1900.
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