Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.Gebett in Schwermuth genommen, meinem Hertzen ist bang, ich fürchte,und weiß nicht was: Ich bekümmere mich unter vie- len schüchternen und fürchterlichen Gedancken, als ob mir ein Unglück vorstühnde. Ach HErr! mein Leben und alles was mein ist, stehet in deiner Hand: Ich weiß wohl, daß mir ohne deinen göttlichen Wil- len und Verhängniß nichts begegnen kan, und daß denen, die dich lieben, alles muß zum Besten dienen: Es ist ein Stück deiner Weisheit und Liebe gegen uns Menschen, daß du uns nicht vorhin offenbarest, al- les Creutz und Leiden, so uns in dieser Welt begegnen soll: Und gewißlich, wir würden dieses elenden Le- bens nicht froh werden, und das Vorhersehen un- sers Leidens würde uns mehr quälen, als das Lei- den selber. Ich weiß auch wohl, daß du mein eigen Hertz nicht zum Propheten gemacht hast, mir zu ver- kündigen, was mir begegnen soll: Doch, wann ich die Gefahren überlege, die mir und den Meinigen be- gegnen können, und die Bosheit der Welt, die be- trübte Zeiten, die mancherley Zufälle, die mich treffen können, so kan ich kaum verwehren, daß mein Hertz nicht traurig wird; ich lebe in einer Welt, die im Ar- gen liegt, und kan kaum einen Schritt fortsetzen, so begegnen mir Versuchungen: Alles ist voll Gefahr, bin ich zu Thabor in Glück und guten Tagen, so finde ich Stricke; bin ich zu Mizpa in trüben Zeiten, so find ich auch da ausgespannte Netze: Es ist keine Freude ohne Leyd, kein Glück ohne Unglück, kein Frie- de ohne Streit. Ach HErr! ohne dessen Willen kein Haar von meinem Haupte kan fallen, vergieb mir
Gebett in Schwermuth genommen, meinem Hertzen iſt bang, ich fürchte,und weiß nicht was: Ich bekümmere mich unter vie- len ſchüchternen und fürchterlichen Gedancken, als ob mir ein Unglück vorſtühnde. Ach HErr! mein Leben und alles was mein iſt, ſtehet in deiner Hand: Ich weiß wohl, daß mir ohne deinen göttlichen Wil- len und Verhängniß nichts begegnen kan, und daß denen, die dich lieben, alles muß zum Beſten dienen: Es iſt ein Stück deiner Weisheit und Liebe gegen uns Menſchen, daß du uns nicht vorhin offenbareſt, al- les Creutz und Leiden, ſo uns in dieſer Welt begegnen ſoll: Und gewißlich, wir würden dieſes elenden Le- bens nicht froh werden, und das Vorherſehen un- ſers Leidens würde uns mehr quälen, als das Lei- den ſelber. Ich weiß auch wohl, daß du mein eigen Hertz nicht zum Propheten gemacht haſt, mir zu ver- kündigen, was mir begegnen ſoll: Doch, wann ich die Gefahren überlege, die mir und den Meinigen be- gegnen können, und die Bosheit der Welt, die be- trübte Zeiten, die mancherley Zufälle, die mich treffen können, ſo kan ich kaum verwehren, daß mein Hertz nicht traurig wird; ich lebe in einer Welt, die im Ar- gen liegt, und kan kaum einen Schritt fortſetzen, ſo begegnen mir Verſuchungen: Alles iſt voll Gefahr, bin ich zu Thabor in Glück und guten Tagen, ſo finde ich Stricke; bin ich zu Mizpa in trüben Zeiten, ſo find ich auch da ausgeſpannte Netze: Es iſt keine Freude ohne Leyd, kein Glück ohne Unglück, kein Frie- de ohne Streit. Ach HErr! ohne deſſen Willen kein Haar von meinem Haupte kan fallen, vergieb mir
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0592" n="570"/><fw place="top" type="header">Gebett in Schwermuth</fw><lb/> genommen, meinem Hertzen iſt bang, ich fürchte,<lb/> und weiß nicht was: Ich bekümmere mich unter vie-<lb/> len ſchüchternen und fürchterlichen Gedancken, als<lb/> ob mir ein Unglück vorſtühnde. Ach HErr! mein<lb/> Leben und alles was mein iſt, ſtehet in deiner Hand:<lb/> Ich weiß wohl, daß mir ohne deinen göttlichen Wil-<lb/> len und Verhängniß nichts begegnen kan, und daß<lb/> denen, die dich lieben, alles muß zum Beſten dienen:<lb/> Es iſt ein Stück deiner Weisheit und Liebe gegen uns<lb/> Menſchen, daß du uns nicht vorhin offenbareſt, al-<lb/> les Creutz und Leiden, ſo uns in dieſer Welt begegnen<lb/> ſoll: Und gewißlich, wir würden dieſes elenden Le-<lb/> bens nicht froh werden, und das Vorherſehen un-<lb/> ſers Leidens würde uns mehr quälen, als das Lei-<lb/> den ſelber. Ich weiß auch wohl, daß du mein eigen<lb/> Hertz nicht zum Propheten gemacht haſt, mir zu ver-<lb/> kündigen, was mir begegnen ſoll: Doch, wann ich<lb/> die Gefahren überlege, die mir und den Meinigen be-<lb/> gegnen können, und die Bosheit der Welt, die be-<lb/> trübte Zeiten, die mancherley Zufälle, die mich treffen<lb/> können, ſo kan ich kaum verwehren, daß mein Hertz<lb/> nicht traurig wird; ich lebe in einer Welt, die im Ar-<lb/> gen liegt, und kan kaum einen Schritt fortſetzen, ſo<lb/> begegnen mir Verſuchungen: Alles iſt voll Gefahr,<lb/> bin ich zu Thabor in Glück und guten Tagen, ſo finde<lb/> ich Stricke; bin ich zu Mizpa in trüben Zeiten, ſo<lb/> find ich auch da ausgeſpannte Netze: Es iſt keine<lb/> Freude ohne Leyd, kein Glück ohne Unglück, kein Frie-<lb/> de ohne Streit. Ach HErr! ohne deſſen Willen<lb/> kein Haar von meinem Haupte kan fallen, vergieb<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [570/0592]
Gebett in Schwermuth
genommen, meinem Hertzen iſt bang, ich fürchte,
und weiß nicht was: Ich bekümmere mich unter vie-
len ſchüchternen und fürchterlichen Gedancken, als
ob mir ein Unglück vorſtühnde. Ach HErr! mein
Leben und alles was mein iſt, ſtehet in deiner Hand:
Ich weiß wohl, daß mir ohne deinen göttlichen Wil-
len und Verhängniß nichts begegnen kan, und daß
denen, die dich lieben, alles muß zum Beſten dienen:
Es iſt ein Stück deiner Weisheit und Liebe gegen uns
Menſchen, daß du uns nicht vorhin offenbareſt, al-
les Creutz und Leiden, ſo uns in dieſer Welt begegnen
ſoll: Und gewißlich, wir würden dieſes elenden Le-
bens nicht froh werden, und das Vorherſehen un-
ſers Leidens würde uns mehr quälen, als das Lei-
den ſelber. Ich weiß auch wohl, daß du mein eigen
Hertz nicht zum Propheten gemacht haſt, mir zu ver-
kündigen, was mir begegnen ſoll: Doch, wann ich
die Gefahren überlege, die mir und den Meinigen be-
gegnen können, und die Bosheit der Welt, die be-
trübte Zeiten, die mancherley Zufälle, die mich treffen
können, ſo kan ich kaum verwehren, daß mein Hertz
nicht traurig wird; ich lebe in einer Welt, die im Ar-
gen liegt, und kan kaum einen Schritt fortſetzen, ſo
begegnen mir Verſuchungen: Alles iſt voll Gefahr,
bin ich zu Thabor in Glück und guten Tagen, ſo finde
ich Stricke; bin ich zu Mizpa in trüben Zeiten, ſo
find ich auch da ausgeſpannte Netze: Es iſt keine
Freude ohne Leyd, kein Glück ohne Unglück, kein Frie-
de ohne Streit. Ach HErr! ohne deſſen Willen
kein Haar von meinem Haupte kan fallen, vergieb
mir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |