Gedächtniß nimmt ab, mein Verstand wird geringe, meine Augen werden dunckel, mein Angesicht ist jämmerlich, mei- ne Stimme ist kläglich, mein Odem ist schwach, mein Hertz ist matt, alle meine Gliedmassen beben und zittern, und ha- ben keine Krafft mehr. Welches alles mich lehret bedencken, daß es ein Ende mit mir haben muß, daß mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. Behüte mich, mein HErr JESU Christe! für einem schrecklichen End, erhalte mich bey dem seligmachenden Glauben bis an meinen letzten Seuffzer, daß ich bey demselbigen verharre, und selig werde. HErr JE- su bleib bey mir, weil es will Abend werden, und die Tage meines Lebens sich neigen, laß mich in deinen Armen sanfft einschlafen, und am Jüngsten Tag frölich wieder erwachen, der du allein mir die Auferstehung und das Leben bist und bleibest ewiglich, Amen! Amen.
Alsdann fein sanfft und stille, HErr! laß mich schlafen ein, Nach deinem Rath und Wille, Wenn kommt mein Stündelein.
Gebett der Umstehenden und Anwesenden, für ein kreistendes Weib, die über der Geburt ihren Geist aufgeben soll.
Marc. 7, 32. Sie brachten zu ihm einen Tauben, der stumm war, und sie baten ihn, daß er die Hand auf ihn legte.
Ach GOtt! sieh uns in Gnaden an, Da sonst ja niemand helffen kan.
OHERR allmächtiger GOTT, du Vatter aller Gnade und Barmhertzigkeit, du himmlischer Artzt aller Krancken! du Stärcke der Schwachen, du Freude der Traurigen, du Trost der Betrübten! Wir arme Sün- der liegen allhier für deinem Angesicht mit unserm Ge- bett, biegen die Knie unserer Hertzen in wahrem Glau- ben zu dir, und bitten dich demüthiglich, du wollest mit den Augen deiner Barmhertzigkeit ansehen diese unsere liebe Mit - Schwester, welche du mit grossen Geburts-Schmer- tzen beleget, darinnen sie nun lange Zeit gearbeitet, also, daß ihr alle Krafft vergangen, und sie ihr selber nicht mehr
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Gebett deren, die über der Geburt ſterben müſſen.
Gedächtniß nimmt ab, mein Verſtand wird geringe, meine Augen werden dunckel, mein Angeſicht iſt jämmerlich, mei- ne Stimme iſt kläglich, mein Odem iſt ſchwach, mein Hertz iſt matt, alle meine Gliedmaſſen beben und zittern, und ha- ben keine Krafft mehr. Welches alles mich lehret bedencken, daß es ein Ende mit mir haben muß, daß mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. Behüte mich, mein HErr JESU Chriſte! für einem ſchrecklichen End, erhalte mich bey dem ſeligmachenden Glauben bis an meinen letzten Seuffzer, daß ich bey demſelbigen verharre, und ſelig werde. HErr JE- ſu bleib bey mir, weil es will Abend werden, und die Tage meines Lebens ſich neigen, laß mich in deinen Armen ſanfft einſchlafen, und am Jüngſten Tag frölich wieder erwachen, der du allein mir die Auferſtehung und das Leben biſt und bleibeſt ewiglich, Amen! Amen.
Alsdann fein ſanfft und ſtille, HErr! laß mich ſchlafen ein, Nach deinem Rath und Wille, Wenn kommt mein Stündelein.
Gebett der Umſtehenden und Anweſenden, für ein kreiſtendes Weib, die über der Geburt ihren Geiſt aufgeben ſoll.
Marc. 7, 32. Sie brachten zu ihm einen Tauben, der ſtumm war, und ſie baten ihn, daß er die Hand auf ihn legte.
Ach GOtt! ſieh uns in Gnaden an, Da ſonſt ja niemand helffen kan.
OHERR allmächtiger GOTT, du Vatter aller Gnade und Barmhertzigkeit, du himmliſcher Artzt aller Krancken! du Stärcke der Schwachen, du Freude der Traurigen, du Troſt der Betrübten! Wir arme Sün- der liegen allhier für deinem Angeſicht mit unſerm Ge- bett, biegen die Knie unſerer Hertzen in wahrem Glau- ben zu dir, und bitten dich demüthiglich, du wolleſt mit den Augen deiner Barmhertzigkeit anſehen dieſe unſere liebe Mit - Schweſter, welche du mit groſſen Geburts-Schmer- tzen beleget, darinnen ſie nun lange Zeit gearbeitet, alſo, daß ihr alle Krafft vergangen, und ſie ihr ſelber nicht mehr
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Gebett deren, die über der Geburt ſterben müſſen.
Gedächtniß nimmt ab, mein Verſtand wird geringe, meine
Augen werden dunckel, mein Angeſicht iſt jämmerlich, mei-
ne Stimme iſt kläglich, mein Odem iſt ſchwach, mein Hertz
iſt matt, alle meine Gliedmaſſen beben und zittern, und ha-
ben keine Krafft mehr. Welches alles mich lehret bedencken,
daß es ein Ende mit mir haben muß, daß mein Leben ein Ziel
hat, und ich davon muß. Behüte mich, mein HErr JESU
Chriſte! für einem ſchrecklichen End, erhalte mich bey dem
ſeligmachenden Glauben bis an meinen letzten Seuffzer, daß
ich bey demſelbigen verharre, und ſelig werde. HErr JE-
ſu bleib bey mir, weil es will Abend werden, und die Tage
meines Lebens ſich neigen, laß mich in deinen Armen ſanfft
einſchlafen, und am Jüngſten Tag frölich wieder erwachen,
der du allein mir die Auferſtehung und das Leben biſt und
bleibeſt ewiglich, Amen! Amen.
Alsdann fein ſanfft und ſtille,
HErr! laß mich ſchlafen ein,
Nach deinem Rath und Wille,
Wenn kommt mein Stündelein.
Gebett der Umſtehenden und Anweſenden, für ein
kreiſtendes Weib, die über der Geburt ihren Geiſt
aufgeben ſoll.
Marc. 7, 32. Sie brachten zu ihm einen Tauben, der ſtumm war, und ſie
baten ihn, daß er die Hand auf ihn legte.
Ach GOtt! ſieh uns in Gnaden an,
Da ſonſt ja niemand helffen kan.
OHERR allmächtiger GOTT, du Vatter aller
Gnade und Barmhertzigkeit, du himmliſcher Artzt
aller Krancken! du Stärcke der Schwachen, du Freude
der Traurigen, du Troſt der Betrübten! Wir arme Sün-
der liegen allhier für deinem Angeſicht mit unſerm Ge-
bett, biegen die Knie unſerer Hertzen in wahrem Glau-
ben zu dir, und bitten dich demüthiglich, du wolleſt mit
den Augen deiner Barmhertzigkeit anſehen dieſe unſere liebe
Mit - Schweſter, welche du mit groſſen Geburts-Schmer-
tzen beleget, darinnen ſie nun lange Zeit gearbeitet, alſo,
daß ihr alle Krafft vergangen, und ſie ihr ſelber nicht mehr
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/537>, abgerufen am 23.07.2024.
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